Lauren Fogle: The King's Converts. Jewish Conversion in Medieval London, Lanham, MD: Lexington Books 2019, XVI + 232 S., ISBN 978-1-4985-8920-8, USD 95,00
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Mediävisten, die sich mit dem Themenkreis der jüdischen Geschichte beschäftigen, blicken immer wieder neidvoll nach England auf das vor allem durch die umfassende königliche Administration unendlich reich überlieferte Quellenmaterial. Es mag daher erstaunen, wie wenige Forscher sich bisher tatsächlich mit der sozialen und wirtschaftlichen Situation der Juden in England beschäftigt haben; durch den von Patricia Skinner 2003 herausgegebenen Sammelband wurden einige Forschungslücken benannt und teilweise geschlossen. [1] Bezeichnenderweise ist Skinners Band auch das neueste Werk zu England, das Lauren Fogle (Visiting Lecturer an der University of Massachusetts, Lowell im College of Fine Arts, Humanities and Social Sciences, Department of History) im Literaturüberblick ihres 2019 erschienenen Werks zitiert. Umso erfreulicher ist es daher, dass Fogle ihre Monografie dem 1232 von König Heinrich III. gegründeten Londoner Domus Conversorum gewidmet hat; diese Institution zur Aufnahme und Versorgung jüdischer Konvertiten ist zwar wiederholt (und zurecht) als europaweit einzigartig gerühmt worden, mit der Ausnahme einiger Autoren der ersten Hälfte (Michael Adler) oder Mitte (Cecil Roth) des 20. Jahrhunderts haben sich aber kaum Wissenschafter eingehender damit befasst.
Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis macht klar, dass es um eine systematische Aufarbeitung des Domus selbst, der Geschichte seiner Stifter und Förderer, seiner Bewohner, Gebäude und Finanzen geht; die ersten beiden, chronologisch aufgebauten Kapitel (12. und 13. Jahrhundert, 1-20 bzw. 21-54) dienen dabei der Darstellung des theologischen und politischen Hintergrunds: in den Blick rücken sowohl die theologischen Standpunkte zu Konversionen als auch die politischen Interessen von Kirche und Krone. Das dritte Kapitel (55-75) ist acht außerhalb des Domus lebenden Konvertiten, von am Königshof Tätigen über Händler bis hin zu Handwerkern, sowie einigen Konvertitenfamilien gewidmet. Im vierten Kapitel wird das Domus Conversorum selbst vorgestellt (77-109): Fogle geht zunächst den vielfältigen politisch-religiösen Motiven des Stifters König Heinrich III. nach, dessen wirtschaftliche Interessen an Steuern und Darlehen der Juden mit seinem religiöser Eifer konkurrierten. In seiner Entscheidung, den Besitz der Konvertiten zu konfiszieren, stellte sich Heinrich gegen die päpstliche Position, was von Fogle als zwar wirtschaftlich motiviert, aber nur auf die weniger wohlhabenden Teile der jüdischen Bevölkerung abzielend interpretiert wird. Leider bindet Fogle in die Darstellung der mittelalterlichen Diskussion um die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Konfiskationen kaum die rabbinischen Standpunkte bezüglich der Enterbung eines konvertierten Juden ein; eine ausführlichere Einbeziehung der "jüdischen Perspektive" wäre wiederholt wünschenswert gewesen.
Die Teile des Kapitels zur Finanzierung des Domus sind hingegen grundlegend: detailliert geht Fogle den Einkommen, Stiftungen und Schenkungen sowie Ausgaben nach und stellt das Domus in Bezug zu anderen von Londoner Bürgern bestifteten Institutionen, wobei sie die geringe "Popularität" des Domus als Stiftungsempfänger festhalten kann.
Im kurzen fünften Kapitel (111-125) wird der Weiterfinanzierung des Domus nach 1290 nachgegangen, während das sechste Kapitel (127-166) die individuellen Lebensgeschichten der im Domus untergebrachten und/oder in geistliche Häuser verschickten Personen nachzeichnet. Dieses Kapitel ist eines der spannendsten; obwohl manche Erkenntnisse wenig über die rein individuelle Lebensgeschichte hinausgehen, muss allein das Aufspüren und Identifizieren der Personen und Familien als Forschungsleistung gewertet werden. Besonders hervorhebenswert ist der ausgedehnte, bis 1500 reichende zeitliche Rahmen dieses Teils, durch den sowohl die Existenzbedingungen der englischen Konvertiten nach 1290 als auch die Aufnahme von Konvertiten anderer Länder Beachtung finden. Mehrere Tabellen im Text sowie ausführliche Anhänge (187-210) unterstützen diese reichhaltige Darstellung. Den Gebäuden selbst und deren Verwaltung (und Verwaltern) ist das siebte Kapitel (167-185) gewidmet.
Lauren Fogles Buch ist in seiner Konzeption traditionell - es geht um Personen, Juden und Konvertiten, Könige und Geistliche, um Finanzpolitik und Gebäude. Daher ist das Fehlen einiger aktueller Forschungstendenzen durchaus zu kritisieren. Fragen nach einer über das religiöse hinausgehenden jüdischen "Andersartigkeit" in der mittelalterlich-christlichen Perzeption, untersucht etwa durch Irven Resnick und Sara Lipton, die Adaptierung der Methoden und Fragestellungen der postcolonial studies (z. B. Miriamne Krummel) auf die Jewish Studies bis hin zur Diskussion der Konzeption einer medieval race (Geraldine Heng, deren Hauptwerke allerdings gleichzeitig mit dem der Autorin erschienen [2]): alle Genannten ziehen für ihre Theorien das Domus Conversorum heran, was den Verzicht auf eine Behandlung dieser unterschiedlichen Interpretationen umso bedauerlicher macht. Aber auch Konversion als Thema der Diskussionen um mittelalterliche und besonders jüdische Identität(en) wird nur am Rand erwähnt (z. B. Simha Goldin [3]).
Fogle weist zwar zurecht auf die Quellenproblematik hin, die Fragen nach den jeweiligen Gründen für die Konversion oft unbeantwortet lassen muss und eine Identifikation der Konvertiten oft erschwert, dennoch hätte der bereits im Klappentext erwähnte "Schwebezustand", der shadowy and dangerous place between the two religions, in dem sich Konvertiten (nicht nur in England) oft befanden, in einen vor allem theoretisch-methodisch breiteren Rahmen gestellt werden können.
Auch sind gelegentliche Blicke über die Grenzen Englands hinaus meist auf theologische oder politische Fragen begrenzt, wobei der Mangel an nicht-englischsprachiger Literatur zu kritisieren ist: so hätte etwa die Diskussion um die Stellung Kaiser Friedrichs II. zu Konversionen, die als Einfluss auf Heinrich III. geschildert wird, trotz ihrer Kürze (80f.) mehr als die Wiedergabe der entsprechenden Stellen aus Langmuirs Toward a Definition of Anti-Semitism verdient. Auch wirtschaftliche und soziale Themen hätten von einer stärkeren Einbeziehung anderer Territorien profitieren können, beispielsweise hinsichtlich der Frage nach der "Rentabilität" von Konversionen (d.h. aktuelle Konfiskation des Besitzes oder weitere Besteuerung der Juden).
Die Fokussierung auf das Domus ist andererseits aber das große Plus der Arbeit: aufgrund der umfangreichen Aufarbeitung von publiziertem und vor allem unpubliziertem Quellenmaterial können aus Fogles Werk Rückschlüsse gezogen werden, die weit über die bisherigen Darstellungen hinausgehen und neben den theologisch-politischen auch wirtschaftliche und soziale Fragen in den Blickpunkt rücken. Vor allem gewinnt ihre Darstellung durch die über die Rechtsdokumente hinausgehende Vielfalt der verwendeten Quellen: von verschiedensten Aufzeichnungen der königlichen Administration und kirchlichen Dokumenten über Testamente Londoner Bürger und Gerichtsbriefen bis hin zu historiografischem Material reicht der Bogen, durch den erstmals nicht nur König, Klerus und ausgewählte Konvertiten, sondern die alltäglichen Bewohner des Domus sowie seine Verwalter selbst in den Mittelpunkt gestellt werden (im Anhang 187-209 tabellarisch erfasst); Untersuchungen etwa zum Namensmaterial der Konvertiten oder zu den unterschiedlichen Arten der von König, Klerus, Adel und Bürgern getätigten Stiftungen bereichern die Darstellung weiter.
Das abschließende Fazit bleibt ein positives: Lauren Fogles Buch bietet trotz, oder gerade wegen des engen Fokus sowohl Material als auch Denkanstöße für eine Vielzahl von Forschungsansätzen. Kleine Flüchtigkeitsfehler - z. B. wird der Autor von Sanctifying the Name of God in Einleitung und Literaturverzeichnis falsch mit Robert Chazan angegeben (in den Kapitelanmerkungen richtig Jeremy Cohen) - mindern den Wert des Buches nicht; ein umfangreicherer Index wäre gerade angesichts des umfangreichen Namensmaterials wünschenswert gewesen, mag aber nicht in der Entscheidungskompetenz der Autorin gelegen haben.
Anmerkungen:
[1] Patricia Skinner (ed.): The Jews of Medieval Britain, Woodbridge 2003.
[2] Geraldine Heng: England and the Jews: How Religion and Violence Created the First Racial State in the West. Cambride Elements - Religion and Violence, Cambridge 2019; Dies.: The Invention of Race in the European Middle Ages, Cambridge 2018.
[3] Simha Goldin: Are you still my brother? Apostasy and Jewish Identity in the Middle Ages, Manchester 2014.
Birgit Wiedl