Gaby Mahlberg: The English Republican Exiles in Europe during the Restoration, Cambridge: Cambridge University Press 2020, XIV + 304 S., ISBN 978-1-108-84162-7, GBP 75,00
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Die Thronbesteigung Karls II. im Jahre 1660 zu Beginn der englischen Restoration beendete das republikanische Experiment der Cromwell-Epoche, deren Ideen und Protagonisten erst wieder gegen Ende der 1670er Jahre im Zuge der sogenannten Exclusion Crisis (es ging um einen möglichen Ausschluss des katholischen Jakob Stuart von der Thronfolge) auf den Plan traten. Was mit den politischen Gegnern von Erbmonarchie und Gottesgnadentum in England in der Zwischenzeit passierte, war bislang weniger klar. Hier setzt das vorliegende Buch ein, das sich dem Leben und Wirken dreier prominenter Republikaner in ihrem kontinentaleuropäischen Exil der sechziger Jahre widmet: Edmund Ludlow, Algernon Sidney und Henry Neville.
Die Untersuchung reiht sich ein in mehrere andere Buchpublikationen der Verfasserin, zweifellos einer Spezialistin für die politische Ideen- und Kulturgeschichte des englischen Republikanismus im 17. Jahrhundert. Das Buch ist dreigliedrig aufgebaut: In jedem der Hauptabschnitte werden die Protagonisten Ludlow, Sidney und Neville als exemplarische und besonders gut greifbare Vertreter des republikanischen Exils nebeneinandergestellt und kontextualisiert. Teil 1 behandelt die sozialen und religiösen Gemeinschaften auf dem Kontinent, in die sich die prominenten Exulanten nach ihrer Flucht aus England einfügten und von wo aus sie Verbindungen zu konfessionell und politisch Gleichgesinnten und potenziellen Unterstützern pflegten: Ludlow überwiegend in der Eidgenossenschaft, die anderen beiden zeitweilig in Rom, Frankreich und den Niederlanden. Faszinierend ist dabei die minutiöse Analyse republikanischer Exilskreise, die sich häufig mit den Netzwerken eines internationalen Calvinismus überschnitten. Zu den Kontakten geflohener Republikaner gehörten reformierte Protestanten ebenso wie englische Nonkonformisten und Quäker auf dem Kontinent, daneben jedoch auch liberale Katholiken, insbesondere aus jansenistischen Kreisen. Deutlich wird nicht allein das Misstrauen, das den Exulanten als "Regicides" entgegenschlagen konnte, sondern auch, dass manche von ihnen selbst fern der englischen Heimat politisch motivierte Anschläge auf Leib und Leben fürchten mussten.
Teil 2 widmet sich dem politischen Aktivismus der drei Hauptakteure, der unter Republikanern im kontinentaleuropäischen Exil keineswegs erlosch. England war und blieb für Ludlow, Sidney und Neville immer präsent: Man pflegte konspirative Verbindungen auf die Insel, bemühte sich (wie Algernon Sidney) um eine Invasion vom Kontinent aus, man scheint aber doch zugleich über die Jahre im Exil zu einem gewissen Pragmatismus gefunden zu haben. Als sich im Zweiten Englisch-Niederländischen Krieg die Hoffnung auf eine Invasion der Insel mit niederländischer Hilfe nicht erfüllte, erkannten zwar immer mehr versprengte Republikaner ihre Niederlage an, doch andere - und dazu gehören die drei Protagonisten Ludlow, Sidney und Neville - gaben selbst dann ihre Hoffnungen auf eine Veränderung der Politik auf der Insel nicht auf.
Wie die Analyse ihrer im Exil verfassten Schriften in Teil 3 der Untersuchung erweist (u.a. Ludlows Memoiren, Sidneys Court Maxims, Nevilles Isle of Pines), verschmolzen im Ideenhorizont der drei Republikaner antik-humanistische, aristotelische Res publica-Vorstellungen mit reformiert-protestantischen Überzeugungen (vgl. 150f). Antimonarchismus paarte sich mit dem Streben nach Religionsfreiheit, die als konstitutionelle Angelegenheit begriffen wurde und nur unter einer republikanischen Regierung durchsetzbar schien. Alle drei Personen werden immer wieder sehr plastisch greifbar: nicht allein durch die Analyse ihres Alltagshandelns, sondern auch durch ihre literarischen Erzeugnisse, die - auch wenn sie teils erst später publiziert wurden - von der Verfasserin konsequent auf die Exilssituation hin gelesen werden. Ludlow erscheint als frommer Protestant, Sidney als politischer Rebell und Neville als Satiriker mit einem Hang zur Blasphemie. Auf welche Weise das Exil nicht nur den Republikanismus in Grundzügen erhielt, sondern zugleich seine Protagonisten veränderte, macht ein kurzer Epilog deutlich.
Die vorliegende Untersuchung bringt somit die republikanischen Exulanten auf dem europäischen Kontinent ins Bewusstsein sowohl der britischen als auch der kontinentaleuropäischen Forschung, und zwar als eine weitere Migrierendengruppe, die im Lauf der Jahrhunderte England den Rücken gekehrt hat und für deren Selbstbild religiös-konfessionelle Aspekte deutlich einflussreicher waren als bisher bekannt. Inwieweit sich die Republican Exiles tatsächlich als die "spiritual heirs" der Marian Exiles aus dem 16. Jahrhundert verstehen lassen (46), sei dahingestellt. Ein stärkerer Seitenblick auf die nur rund zehn Jahre vor den Republikanern emigrierten englischen Royalisten hätte möglicherweise ganz andere, gleichermaßen spannende Parallelen zutage gefördert - etwa mit Blick auf katholische Unterstützerkreise. Das Buch zeigt jedenfalls eindrucksvoll, dass Republikaner ihre Ziele mit der Restoration keineswegs aus dem Blick verloren, sondern vom europäischen Kontinent aus durch politische Lobbyarbeit, Netzwerkbildung und Schriftstellerei weiterhin unverdrossen für politische Veränderung in England kämpften.
Das ansprechend geschriebene Buch setzt den Trend der britischen Geschichtsschreibung der letzten Jahre fort, englische bzw. britische Geschichte aus ihrer insularen Verengung und/oder atlantischen Ausrichtung zu lösen und sie stattdessen stärker mit kontinentaleuropäischen Entwicklungen zu verknüpfen. Dies schließt die politischen und vor allem die religiös-konfessionellen Verhältnisse ein, die von der Autorin überzeugend in den Blick genommen werden. Das Werk eröffnet daher spannende Einblicke in die Mischverhältnisse zwischen Religion und Politik, exemplifiziert anhand der Lebenswelten dreier faszinierender Persönlichkeiten.
Alexander Schunka