Aiden Warren / Adam Bartley: US Foreign Policy and China. Security Challenges During the Bush, Obama, and Trump Administrations, Edinburgh: Edinburgh University Press 2020, VIII + 327 S., ISBN 978-1-4744-5305-9, GBP 75,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine am 24. Februar 2022 ist vielfach von Zeitenwende die Rede. Sie betrifft Europa ebenso wie das Verhältnis zwischen den drei Großmächten USA, Russland und China. Als die Melbourner Politikwissenschaftler Aiden Warren und Adam Bartley ihre Monographie über die China-Politik der ersten drei US-Präsidenten des 21. Jahrhunderts veröffentlichten, konnten sie noch nicht ahnen, wie hilfreich ihr Buch für das Verständnis des chinesisch-amerikanischen Konflikts im Zusammenhang mit der aktuellen Kriegskonstellation sein würde.
Die Darstellung beginnt mit einer anderen Zeitenwende. Bereits in der ersten Amtszeit von George W. Bush zeichnete sich ein Ende jener unipolaren Welt ab, die seit dem Ende des Kalten Krieges von den USA als führender Militärmacht, Land mit der größten Wirtschaftskraft und wichtigster Quelle von Innovation und Führungsstärke dominiert worden war. In fünf nach den Amtszeiten der Präsidenten George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump gegliederten Kapiteln verfolgen Warren und Bartley den unaufhaltsamen Wandel im amerikanischen Verhältnis zu China von Kooperation zu Rivalität. Ihr Augenmerk richtet sich auf die Schlüsselthemen der bilateralen Sicherheit, denen sich jeder US-Präsident in seiner Amtszeit stellen musste: Wie sollte man auf Chinas forcierte militärische Modernisierung reagieren? Welchen Einfluss hatten Beijings zunehmend offensiv vertretene territoriale Ansprüche im Ostchinesischen wie auch im Südchinesischen Meer auf die geopolitische Lage in der Region? Was bedeutete Xi Jinpings ehrgeiziges Infrastrukturprojekt "One Belt, One Road" (OBOR) für die Weltwirtschaft und die globalen Hierarchien? Auch die aus der Zeit des Kalten Krieges übernommenen Konflikte um Nordkorea und Taiwan sorgten weiterhin für Spannungen zwischen Beijing und Washington. Die sehr unterschiedlichen Charaktere von Bush, Obama und Trump werden dabei ebenso thematisiert wie die Einflüsse von Regierungsmitgliedern, Beratern und Kommentatoren. Jedes Kapitel basiert auf einer reichhaltigen Dokumentation dieser zahlreichen Stimmen in Kombination mit dem neuesten Forschungsstand.
Schon zu Beginn der ersten Amtszeit Bushs (Kapitel 1) warnten neokonservative Regierungskreise vor Chinas Aufstieg. Die Autoren sehen darin erste Anzeichen eines tieferen weltanschaulichen Konflikts zwischen den USA und China. In Washington mehrten sich die Stimmen, die eine Wiederbelebung der alten Strukturen des Mächtegleichgewichts aus den Zeiten des Kalten Krieges in Ostasien forderten, um den Frieden im asiatisch-pazifischen Raum zu sichern. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 stoppten zunächst die Negativ-Spirale. Beide Seiten signalisierten ihre Bereitschaft zur Neujustierung der Beziehungen.
Auch Bushs zweite Amtszeit (Kapitel 2) war von der Priorisierung des Krieges gegen den Terror geprägt. Selbst Beijings Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber den Uiguren in Xinjiang wurden als Teil des internationalen Kampfes gegen den Terror verharmlost. Bush hielt an seiner "bedingten Akzeptanz" von Chinas Weltmachtstreben fest. Kooperationsprojekte wie die Container Security Initiative wurden abgeschlossen, wenngleich Chinas ständige Verletzungen von UN-Sanktionen gegenüber dem Iran und Nordkorea den Abbau des gegenseitigen Misstrauens erschwerten. Zudem wandte sich Beijing entschieden gegen den von Washington geforderten Regimewechsel in Nordkorea. Insgesamt kritisieren Warren und Bartley den Präsidenten als zu inkonsistent und unsicher gegenüber China.
Mit der ersten Amtszeit von Barack Obama (Kapitel 3) erfolgte eine geostrategische Verlagerung zum asiatisch-pazifischen Raum. Hillary Clinton ging in einem Beitrag in Foreign Policy vom Oktober 2011 sogar so weit, "America's Pacific Century" zu proklamieren. Die Beteiligung der USA an regionalen Dialogformen, der Aufbau neuer Sicherheitspartnerschaften und die Verlagerung globaler Ressourcen nach Asien standen im Mittelpunkt dieser neuen Strategie. Obamas Hinwendung zum Pazifik wurde von Beijing als Eindämmungsstrategie interpretiert. Chinas zunehmend aggressives Auftreten im Südchinesischen Meer und zahlreiche Fälle von Cyber-Spionage gegenüber US-Firmen belasteten das bilaterale Verhältnis zusätzlich.
Obamas zweite Amtszeit stand im Zeichen von Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping, dem er zunächst die Bereitschaft zur Kooperation mit einem starken, prosperierenden China signalisierte, das eine größere Rolle in der Weltpolitik spielen solle. Jedoch wurden Xis Propagierung des "Chinesischen Traums" von neuem Weltmachtstatus 2012 und sein ehrgeiziges Infrastrukturprogramm "One Belt, One Road" in Washington als sicherheitsrelevante Herausforderung und neuen Konfliktherd aufgenommen. Beijings Errichtung von Militärbasen im Südchinesischen Meer und sein Inselstreit im Ostchinesischen Meer mit Japan wiesen in die gleiche Richtung. Warren und Bartley betrachten Kooperationserfolge wie das Klimaschutzabkommen von Paris (2015), den Kampf gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen (Iran, Nordkorea) und Verhandlungen über Cyber-Sicherheit als Belege dafür, dass beide Seiten in dieser Phase eine vorsichtige und rationale Dialogbereitschaft zeigten und der Obama-Administration letztlich der schwierige Balanceakt zwischen Kooperation und Rivalität doch gelang.
Umso deutlicher wurde der Bruch während der Präsidentschaft von Donald Trump (Kapitel 5). Sein unkonventioneller, unberechenbarer und häufig konfuser Führungsstil führte im Verhältnis zu China zu konfrontativen Verhaltensweisen und verursachte schwerwiegende Unstimmigkeiten. Dadurch veränderte sich die nationale Sicherheitsstrategie: In den Vordergrund rückte in Washington die Bedrohung der liberalen Weltordnung durch eine sich neuformierende chinesisch-russische Achse. Anders als im Kalten Krieg war die ideologische Kluft zwischen China und den USA schwächer. Vor allem wird bei der Lektüre des Buches deutlich, dass es Amerika heute mit einer rivalisierenden Großmacht zu tun hat, die weitaus stärker, reicher, besser organisiert und global integrierter ist als seinerzeit die Sowjetunion. Dafür wäre es sinnvoll gewesen, die Argumentation auch mit chinesischen Quellen zu belegen.
Mit diesem Buch ist eine kritische Analyse der zentralen Sicherheitsfragen gelungen, mit denen die Präsidenten Bush, Obama und Trump in ihrer Außenpolitik gegenüber China konfrontiert wurden. Es wird deutlich, wie sich bereits in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts eine neue Phase der Rivalität und Konfrontation im Verhältnis zwischen Beijing und Washington entwickelt hat, deren Folgen sich heute in Chinas Verhalten im Ukraine-Krieg erkennen lassen.
Sabine Dabringhaus