Rezension über:

Václav Bůžek (Hg.): Der Böhmische Ständeaufstand 1618-1620. Akteure, Gegner und Verbündete, Münster: Aschendorff 2021, 430 S., ISBN 978-3-402-24761-7, EUR 79,00
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Rezension von:
Nicolette Mout
Warmond
Redaktionelle Betreuung:
Christoph Schutte
Empfohlene Zitierweise:
Nicolette Mout: Rezension von: Václav Bůžek (Hg.): Der Böhmische Ständeaufstand 1618-1620. Akteure, Gegner und Verbündete, Münster: Aschendorff 2021, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 9 [15.09.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/09/38429.html


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Václav Bůžek (Hg.): Der Böhmische Ständeaufstand 1618-1620

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Dieser Sammelband, dessen Beiträge bei einer vom Historischen Institut der Philosophischen Fakultät der Südböhmischen Universität in Budweis (České Budějovice) geplanten Konferenz diskutiert werden sollten, die aber wegen der Corona-Pandemie leider ausfiel, knüpft an die Forschungen der letzten Jahrzehnte sowie an laufende Untersuchungen an und berücksichtigt dabei den internationalen Kontext des Böhmischen Ständeaufstands. Die wichtigsten Akteure sind hier vertreten, ohne dass andere bedeutsame Themen zu kurz kämen. Ein erster Themenbereich gilt der Darstellung des Böhmischen Ständeaufstands als Auftakt zum Dreißigjährigen Krieg. Ronald Asch erörtert die europäische Mächtepolitik aus dem Blickwinkel der Pax Hispanica, während Václav Bůžek sich auf die Wechselwirkung von Religion und Politik in Böhmen in der Zeit vor dem Prager Fenstersturz (23. Mai 1618) konzentriert.

Die Gegner des Böhmischen Ständeaufstands kommen im zweiten Themenbereich zu Wort. Zu Beginn des Aufstands vermieden es diese Mächte, sich an einem Konflikt zu beteiligen, dessen Ausgang ungewiss war. Die Beiträge zeigen allerdings deutlich, dass es in ihrer politischen Argumentation Unterschiede gab. Kursächsische Bemühungen um Friedensvermittlung (die sogenannte Interposition, 1618/19) scheiterten am Fehlen von Friedensbereitschaft sowohl in Wien wie auch in Prag (Christoph Kampmann). Auch die Versuche Ludwigs XIII. von Frankreich, Frieden zu stiften, blieben erfolglos (Olivier Chaline). In Madrid war die Regierung Philipps III. lange abgeneigt, sich einzumischen, obwohl der spanische Gesandte Graf Oñate sie dazu drängte. Ondřej Lee Stolička analysiert die komplizierte Kommunikation zwischen dem spanischen Hof, seinen Gesandten in Mitteleuropa und Vertretern des böhmischen und mährischen Hochadels. Luc Duerloo dokumentiert die Wirksamkeit und den politischen Hintergrund der - zumeist in Antwerpen gedruckten - Propagandaschriften gegen den Böhmischen Ständeaufstand in den spanischen (oder südlichen) Niederlanden. Sie dienten nebenbei dazu, das Regime der am Brüsseler Hof regierenden Erzherzöge zu stabilisieren. Papst Paul V. und seine Diplomaten waren vor allem bestrebt, die österreichischen Habsburger in die spanische und päpstliche Politik einzubinden - eine Politik, die zwangsläufig eine starke religiöse Dimension aufwies (Tomáš Černušák). Václav Bůžek erörtert die umsichtige Politik Maximilians I. von Bayern. Erst nachdem Friedrich V. von der Pfalz die böhmische Königskrone angenommen hatte und die katholische Religion ernstlich bedroht schien, schloss der bayerische Herzog sich endgültig den Gegnern Böhmens an.

Die Verbündeten des Böhmischen Ständeaufstands waren sowohl im Inland als auch im Ausland aktiv. Bei der Vorstellung ihrer Argumentation fällt wiederum auf, wie unterschiedlich das politische Vorgehen und die Motivation der Akteure sein konnten. Dem Anführer der mährischen Stände, Karl dem Älteren von Žerotín, widmet Tomáš Knoz einen umfassenden Beitrag, beruhend auf seiner 2008 erschienenen Biografie, die vor allem durch die Auswertung von Žerotíns Korrespondenz und anderen bisher wenig beachteten Quellen neue Erkenntnisse gebracht hat. Žerotín versuchte vergeblich, für Mähren eine eigenständige Position in den Ländern des Königreichs Böhmen zu sichern. Er kommunizierte mit beiden Lagern, denen er Informationen, aber auch politische Vorschläge unterbreitete. Erst nach 1621 verlor er das Vertrauen der habsburgischen Partei, brachte aber Kaiser Ferdinand II. dazu, die Strafen für mährische Rebellen zu mildern und auch weniger hart gegen religiöse Dissidenten vorzugehen. Drei weitere Aufsätze diskutieren das Kommunikationsnetzwerk dreier Fürsten vor dem Hintergrund ihrer Politik: Johann Georg I. von Sachsen (Kateřina Pražáková), Jakob I. von England (Pavel Král) und Friedrich V. von der Pfalz (Jana Hubková). Das anfängliche Bemühen der ungarischen Stände, nicht in den Böhmischen Ständeaufstand verwickelt zu werden, mündete 1619 in die kämpferische antihabsburgische Politik Gabriel Bethlens (Gábor Kármán).

Die Bedingungen für die niedrigeren Ränge in der Armee der Aufständischen ist ein bisher wenig erforschtes Thema, und der Befund, dass die Versorgung der böhmischen Soldaten durch die Stände keineswegs ausreichte, verwundert nicht (Klara Andresová Skoupa). Eine zweite Gruppe, die in der Geschichtsschreibung nur selten gesondert auftritt, der Ritterstand Böhmens, wird von František Koreš in den Blick genommen. Es überrascht nicht, dass die niederen Adeligen sich in den Wirren des Aufstands vor allem um die Rettung des eigenen Hab und Guts bemühten. Es gab jedoch Ausnahmen: Der Autor dokumentiert die grundsätzliche Parteinahme für den Aufstand bei Johann Ulrich Klusák von Kostelec.

Die Kommunikationsnetzwerke der Gegner des Aufstands werden als vierter thematischer Bereich vorgestellt. Kaiser Ferdinand II. wurde maßgeblich beeinflusst von der Idee der Frömmigkeit als Leitfaden der Politik. Dies mag auch einer der Gründe dafür gewesen sein, so Jiří Hrbek, dass er die Kommunikation mit den Aufständischen, vermittelt durch Adam den Jüngeren von Waldstein, noch lange fortsetzte, bis er sie 1619 endgültig abbrach. In gewisser Weise wird dieser Beitrag vervollständigt durch die Forschungen über den Wiener Hofrat und sein Kommunikationsnetzwerk, gestützt auf die Protokollbücher im Wiener Kriegsarchiv (Vitězlav Prchal). Der nach dem Prager Fenstersturz in Exil gegangene, aber schon 1621 zurückgekehrte Erzbischof von Prag, Johann Lohelius, versuchte in seiner Korrespondenz Ideen zu entwickeln, die in Einklang mit der Politik Ferdinands II. die katholische Kirche in seiner Diözese stärken könnten. Dabei war ihm seine Mitgliedschaft im Prämonstratenser-Orden eine wichtige Hilfe: mit ihr, so Jiří Mikulec, konnte er sich trotz einfacher, das heißt nicht hochadeliger, Herkunft in seinem Amt behaupten.

Nicht nur die Sieger nach der Schlacht am Weißen Berg (8. November 1620) konfiszierten oft das Besitztum ihrer Gegner und trieben sie in die Emigration, sondern auch die Rebellen während des Ständeaufstands. Diese wenig bekannten Vorgänge stehen im Mittelpunkt des Beitrags über die katholischen Adeligen Böhmens, die von den Aufständischen als "unaufrichtige Söhne des Landes" bezeichnet wurden (Josef Hrdlička).

Die Reihe der Aufsätze schließt mit der Schilderung der ziemlich wirren Begebenheiten in der katholischen Stadt Böhmisch Budweis, die während des Aufstands von den Aufständischen belagert wurde. Tomáš Sterneck zeigt, wie die städtischen Funktionsträger, die sich unterschiedlichen Parteien zurechnen ließen, aneinander gerieten. Dieser Sammelband bietet neben neuen Ansätzen zu alten und neuen Themen, gestützt auf neue Archivforschungen, dem Leser auch wertvolle Zusammenfassungen des aktuellen Forschungsstands.

Nicolette Mout