Rezension über:

Clemens von Looz-Corswarem: Schifffahrt und Handel auf dem Rhein vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Beiträge zur Verkehrsgeschichte (= Schriften zur Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsgeschichte; Bd. 48), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2020, 560 S., 225 Farbabb., ISBN 978-3-412-51771-7, EUR 55,00
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Rezension von:
Werner Scheltjens
Otto-Friedrich-Universität, Bamberg
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Werner Scheltjens: Rezension von: Clemens von Looz-Corswarem: Schifffahrt und Handel auf dem Rhein vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Beiträge zur Verkehrsgeschichte, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2020, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 1 [15.01.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
/2022/01/34483.html


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Clemens von Looz-Corswarem: Schifffahrt und Handel auf dem Rhein vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert

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Als ich gefragt wurde, das vorliegende Buch zu rezensieren, habe ich mich gefreut. Der Titel weckte die Erwartung, grundlegendes Wissen über die Wirtschaftsgeschichte eines der wichtigsten Flüsse in Westeuropa vorzufinden. Der Untertitel, worin ein digitales Aktenverzeichnis von 1300 Seiten (!) angekündigt wird, steigerte meine Erwartungen noch. Clemens von Looz-Corswarem ist ausgebildeter Archivar und Historiker. Er arbeitete von 1982 bis 1988 als Mitarbeiter in den Archiven der Städte Köln und Düsseldorf, und leitete das Stadtarchiv Düsseldorf von 1988 bis 2012. Er ist ein ausgewiesener Spezialist auf dem Gebiet der Rheinschifffahrt, forscht und publiziert seit etwa vier Jahrzehnten über die Geschichte der Schifffahrt und Handel auf dem Rhein.

Der vorliegende Band umfasst insgesamt 16 Beiträge, die zwischen 1977 und 2016 geschrieben wurden. Mehrheitlich sind diese Beiträge in den Jahren 2007 bis 2016 entstanden und hier unverändert übernommen, fünf Beiträge überarbeitet oder "geringfügig ergänzt". Dabei sollte man die Bezeichnung "überarbeitete Fassung", so wie sie im "Verzeichnis der Originalpublikationsorte" (532-533) festgehalten ist, offensichtlich nicht wörtlich nehmen. Der erste Beitrag über die Verkehrsverhältnisse am Niederrhein zur Hansezeit ist im Vergleich zum Original aus 1991 von 21 auf stolze 70 Seiten gewachsen. Ähnliche Verhältnisse findet man im Beitrag über die Staatsschiffe des Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus vor. In den Fassungen von 1977 und 1978 war dieser Aufsatz nicht mehr als 8 Seiten lang. 2013 wurde er für Veröffentlichung im Internet-Portal "Rheinische Geschichte" erweitert, und für den vorliegenden Band wurde der Text nochmal überarbeitet und ergänzt. Er umfasst jetzt mehr als 60 Seiten und ist so kaum noch mit dem Original aus dem Jahr 1977 vergleichbar. Der Beitrag "Die Überwindung der Langsamkeit" liegt hier in der Langfassung vor; die Kurzfassung mit dem gleichen Titel erschien 2013/14 in der Zeitschrift der Niederrhein-Akademie.

Wer sich von der Lektüre dieser überarbeiteten Aufsätze neue Erkenntnisse erhofft, wird jedoch enttäuscht. Insbesondere im ersten Beitrag ist die Überarbeitung eher als ein Fortschreiben weit über die Hansezeit hinaus zu verstehen, so dass dieser Beitrag noch am Ehesten als Versuch einer Einleitung über die Bedeutung des Rheins im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit verstanden werden kann. Dabei greift der Autor häufig auf seine eigenen Arbeiten zurück, was dazu führt, dass sich im gesamten Band ähnliche Beschreibungen mehrfach wiederholen. Insbesondere in den ersten vier Beiträgen beeinträchtigen die Überschneidungen und Wiederholungen das Lesevergnügen. Die darauf folgenden Beiträge über die Rheinschifffahrt in der Napoleonischen Zeit (Beiträge 5 bis 8), sind deutlich besser strukturiert und kohärenter. In der zweiten Hälfte des Bandes stehen zunächst einige Fallstudien aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Vordergrund (Beiträge 8 bis 12). Danach wird die chronologische Anordnung der Beiträge verlassen und folgen noch vier deskriptive Beiträge über Schiffe und Fähren auf dem Rhein.

Nach der Lektüre ist von der anfänglichen Freude wenig übrig geblieben. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Zum einen wäre eine genauere Bezeichnung der behandelten Inhalte wünschenswert gewesen. Die Beiträge behandeln allesamt den Abschnitt des Rheins von Köln bis zur niederländischen Grenze. Über die anderen Rheinabschnitte erfährt man so gut wie nichts. Zum anderen lässt die formale Gestaltung des Bandes zu wünschen übrig. Ob ein Buch von 560 Seiten unbedingt mit 235 Abbildungen ausgestattet werden sollte, ist fraglich. Natürlich ergänzen manche Bilder den Text; häufig tun sie das aber nicht und stören eher den Lesefluss. Häufig ist kein direkter Bezug zwischen Abbildung und Text sichtbar. Ein Literaturverzeichnis für den gesamten Band fehlt, wodurch der Wunsch nach einem Überblick über den Forschungsstand noch verstärkt wird. Die Querverweise in den Fußnoten zum ersten Kapitel sind fehlerhaft, was daran liegt, dass der erste Beitrag mit Fußnote fünf anfängt.

Anstatt unkoordiniert überarbeitete Beiträge mit früheren Veröffentlichungen zu sehr unterschiedlichen Themen miteinander zu vermischen, wäre eine konzise Synthese des heutigen Wissensstandes über die Geschichte der Rheinschifffahrt wesentlich sinnvoller gewesen. Die Redaktion der Schriftenreihe hätte hier eine wichtige ordnende Rolle spielen können, hat aber wenig zusammenhängende und manchmal impressionistisch anmutende Beiträge zugelassen. Besonders ärgerlich: Das angekündigte digitale Aktenverzeichnis ist bis zum heutigen Tage nicht verfügbar. Bei wiederholter Nachfrage wurde freundlich um noch etwas Geduld gebeten. Der QR-Code am Ende des Buches führt nur auf die Website des Verlages, wo das Verzeichnis als "Fundus für die kölnische und rheinische Wirtschaftsgeschichte [der] Zeit [von ca. 1800 bis 1830] " angepriesen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Redaktion bei der Gestaltung dieses Verzeichnisses ihre Rolle ernster nehmen wird als bei der Veröffentlichung des vorliegenden Bandes.

Werner Scheltjens