Adrian Hänni: Terrorist und CIA-Agent. Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet, Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2023, 295 S., 15 s/w-Abb., ISBN 978-3-907291-87-0, EUR 36,00
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Neue Erkenntnisse zur Geschichte des internationalen Terrorismus der 1970er und 1980er Jahre sind selten geworden. Umso willkommener ist daher die hier zu besprechende Biografie von Adrian Hänni. Der Schweizer Historiker hat dafür nicht nur neue Primärquellen aus internationalen Archiven ausgewertet, sondern konnte auch mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Bruno Breguets engstem Umfeld sprechen. Das genaue Porträt lässt einen relativ unbekannten terroristischen Akteur erscheinen. Als Befehlsempfänger von Ilich Ramírez Sánchez, genannt "Carlos", war Breguet in zahlreiche Anschläge verwickelt. Sein Verschwinden im Jahr 1995 gibt bis heute Rätsel auf. Auch wenn Hänni diesbezüglich keine abschließenden Antworten geben kann, so wartet seine gut lesbare und einfühlsame Monografie mit überraschenden Wendungen auf. Unter anderem bot sich Breguet der Central Intelligence Agency (CIA) 1991 als Quelle an und lieferte Informationen, die zur Festnahme von "Carlos" 1994 beitrugen.
Der gebürtige Tessiner Breguet erlebte laut Hänni eine für die "Generation '68'" typische Politisierung. Radikalisiert aber wurde er, als der Nahostkonflikt die Schweiz erfasste. Breguet war "zugleich Akteur und Spielball jener Schweizer Terrorjahre", so Hänni (17). 1969 hatte die Volksbefreiungsfront für Palästina (PFLP) am Züricher Flughafen Kloten ein Attentat auf ein El-Al-Flugzeug unternommen, das scheiterte. Der folgende Prozess gegen drei Terroristen und eine pro-palästinensische Propaganda-Kampagne motivierten Breguet, selbst aktiv zu werden. Er nahm mit der PFLP Kontakt auf und entschied sich, für sie einen Terroranschlag in Israel zu unternehmen. Doch er wurde bereits bei seiner Ankunft in Haifa 1970 verhaftet. Hänni vermutet, dass Breguet von einem "Maulwurf" mit dem Decknamen "Schwermut" verraten wurde, den der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad in die PFLP eingeschleust hatte.
Ein Militärtribunal verurteilte Breguet zu 15 Jahren Haft. Seine Freilassung war Gegenstand von Geheimverhandlungen. Die Schweiz erreichte von der PFLP ein "Stillhalteangebot": "Die Volksfront versprach, keine Terroranschläge gegen Schweizer Ziele mehr zu verüben, unter der einzigen Bedingung, dass die Berner Diplomaten die Freilassung Breguets erwirkten" (83). Solche diskreten Absprachen sind seit 2017 ein Thema, als der Journalist Marcel Gyr zum ersten Mal einen Deal der Schweiz mit der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO) in den Raum stellte. [1] Hänni wiederum belegt, dass es auch zur PFLP einen "back channel" gab (91). Als Emissär fungierte niemand geringerer als der Bankier und Rechtsextremist Francois Genoud. Diesem war es laut Schweizer Bundesanwaltschaft zu verdanken, "wenn die Schweiz von politischen Anschlägen arabischer Freiheitsbewegungen verschont wird" (89). Auch wenn die PFLP ihre Sicherheitsgarantie schließlich zurückzog, kam es zu keinen weiteren Anschlägen der Gruppe gegen Schweizer Ziele.
Breguet wurde 1977 vorzeitig entlassen. Die Jahre "im härtesten Gefängnis Israels" (95) in Ramla waren für den jungen Schweizer prägend und hinterließen eine "tiefgreifende und unauslöschliche Spur", so Breguet (131). Seine Freilassung war auch ein Resultat von öffentlichem Druck. 1975 hatte sich in der Schweiz ein Nationales Kollektiv für die Befreiung von Bruno Breguet gebildet. Zwei Jahre später wurde es auf eine europäische Ebene gehoben. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs des neuen Komitees zählten Roland Barthes, Gilles Deleuze, Michel Foucault, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir sowie Noam Chomsky, Heinrich Böll und Günter Grass.
Breguet glitt allerdings rasch wieder in den internationalen Terrorismus ab. Irgendwann 1979 oder zu Beginn des Jahres 1980 schloss er sich der Organisation Internationaler Revolutionäre (OIR) von "Carlos" an. Dieser wird in der Populärkultur bis heute als "Superterrorist" verklärt. Dabei beruhen viele der Zuschreibungen auf Desinformation von Geheimdiensten, wie Hänni in einem eigenen Kapitel nachzeichnet.
Es war Breguet, der 1980 die Bombe am Sendegebäude von Radio Free Europe in München per Fernzündung zur Explosion brachte. Der Anschlag im Auftrag der rumänischen Securitate war typisch für den modus operandi der OIR. Konträr zur revolutionären Selbstbeschreibung handelte es sich um eine Söldnertruppe, die sich mittels Waffenhandel und Schutzgelderpressung finanzierte. Den gefährlichen Teil der Jobs musste immer wieder Breguet übernehmen: 1982 wurden er und die Ehefrau von "Carlos", Magdalena Kopp, in Paris verhaftet. Um die beiden zu befreien, führte die OIR eine Terrorkampagne gegen den französischen Staat, die 11 Tote und 139 Verletzte forderte. 1985 wurden Breguet und Kopp dann auch vorzeitig entlassen.
Ende der 1980er Jahre begann der Ablöseprozess Breguets von der OIR. Grund dafür war, so Hänni, dass sich der "gegenüber Ungerechtigkeiten sehr sensible Bruno" ungleich behandelt fühlte (193). Wie bereits erwähnt, offerierte er der CIA 1991 seine Dienste und legte für ein monatliches Salär von 3.000 Dollar "selbst die Details der Operationsmethoden der Carlos-Gruppe" offen (195). Eben dieser Verrat könnte mit erklären, warum Breguet 1995 auf einer Überfahrt zwischen Griechenland und Italien verschwand. War er einer Vendetta von "Carlos" zum Opfer gefallen? Oder ging es in Wirklichkeit um einen Neuanfang unter anderer Identität? Die Geschichte von Bruno Breguet "bleibt somit bis zum Ende rätselhaft", lautet Hännis Fazit (225). Es ist letztlich die Geschichte eines Irrwegs mit tragischen Konsequenzen. Dieser steht sinnbildlich für eine ganze Generation von Linksextremisten.
[1] Marcel Gyr: Schweizer Terrorjahre. Das geheime Abkommen mit der PLO, Zürich 2016. Siehe dazu die Rezension von Lutz Maeke: http://www.sehepunkte.de/2017/11/28659.html [28.04.2023]
Thomas Riegler