Rezension über:

Edmond Jean François Barbier: Chronique de la Régence et du règne de Louis XV. Tome I 1718-1726 (= Coll. Lire le Dix-huitième Siècle; 74), Paris: Classiques Garnier 2020, 548 S., ISBN 978-2-406-09881-2, EUR 58,00
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Rezension von:
Josef Johannes Schmid
Mainz / Manubach
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Josef Johannes Schmid: Rezension von: Edmond Jean François Barbier: Chronique de la Régence et du règne de Louis XV. Tome I 1718-1726 , Paris: Classiques Garnier 2020, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 1 [15.01.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
/2022/01/35246.html


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Edmond Jean François Barbier: Chronique de la Régence et du règne de Louis XV

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Remakes üben nicht nur auf Filmschaffende eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, auch der Wissenschaftsbetrieb kennt sie. Dies gilt nicht nur für Ansätze, Methoden und Forschungsschwerpunkte, welche oftmals im Mainstream der akademischen Zeitmode sich repetitiv präsentieren; auch das Editionswesen ist mitunter betroffen.

Ein treffender Beleg für diese Tatsache liefert der hier vorzustellende erste Band der nunmehr wiederum herausgegebenen chronologischen Aufzeichnungen des Pariser Bourgeois und Parlement-Advokaten Edmond Jean François Barbier (1689-1771), die die Jahre 1718 bis 1763 und somit einen Großteil des règne de Louis XV umfassen. Gattungsmäßig entzieht sich das Werk einer klaren Einordnung, da es nicht streng kalendarisch angelegt ist, also keine Einträge für jeden Tag aufweist und klassische Chronikelemente, wie etwa das Wetter, nur sehr sporadisch beinhaltet. Das Dilemma ergibt sich klar im Französischen, in dem die Sammlung journal oder chronique genannt wird, während Barbier - wie Saint-Simon, als dessen Nachfolger er oftmals etikettiert wird - selbst zu den mémoralistes zählt, was ja auf ein völlig anderes Genre abhebt. Im Gegensatz zu seinem vermeintlichen Vorgänger weist Barbier aber den eigentlichen Zweck seiner Aufzeichnungen nicht aus; ob er seine Seiten tatsächlich nur für sich selbst, als Andenken für seine Familie oder aber als Faktensammlung für das parlamentarische Umfeld, dem er angehörte, konzipierte, muss dahingestellt bleiben.

Von Paulin Paris als Manuskript in der Bibliothèque Nationale wiederentdeckt, besorgte Arthur Nouail de La Villegille (1803-1882) für die Société de l'Histoire de France zwischen 1847 und 1856 eine, damals noch Journal historique et anecdotique du règne de Louis XV betitelte Auswahlausgabe [1], bevor er dann den gesamten Text 1857/1858 als Chronique... ou Journal in einer achtbändigen kommentierten Ausgabe vorlegte. [2] Diese ist heute noch weitgehend in Gebrauch und mittlerweile auch in Onlineausgaben unkompliziert zugänglich.

Ein vierköpfiges Herausgeberteam sah sich nunmehr veranlasst nach 150 Jahren eine neue mehrbändige Edition zu realisieren, deren erster Band, wie bei Villegille die Jahre 1718 bis 1726 umfassend und unter gleichem Titel, nunmehr vorliegt.

Hatte die einführende Präsentation von Werk, Autor und Zeitumständen 1857 noch zehn Seiten gefüllt, muss sie sich jetzt mit deren fünfeinhalb (!) begnügen, dies ohne Erwähnung der neuesten Forschungsliteratur zu Thema und Umfeld. [3] Sodann beginnt der eigentliche Text Barbiers, der durch eine kurze, jedem Kalenderjahr vorgeschaltete Einführung rhythmisiert wird. Leider verzichten auch diese nahezu vollständig auf jeden Hinweis zu auch noch so grundlegender oder weiterführender Literatur, was angesichts der enormen Überblicks- wie Detailforschung der letzten Jahrzehnte zum französischen Dix-huitième befremdlich wirkt.

Im Text werden, wie in der Vorgängerausgabe, einzelne Begriffe, Phänomene und Personen näherhin erläutert, ohne dass der Anmerkungsapparat die Fülle und Informationsdichte derselben auch nur annähernd erreicht. Verweise auf andere Quellen und Sekundärliteratur erfolgen disparat ohne durchgehend erkennbares Prinzip.

Erfreulich aber ist eindeutig die Beigabe anderer zeitrelevanter Texte im Anhang, ebenso ein chronologisches Ereignisraster sowie ein dichtes, gut gearbeitetes Register. Darüber hinaus ist das Satzbild angenehm gestaltet, das Werk verlegerisch angemessen betreut.

In der Summe belegt die Neuedition die bleibende Aktualität eines Klassikers, der sich genre-mäßiger Einordnung bis heute entzieht. Wer ihn für seine Bibliothek erwerben möchte, dem ist nunmehr eine weitere Möglichkeit eröffnet. Es bleibt zu wünschen, dass eine intensivierte Beschäftigung mit Inhalten und Tendenzen Barbiers weiteres Licht auf das Siècle de Louis XV wirft, welches trotz des vorerwähnten Interessenzuwachses der vergangenen Dekaden noch immer zu Unrecht ein wenig im Schatten anderer Perioden steht.


Anmerkungen:

[1] Journal historique et anecdotique du re?gne de Louis XV, par E.J.F. Barbier[,] avocat au parlement de Paris[,] publie? pour La Socie?te? de l'histoire de France d'apre?s le manuscrit ine?dit de la Bibliothe?que royale par A. de La Villegille, 4 Bde., Paris 1847-1856, diese Bände wurden in New York 1966 als Reprint neu veröffentlicht; online: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k111940v.texteImage (30.11.2021).

[2] Chronique de la régence et du règne de Louis XV (1718-1765) ou journal de Barbier... Première édition complète conforme au manuscrit de l'auteur..., 8 Bde., Paris 1857/1858; online, u.a.: https://opacplus.bsb-muenchen.de/title/BV019983334 usw.; https://books.google.de/books?id=XkNAAAAAcAAJ&hl=de&source=gbs_ViewAPI&redir_esc=y usw. (30.11.2021)

[3] Etwa: Hugues Lécharny / Edmond-Jean-François Barbier: Un chroniqueur parisien au siècle des Lumières. Analyse d'une chronique et d'une mise en représentation du réel (Diss.), Paris 1994; Laurent Turcot: Un chroniqueur curieux de Paris et de la promenade. Edmond Jean François Barbier et son journal (1718-1763), in: French Historical Studies 33/2 (2010), 201-230.

Josef Johannes Schmid