Richard Hölzl: Gläubige Imperialisten. Katholische Mission in Deutschland und Ostafrika (1830-1960) (= Reihe "Globalgeschichte"; Bd. 33), Frankfurt/M.: Campus 2021, 654 S., ISBN 978-3-593-51295-2, EUR 56,00
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Richard Hölzl geht in seiner Göttinger Habilitationsschrift den vielfältigen Verflechtungen nach, wie sie sich in eineinhalb Jahrhunderten Mission auf dem afrikanischen Kontinent entwickelt und differenziert haben. Gegenstand seiner Untersuchung ist die Mission der Benediktiner von St. Ottilien in Ostafrika. Hölzl stützt sich auf die schriftliche Überlieferung in den Archiven der Kongregation sowie in missionarischen Veröffentlichungen und liest sie "gegen den Strich".
Hölzls Grundthese ist die wechselseitige "Verflechtung" von Metropole und Mission. In sieben Kapiteln analysiert er die Interaktionen zwischen europäisch-kolonial-missionarischem Handeln und dem Entstehen einer christlichen "Kontaktzone" als Vorstufe zu einem afrikanischen Christentum. Am Beginn der Missionsbewegung um 1830 steht die Idee der "christlichen Zivilisation": Europas "Überlegenheit" aufgrund des christlichen Erbes und die Verpflichtung, die zivilisatorischen Errungenschaften auch anderen Ländern mitzuteilen. Christliche Mission bedeutete deshalb in erster Linie Erziehung. Diese vollzog sich über in vielen kleinen Missionsschulen vermittelte Elementarkenntnisse, die den Abstand zwischen Afrikanern und Europäern aufrechterhalten sollten. Aus den Schulen wurden die einheimischen Lehrkräfte rekrutiert. Über diese bzw. über deren Ehefrauen bezogen die Missionare ihr ethnographisches Wissen. Konversionen waren erwünscht, aber Mischehen zwischen Europäern und Afrikanern wurden abgelehnt. Sehr kritisch sahen die Missionare indigene Praktiken der Initiation, hinter denen sie einen Widerspruch zur katholischen Sexualethik vermuteten. Eine christliche Heirat wurde propagiert, und ein wichtiges Kriterium war die Beschäftigung als Missionslehrer, die nicht nur Wissensvermittlung betrieben, sondern auch als "Hilfspriester" fungierten, wenn der Missionar nicht anwesend sein konnte. Hölzl diskutiert diese Themen, die sich nur in internen Berichten der Missionare, nicht in Veröffentlichungen finden, an einigen Beispielen.
Ein wichtiges Stichwort für Hölzl ist der "Kontaktraum". In Zusammenarbeit mit den deutschen Kolonialbehörden, aber auch mit den britischen Mandatsträgern nach dem Ersten Weltkrieg, suchten die Benediktiner Dialogpartner unter den einheimischen Eliten. Einzelne Führungspersönlichkeiten wurden gefördert, ihre Karrieren in den Publikationen exemplarisch vermittelt, aber die Differenz zu den Missionaren nie aufgegeben. Die wenigen Afrikanerinnen und Afrikaner, denen der Zugang zu den Orden der Benediktinerinnen und Benediktiner ermöglicht wurde, blieben in den äußeren Häuten der Zwiebel und stießen nicht in das Innerste vor, um das von Hölzl verwendete Grass'sche Bild zu zitieren. Die Deutungshoheit über Religion und Sittlichkeit blieb bis weit in die Zwischenkriegszeit in europäischen Händen. Doch der Boden für die Emanzipation war bereitet. Das Beispiel von Julius Nyerere, der als Lehrer in einer der benediktinischen Missionsschulen angefangen hatte und erster Präsident der unabhängigen Republik Tanganyika wurde, und das konfliktive Leben von "Father John" zeigen, dass der Kontaktraum zwischen Missionaren und Afrikanern den Weg bahnte zu politischer Emanzipation und einer Afrikanisierung der kolonialen Kirche.
Von Anfang an lebte die Mission von der Kommunikation. Die Missionare berichteten über Erfolge und Misserfolge. Sie schickten Fotographien für die zahlreichen Missionszeitschriften und Jahrbücher. Genaue Anweisungen aus der Heimat gaben vor, welche Typen von Motiven gefragt waren, um ein positives Bild der Missionserfolge zu zeichnen oder die Hinweise auf Schwierigkeiten wenigstens spendensensibel zu gestalten. Im Hintergrund der Missionsaktivitäten standen Organisationen, die aus privater Initiative erwachsen waren und in der römischen Propaganda-Kongregation ihre Zentrale hatten. Für die Zuarbeit sorgten Missionsvereine, wie sie zu Tausenden in den Pfarreien gegründet wurden. Ihr Fundraising hielt die Mission aufrecht. Dafür wurden Sammelprojekte durchgeführt, Patenschaften für getaufte "Heidenkinder" übernommen und Emotionen des Mitgefühls und der Solidarität gefördert. Die staatliche Unterstützung, wie sie die Missionen durch die kolonialen Regierungen erfahren hatten, wurde ihnen von den Nationalsozialisten nicht gewährt.
Richard Hölzl hat eine breit angelegte Missionsgeschichte Ostafrikas vorgelegt. Aus europäischer Perspektive und mit viel Respekt für die kulturellen und religiösen Praktiken der indigenen Bevölkerung geht er den Verflechtungen nach, wie sie sich aus der missionarischen Existenz der Benediktiner ergeben haben: als Seelsorger auf der Seite der Afrikaner, als Europäer in kultureller Distanz angesichts der Probleme, die Traditionen der Stämme und Clans zu verstehen und zu respektieren, als Mitarbeiter der Kolonialbehörden und als Repräsentanten einer sich von Seiten Roms als "Weltkirche" präsentierenden religiösen Agentur. Hölzl löst Widersprüche nicht auf, sondern ordnet sie in die aktuellen Diskussionen um ein postkoloniales Verständnis der Mission und ihres Beitrags zu einer afrikanischen Aneignung des Christentums ein. Die Studie ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur Globalgeschichte aus dem Umfeld der Göttinger Forschungsgruppen.
Joachim Schmiedl