Rezension über:

Miriam Wendling (ed.): Cardinal Adam Easton (c. 1330-1397). Monk, Scholar, Theologian, Diplomat (= Church, Faith and Culture in the Medieval West), Amsterdam: Amsterdam University Press 2020, 228 S., E-BOOK, ISBN 978-90-485-5065-4 , EUR 108,99
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Rezension von:
Andreas Kistner
Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Kistner: Rezension von: Miriam Wendling (ed.): Cardinal Adam Easton (c. 1330-1397). Monk, Scholar, Theologian, Diplomat, Amsterdam: Amsterdam University Press 2020, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 6 [15.06.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
/2021/06/35234.html


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Miriam Wendling (ed.): Cardinal Adam Easton (c. 1330-1397)

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Man hat verschiedentlich festgestellt, dass die Mehrheit der Kardinäle des späteren Mittelalters weitgehend unbekannt ist. [1] Für einen der dramatischeren Fälle trägt der anzuzeigende Band dazu bei, diesem Mangel Abhilfe zu schaffen. Mit Adam (von) Easton ist der Protagonist dieses Bandes einer der wenigen Theologen, die es im 14. Jahrhundert ins Kardinalskolleg geschafft haben, der noch dazu von Urban VI. sowohl erhoben als auch degradiert wurde - Folterung und andauernde Gefangenschaft nicht zu vergessen. Kurz vor seinem Lebensende hat Bonifaz IX. den ehemaligen Kardinal dann noch einmal in Amt und Würden gebracht. Der Band, der nun Adam gewidmet ist, enthält neun anglophone Beiträge. Ein Index und ein Handschriftenindex beschließen den Band.

Nicht allein die ereignisgeschichtliche Biographie ist Gegenstand des Buches: Die besondere Rolle des Kardinals im Schisma wird ebenso thematisiert wie die Wandmalerei in der Kirche, der sein englischer Antagonist John Wyclif vorstand, oder die Werke Adams mit zugehörigen Handschriften, so dass der Schwerpunkt auf der Kulturgeschichte liegt.

Zu Anfang gibt Joan Greatrex einen biographischen Überblick, in den sie aber auch weitergehende Fragen einflicht - darunter auch die psychologisierende Frage, ob Adam im Herzen Benediktiner geblieben ist (26). In einer Appendix wird ein Brief aus der Studienzeit Adams zusammen mit einer Übersetzung abgedruckt. Nach einer grundsätzlichen Einführung in die Frühzeit des Schismas geht Patrick Zutshi (Adam Easton and the Great Schism, 29-63) auf Adams Positionen und Rolle ein. Adams Aussagen bettet Zutshi in eine intensive Einführung in die wichtigsten Quellen zum Ausbruch des Schismas ein. Eine besondere Rolle nimmt hier die Handschrift BAV Vat. Lat. 3934 ein. Darin kommentierten Clementisten Adams Aussagen zum Schismenausbruch. Ein Anhang vereint diese Kommentare, die das vermeintlich eindeutige Bild zugunsten Urbans etwas weniger eindeutig erscheinen lassen.

Lynda Dennison (The Dating and Origin of Cambridge, Corpus Christi College, Ms 180, 65-99) widmet sich einer Handschrift aus Adams Besitz. Diese Handschrift ist noch nicht Gegenstand einer tiefer gehenden kunsthistorischen Untersuchung geworden. Dennison versucht daher vor allem, die Datierung und Lokalisierung zu klären, und zieht dazu Vergleichshandschriften heran. Dabei nimmt Oxford, New College, Ms. 242, eine herausgehobene Rolle ein. Schließlich kann Dennison Oxford als Entstehungsort der Handschrift wahrscheinlich machen.

Mariam Gill (Adam Easton and the Lutterworth Wall Paintings Revisited, 101-117) stellt Annahmen über eine Wandmalerei in der Pfarrkirche von Lutterworth in Frage; Annahmen, die in der Forschung von großer Bedeutung waren: Auf Wunsch des prominentesten Rektors der Pfarrkirche, John Wyclif, seien seine zwei wichtigsten Gegner, darunter Adam Easton, auf despektierliche Weise verewigt worden (102-104). Diese Interpretation hängt davon ab, wie man die physische Gestalt (drei Schichten und eine Restaurierung des 19. Jahrhunderts) der Wandmalerei deutet. Gill macht deutlich, dass die mittelalterlichen Befunde zur Sinnstiftung in der viktorianischen Ära dienen mussten: Für die innige Ablehnung des Papsttums wollten die viktorianischen Zeitgenossen unbedingt einen prominenten mittelalterlichen Vorgänger haben (105). Gill geht davon aus, dass der abgebildete Kardinal Teil einer Darstellung einer Georgsmesse ist. Das bringt eine grundsätzlich andere Interpretation dieser Abbildung mit sich - zumal das Wandgemälde wohl erst nach Wyclifs Tod angebracht wurde.

Adam Easton war möglicherweise der erste Engländer, der sich über Dantes De Monarchia geäußert hat; diesen Kommentar stellt Nick Havely (Easton and Dante: beyond Chaucer, 119-137) vor und verweist dabei auch auf den zweiten Kommentator, Geoffrey Chaucer. Das ist deshalb von Interesse, da beide Engländer ihre jeweiligen Werke gekannt haben könnten und Chaucer bislang als der erste Dante-Kommentator von den britischen Inseln betrachtet wird. In der Frühphase des Schismas hat Adam sich in die Reihe der pro-päpstlichen Polemiker eingereiht, die sich für eine Vorrangstellung der geistlichen Gewalt aussprachen. Dantes De Monarchia mag - neben dem Defensor Pacis des Marsilius von Padua - die schmerzlichste Gegenposition dargestellt haben; eine kritische Auseinandersetzung war also nur folgerichtig. Wenn es darum geht, die mögliche Bekanntschaft, wenigstens der jeweiligen Texte, zwischen Adam Easton und Geoffrey Chaucer zu diskutieren, möchte man nicht vor Gericht sein: Die Indizienlage erscheint dem Rezensenten doch recht dünn - was Havely auch selbst zugibt (133).

Adam war an der Kurie wegen seiner intellektuellen Fähigkeiten geschätzt, manchmal auch gefürchtet. In einem nicht final zu klärenden Zusammenhang mit seiner Gefangenschaft in der späteren Zeit des Pontifikats Urbans VI. hat Adam eine Verteidigungsschrift zu Gunsten Birgittas von Schweden verfasst, in der er die Anwürfe eines Peruginer Theologen gegen Birgitta widerlegt. Ann M. Hutchinson (Adam Easton and St Birgitta of Sweden, 139-153) stellt ausgehend von der biographischen Situation Adams diesen Traktat vor und zeigt unter anderem auf, wie gerade misogyne Argumente für die Verteidigung Birgittas nützlich sein konnten (149-150 und öfters).

Neben seinen theologischen Äußerungen hat Adam auch mindestens einen liturgischen Text verfasst. Miriam Wendling (Adam Eastons Office for the Feast of the Visitation of the Virgin Mary, 155-174) stellt erstmals die Abschriften vor, die auch eine musikalische Notation tragen, um auf dieser Grundlage eine Erklärung für die Verbreitung des Textes in Europa zu versuchen. Das erste Officium, das zur Heimsuchung Mariens geschrieben wurde, scheint aus der Feder des Prager Erzbischofs Johann von Jenzenstein († 1400) zu stammen, das aber nach der Etablierung des Festes scharfe Konkurrenz in dem später entstandenen Officium Adams fand. Adam selbst hat seine Arbeit auf dem Officium Julians von Speyer für Franziskus aufgebaut (160 und öfters). Aber gerade diese Abhängigkeit, die in der bisherigen Forschung oftmals zu deutlich gesehen wurde, relativiert Wendling in gewissem Maße. Der Aufsatz setzt sechs Schwerpunkte, für die die zugehörigen Notentranskriptionen aller ausgewerteten Handschriften geliefert werden. Ein Grund für die selten identischen Melodien mag sein, dass die Schreiber des Adam'schen Officiums mehr Text unterbringen mussten, als die Vorlage vorsah (170). Für die weitere Arbeit auf Grundlage dieses Aufsatzes ist erfreulich, dass - wo vorhanden - URLs zu Digitalisaten in den Anmerkungen beigegeben sind.

Claudia Bolgia (Between Tradition and Innovation: the Sepulchral Monument of Adam Easton at S. Cecilia in Trastevere, 175-205) kann einen schlüssigen Vorschlag zur ursprünglichen Lage und Gestalt von Adams Grabmal machen - auch wenn Ockham stellenweise sein Rasiermesser sicherlich schärfer geführt hätte.

Abschließend liefert Zutshi (Adam Eastons Manuscripts, 207-223) einen Katalog der heute noch bekannten Handschriften aus dem Bestand des Protagonisten.

Wenn auch hin und wieder ein Aufsatz eher assoziativ als analytisch wirkt, wenn auch in einem Fall der vorangestellten Kurzzusammenfassung die Funktion der Einleitung zugewiesen wurde, so dass man sich mit Nebensächlichkeiten, wie dem Ziel der eigenen Untersuchung nicht aufhalten muss, sondern gleich mit der Tür ins Haus fallen kann (175), ist hier ein willkommener Beitrag zur Geschichte eines Teils des spätmittelalterlichen Kardinalskollegs gelungen.


Anmerkung:

[1] Bspw. Ralf Lützelschwab: Flectat Cardinales ad velle suum? Clemens VI. und sein Kardinalskolleg. Ein Beitrag zur kurialen Politik in der Mitte des 14. Jahrhunderts (Pariser Historische Studien; 80), München 2007, 7-9.

Andreas Kistner