Antoni Biosca Bas (ed.): Alfonso Bonihominis. Opera omnia. Historia Ioseph, Epistola Samuelis, Disputatio Abutalib, Legenda Sancti Antonii, Tractatus contra malos medicos, Additio islamica ad Epistolam Samuelis, Respuesta catalana de Isaac (= Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis; 295), Turnhout: Brepols 2020, XCVIII + 304 S., ISBN 978-2-503-58372-3, EUR 235,00
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Publizistischer Erfolg schützt nicht vor Vergessen. Mit den Informationen, die zur Person des Alfonsus Bonihominis vorliegen, lässt sich im besten Fall ein dürres biographisches Gerüst erstellen. Und das wenige, was über ihn bekannt ist, verdankt sich vornehmlich seinen eigenen Schriften.
Alfonsus Bonihominis (Alfonoso Buenhombre) wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt in Spanien geboren, eventuell in Galizien (an einer Stelle seines Werks erscheint er als Gallicus), trat in den Dominikanerorden ein, erhielt dort eine solide Ausbildung, wurde von Papst Clemens VI. 1343 zum Bischof von Marokko ernannt und starb um 1353 in Marrakesch. Welchen ordensinternen cursus honorum bzw. cursus officiorum er durchlief, bleibt im Dunkeln. Bekannt ist er für seine Übersetzertätigkeit: Einige arabische Schriften wurden von ihm ins Lateinische übertragen und erfreuten sich großer Verbreitung. Das Arabische vermittelte sich ihm notgedrungen. Immer wieder geriet er in Gefangenschaft. Die Zeit hinter Kerkermauern nutzte er für seine Übersetzungsprojekte. So etwa 1336 als er sich in carcere existens in captivitate Soldani (3) einer um eine Vielzahl äußerst farbenfroher apokrypher Details ergänzten arabischen Version der alttestamentarischen Josephsgeschichte widmete und sie de Arabico in Latinum (3) übertrug.
Antoni Biosca Bas, Mediävist an der Universität von Alicante und ausgewiesener Editor von (theologischen) Texten des spanischen Spätmittelalters [1], nimmt sich in vorliegender Publikation der opera omnia des spanischen Dominikaners an, über die er selbst bereits ausgiebig publizieren konnte (vgl. hierzu die schmale Bibliographie, xciii-xcviii). Vor dem Editionstext finden sich Bemerkungen zu Leben und Werk des Alfonsus Bonihominis, Einführungen zu den einzelnen Werken und Angaben zu den Editionsrichtlinien. Sieben Werke unterschiedlichen Umfangs wurden kritisch ediert. Biosca Bas musste dabei nicht von Null beginnen, sondern konnte teilweise auf bereits vorhandene Editionen zurückgreifen. Er übernahm in diesen Fällen die Texte jedoch nicht tel quel, sondern legte ihnen eine breitere Handschriftenbasis zugrunde. Abweichungen, die sich dabei ergaben, wurden im kritischen Apparat dokumentiert. Biosca Bas behielt die Eigenheiten des von Alfonsus verwendeten Mittellateinischen im Großen und Ganzen bei. Lediglich die Zeichensetzung, die den Text hervorragend strukturiert, ist seine eigene Zugabe. Der kritische Apparat präsentiert sich in negativer Form, d.h. verzeichnet wurden die Varianten derjenigen Handschriften, die sich vom Editionstext unterscheiden. Unterschiede in der Wortstellung wurden nur dann vermerkt, wenn sich bei veränderter Wortstellung der Sinn des jeweiligen Satzes ändert.
Alfonsus Bonihominis beherrscht das Lateinische, dringt, was Sprachgefühl und rhetorische Gewandtheit angeht, jedoch nicht in die Sphären von Zeitgenossen wie Petrarca vor. Der romanische Sprachhintergrund zeigt sich allenthalben, so etwa in der Syntax. Mitunter gewinnt man den Eindruck, er übersetze das, was er in Volkssprache denkt, ins Lateinische. Das hat Vorteile: Der lateinische Text ist durchgängig sehr gut verständlich und erinnert in seiner rhetorischen Schlichtheit mitunter an die Legenda aurea. Rezeptionserschwernisse finden sich in dieser Hinsicht keine.
Die Epistula Samuelis ist der mit Abstand verbreitetste Text des Alfonsus Bonihominis, ein anti-jüdischer mittelalterlicher Bestseller, von dem rund 300 lateinische Handschriften überliefert sind. In der Widmung gibt Alfonsus Bonihominis zu verstehen, er sei zufällig auf den arabischen Text gestoßen (casu devenit ad manus meas, 71) und habe ihn 1339 im Pariser Dominikanerkloster St. Jacques übersetzt. Die Spannung steigt, wenn zusätzlich ausgeführt wird, dass es sich um ein libellum antiquissimum handle, das geheime Informationen transportiere, die sich allein deshalb in arabischem Gewand präsentierten, weil dadurch die niedergelegten secreta besser geschützt werden könnten. Schließlich verfügten pauci Iudei und noch weniger Christiani über die entsprechenden Sprachkenntnisse. Verfasser sei ein magister Samuel, Israhelita, oriundus de Fes, ciuitate Marrochitani regni (72). Und Alfonsus gibt Einblick in seine Übersetzerwerkstatt, wenn er versichert, den Text so ins Lateinische übertragen zu haben prout ipse loquitur in Arabico. Er will getreuer Vermittler, nicht corruptor des Textes sein. Diesen Gedanken des "nah am Text, gleichwohl verständlich" führt Alfonsus auch in einer weiteren kontroverstheologischen Schrift, der in neun Handschriften überlieferten Disputatio Abutalib aus, in der er mit Blick auf den arabischen Text gelobt, nichts hinzufügen, nichts streichen, nichts verändern zu wollen (addere vel diminuere aut mutare, 123). Bedauerlich nur, dass sich diese Vorgehensweise in Ermangelung eines arabischen Originals (sollte ein solches tatsächlich existiert haben und nicht nur der Phantasie des Dominikaners entsprungen sein) nicht überprüfen lässt. Für beide Traktate gilt, dass in ihnen Judentum und Islam unter Beschuss gerieten - dies dürfte die eigentliche Absicht des Alfonsus gewesen sein.
Der Editor war um seine Arbeit an der Epistula Samuelis nicht zu beneiden, galt es doch drei Probleme in den Griff zu bekommen: 1. die schiere Anzahl der Handschriften; 2. die Tatsache, dass sich die überlieferten Texte in einigen Fällen sehr voneinander unterscheiden, 3. die Anordnung der Kapitel. Tatsächlich finden sich in vielen Handschriften am Ende zwei weitere Kapitel anti-muslimischer Stoßrichtung, deren Zugehörigkeit zum Haupttext zu Recht bezweifelt wird. Biosca Bas separiert sie von der Epistula Samuelis und ediert sie separat als Additio islamica ad Epistulam Samuelis und Respuesta Catalana de Isaac.
In seinem Tractatus contra malos medicos gibt Alfonsus gleich in den einleitenden Zeilen die inhaltliche Richtung vor. In dem 1342 de Arabico in Latinum übersetzten Werk geht es ihm darum zu zeigen, wie zu reagieren ist, wenn man auf Reisen oder an Orten erkrankt, an denen kein medizinisches Fachpersonal verfügbar ist. Der kleine Traktat vereint medizinische Ratschläge mit psychologischer Analyse und folgt der Devise, zunächst stets auf die Selbstheilungskräfte des Körpers zu vertrauen, bevor Ärzte konsultiert und Medizinalien verabreicht werden. Die Warnung vor schlecht ausgebildeten medici durchzieht den kleinen Text, dem die polemische Schärfe und Wucht eines Petrarca (Invectiva in medicum) fehlt.
Das Werk des Alfonsus Bonihominis gibt in seiner Vielschichtigkeit und Bandbreite Einblick in die religiösen und kulturellen Befindlichkeiten des späteren Mittelalters und bedient sich dabei der gängigen Textgenera. Was dieses Werk jedoch von den entsprechenden opera vieler seiner dominikanischen Ordensbrüder unterscheidet, ist die Fülle neuer, exotischer, weil (vermeintlich) aus dem arabischen Süden bzw. Osten stammender Informationen. Alfonsus dürfte zwar auch zukünftig wohl kaum in die Phalanx derjenigen Predigerbrüder eingereiht werden, die sich durch ihre hagiographische, bibelexegetische oder kontroverstheologische Höhenkammliteratur in die ordenseigene memoria einschreiben konnten. Das, was sein Werk aber auszeichnet und interessant macht, ist sein Sitz im Leben. Ob Prediger wohl auf Passagen seiner Werke bei der Vorbereitung ihrer Predigten ad populum zurückgreifen konnten?
Antoni Biosca Bas' Edition dürfte dazu beitragen, einen Dominikaner der "zweiten Reihe" wieder bekannter zu machen. Verdient hat er es. Die Lektüre seiner Werke lohnt.
Anmerkung:
[1] Petri Marsilii Opera omnia. Liber Gestorum, Epistola ad Abdala (Corpus Christianorum Continuatio Medievalis, 273), hg. v. Antoni Biosca Bas, Turnhout: Brepols 2015 (rezensiert in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 9 [15.09.2016], URL: http://www.sehepunkte.de/2016/09/27710.html)
Ralf Lützelschwab