Rezension über:

Hannah Barker: That Most Precious Merchandise. The Mediterranean Trade in Black Sea Slaves, 1260-1500, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2019, viii + 314 S., ISBN 978-0-8122-5154-8, USD 79,95
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Rezension von:
Ulla Kypta
Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Ulla Kypta: Rezension von: Hannah Barker: That Most Precious Merchandise. The Mediterranean Trade in Black Sea Slaves, 1260-1500, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2019, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 9 [15.09.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
/2021/09/33737.html


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Hannah Barker: That Most Precious Merchandise

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Als typisch mittelalterliche Form der Unfreiheit gilt gemeinhin die Leibeigenschaft. Darüber sollte aber nicht vergessen werden, dass auch die Sklaverei keineswegs nur in Antike und Früher Neuzeit vorkam, sondern auch zu mittelalterlichen Gesellschaften gehörte. Das ruft Bakers Studie mit einer anschaulichen Schilderung des Sklavenhandels zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer ins Bewusstsein. Der Handel florierte zwischen 1260, als der byzantinische Kaiser Handelsprivilegien an Genua, Venedig und das mamelukische Sultanat vergab, bis 1475, als die Osmanen den genuesischen Stützpunkt Kaffa eroberten.

Zwei Punkte streicht Barker immer wieder heraus: Erstens gehörte die Sklaverei im christlichen wie im islamischen Mittelmeerraum zur gesellschaftlichen Normalität; moralisch verurteilt wurde sie nicht. Zweitens formten christliche und islamische Regionen eine gemeinsame Kultur der Sklaverei ("culture of slavery"). Sklaverei galt als legal und war sozial akzeptiert; gerechtfertigt wurde sie darüber, dass man die Angehörigen der anderen Religion versklavte, zur Konversion zwang und damit also ihre Seele zu retten vorgab; und das Schicksal, als Sklave oder Sklavin zu enden, schwebte als universale Bedrohung über allen, auch über Sklavenhändlern oder adligen Sklavenhalterinnen.

Barkers Studie zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Sklavenhandel als integriertes System schildert. Sie differenziert in Details zwischen christlichen und islamischen Facetten, macht aber keine kategorialen Unterschiede auf. Das kann ihr gelingen, weil sie lateinische wie arabische Quellen verwendet und sich deswegen zum einen auf Notariatsregister, Steuerregister und Reiseberichte stützen kann, die aus Genua und Venedig erhalten blieben, zum anderen auf Handbücher zum Sklavenhandel, auf Rechtskompilationen und Vertragsvorlagen, die aus dem Mamelukenreich überliefert sind.

Auf dieser Grundlage entwirft Barker eine klar strukturierte und facettenreiche Schilderung des Sklavenhandels. Die ersten vier Kapitel beschreiben verschiedene Aspekte der Sklaverei, die Kapitel 5 bis 7 analysieren den Handel mit Sklav:innen. Dabei betont Barker immer wieder, dass Sklav:innen einerseits als übliche Handelsware galten und behandelt wurden, dass der Wert dieser Handelsware aber gerade darin gesehen wurde, dass die Sklav:innen Menschen waren: Damit waren sie zu Überlegungen, Entscheidungen und Emotionen fähig.

Kapitel 1 definiert Sklav:innen, insbesondere in Abgrenzung zu Gefangenen, und streicht die religiöse Differenz als entscheidendes Kriterium für die Versklavung heraus. Welcher Religion jemand angehörte, ließ sich nicht immer leicht feststellen. Bei Rechtsstreitigkeiten kam deshalb die Notwendigkeit auf, neben der Religion weitere Differenzierungskriterien einzuführen, wie Kapitel 2 schildert. Insbesondere die Sprache und die Rasse wurden dafür herangezogen, wobei die Rasse nicht binär als schwarz oder weiß konzipiert wurde, sondern differenzierte Abstufungen vorgenommen wurden, die neben der Hautfarbe auch das Herkommen, das Klima, das astrologische Zeichen etc. berücksichtigten.

Welche Arbeit die Sklav:innen verrichteten, wird in Kapitel 3 geschildert. Neben den mamelukischen Kriegersklaven wurden vor allem Frauen versklavt, die Haushalts- und Reproduktionstätigkeiten verrichteten. Hier zeigt sich einer der wenigen fundamentalen Unterschiede zwischen christlichen und islamischen Praktiken: Kinder von Sklavinnen und ihren Herren galten im christlichen Raum als Sklav:innen (also Besitz), im islamischen Raum als Freie (also Erben des Herrn). Der Kauf eines Sklaven oder einer Sklavin hingegen lief überall sehr ähnlich ab, wie Kapitel 4 beschreibt. Die Inspektion der Gesundheit spielte dabei eine wichtige Rolle. Eine Untersuchung der vorhandenen Preisdaten zeigt, dass grundsätzlich auf dem mamelukischen Markt mehr gezahlt wurde als in Genua oder Venedig, Frauen mehr kosteten als Männer und Menschen in ihren Zwanzigern besonders hohe Preise erzielten.

Mit Kapitel 5 beginnt die Darstellung des Handels vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer. Über den Anfang des Handels - die Gefangennahme von Menschen - ist wenig überliefert, jedoch lässt sich sagen, dass nur wenige als Kinder von ihren Eltern verkauft wurden, die meisten hingegen in Kriegen und Raubzügen gefangen genommen wurden. Die Strukturen des weiteren Handels, so Kapitel 6, wurden nicht von einzelnen Händlern geprägt - spezialisierte Sklavenhändler gab es nicht, wer mit Sklav:innen handelte, transportierte immer auch andere Güter in den Mittelmeerraum. Stattdessen gaben die Regierungen von Genua, Venedig und dem Mamlukenreich gewisse Strukturen vor. Sie vergaben Privilegien, erhoben Steuern und regulierten die Höchstzahl an exportierten Sklaven, die Schiffe und Routen. Insbesondere Genua mit ihrem Stützpunkt in Kaffa konnte Einfluss auf den Handel ausüben. Kapitel 7 wendet sich schließlich noch der Frage zu, wieso während der Kreuzzüge Handelsembargos der christlichen Mächte immer nur zeitweilig wirkten: Venedig und Genua belieferten das Sultanat weiter mit Kriegersklaven, um sich so den Zugang zum Markt für Gewürze und andere stark nachgefragte Waren in Alexandria zu sichern.

Am Ende fasst Barker die Ergebnisse zusammen und betont noch einmal den Status von Normalität, den die Sklaverei im spätmittelalterlichen Mittelmeerraum einnahm. Implizit richtet sie sich damit gegen das Narrativ, das sie in der Einleitung als "christian amelioration narrative" bezeichnet: Christen hätten eigentlich keine Sklav:innen mehr besessen, das sei schon von den Zeitgenossen als Irrweg angesehen worden. Auch die Unterschiede zur neuzeitlichen Sklaverei schwingen immer wieder mit, wenn Barker etwa betont, dass Rasse nicht als Gegensatz von schwarz und weiß konzipiert wurde, oder die Sklaverei als universelle Bedrohung charakterisiert wird.

Das Buch hätte wohl noch mehr Relevanz gewonnen als es ohnehin hat, hätte sich Barker der heutigen Auseinandersetzung mit der Sklaverei ausführlicher gestellt, ja vielleicht sogar ein neues Narrativ präsentiert, das die Selbstverständlichkeit der Sklavenhaltung auch in christlichen Gesellschaften aufnimmt, ohne damit das Grauen zu beschönigen, das mit dem Sklavenstatus einherging. Allerdings hätte die Studie damit wohl an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit eingebüßt. So bleibt festzuhalten, dass Barkers Buch die Geschichte der Sklaverei um wichtige Aspekte ergänzt und zugleich einen lebendigen Einblick gibt in die christlich-islamische Handelswelt zwischen Schwarzmeer und Mittelmeer.

Ulla Kypta