Rezension über:

Kolja Lichy / Oliver Hegedüs (Hgg.): Monarchie und Diplomatie. Handlungsoptionen und Netzwerke am Hof Sigismunds III. Wasa (= Fokus. Neue Studien zur Geschichte Polens und Osteuropas; Bd. 13), Paderborn: Brill / Ferdinand Schöningh 2023, XLI + 333 S., 1 s/w-Abb., ISBN 978-3-506-70588-4, EUR 99,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Jacek Kordel
Fakultät für Geschichte, Universität Warschau
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Jacek Kordel: Rezension von: Kolja Lichy / Oliver Hegedüs (Hgg.): Monarchie und Diplomatie. Handlungsoptionen und Netzwerke am Hof Sigismunds III. Wasa, Paderborn: Brill / Ferdinand Schöningh 2023, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 12 [15.12.2024], URL: https://www.sehepunkte.de
/2024/12/38230.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Kolja Lichy / Oliver Hegedüs (Hgg.): Monarchie und Diplomatie

Textgröße: A A A

Walter Leitschs monumentales vierbändiges Werk über Sigismund III. sowie polnische Studien, etwa von Henryk Wisner, könnten den Eindruck erwecken, dass dieses Themenfeld bereits umfassend erforscht ist. [1] Das vorliegende Werk zeigt jedoch, dass die Rolle der Monarchie und des Hofes in den internationalen Beziehungen der Frühen Neuzeit weiterhin neue Perspektiven eröffnet. Die Beiträge in diesem Band, die auf einer internationalen Konferenz 2019 in Wien basieren, stammen von zwölf Autoren und Autorinnen aus Deutschland, Österreich und Polen.

Im ausführlichen Einleitungskapitel stellen die Herausgeber den Hof Sigismunds III. als zentralen Schauplatz außenpolitischer Aktivitäten der polnisch-litauischen Adelsrepublik dar. Sie beschreiben ihn als Knotenpunkt dynastischer, gesellschaftlicher und internationaler Netzwerke. Der königliche Hof wird dabei als Schlüsselakteur in den internationalen Beziehungen dargestellt, dessen Funktion und Bedeutung einer vertieften Analyse bedürfen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der diplomatischen Korrespondenz, die als zentrale Quelle für die Erforschung dieser Epoche angesehen wird. Die Herausgeber bemühen sich, die Dynamik der Diplomatie aus diesen Dokumenten tiefer zu analysieren, und untersuchen die Verbindung von Diplomatie mit zeremoniellen Praktiken, familiären Netzwerken und kulturellen Rahmenbedingungen.

Im ersten Teil des Bandes sind Texte versammelt, die den Fokus auf dynastische Verbindungen legen. Katrin Keller untersucht die politische und diplomatische Bedeutung von Maria von Habsburg, die als Witwe Erzherzog Karls II. von Innerösterreich durch ein umfangreiches Korrespondenznetzwerk und enge Kontakte zu höfischen Eliten dynastische, religiöse und politische Angelegenheiten prägte. Besonders hebt Keller Marias Wirken in den habsburgisch-polnischen Beziehungen und im Kampf gegen das Osmanische Reich hervor, wobei frühere negative Urteile durch die Betonung ihrer diplomatischen Fähigkeiten revidiert werden.

Oliver Hegedüs untersucht Ursula Meyer, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle in den diplomatischen Beziehungen zwischen den Wittelsbachern in München und der Wasa-Dynastie in Warschau spielte. Als vielseitige Vermittlerin verband sie politische, religiöse und dynastische Interessen und wird von Hegedüs als Beispiel für eine Frau dargestellt, die in einer männerdominierten Epoche bemerkenswerten Einfluss auf die internationale Politik ausübte. Tomasz Poznański und Ryszard Skowron untersuchen die Korrespondenz zwischen Sigismund III. und den Habsburgern (1587-1668) mit 683 Briefen und betonen deren zentrale Bedeutung im politischen System der Frühen Neuzeit. Ihre Analyse liefert wertvolle Erkenntnisse zur Rolle königlicher Briefe als historische Quelle.

Der zweite Abschnitt widmet sich den Akteuren am Hof. Aleksandra Barwicka-Makula untersucht zentrale Unterstützer der pro-habsburgischen Politik wie Mikołaj Wolski und Gustaf Brahe, die sowohl die Innen- als auch die Außenpolitik der polnisch-litauischen Adelsrepublik beeinflussten. Barwicka-Makula zeigt, dass die Habsburg-Sympathie über die königliche Politik hinaus ein integraler Bestandteil eines weitreichenden Beziehungsnetzwerks war. Magdalena Jakubowska analysiert die Rolle der Höflinge im diplomatischen System der Frühen Neuzeit und verdeutlicht deren Einfluss auf zentrale und informelle Kanäle der Außenpolitik. Kolja Lichy beleuchtet die Vielschichtigkeit der diplomatischen Rollen anhand der Figur von Jean La Blanque, der militärische, konsularische und politische Aufgaben in seiner Person vereinte.

Der dritte Teil widmet sich dem Hofzeremoniell. Christoph Augustynowicz analysiert anhand diplomatischer Quellen die symbolische Bedeutung der Hochzeit König Sigismunds III. mit Erzherzogin Anna von Habsburg (1592) und ordnet sie in den politischen Kontext der Rivalität um den polnischen Thron ein, die durch den Verzicht Erzherzog Maximilians beigelegt wurde. Patrick Schumann untersucht den Empfang des englischen Diplomaten Sir Thomas Roe am Hof Sigismunds III. im Jahr 1629. Indem der König den Gesandten in seinem Schlafgemach empfing, verlieh er dem Treffen einer privaten Charakter. Raum und Gesten wurden gezielt genutzt, um Roe für polnische Anliegen, insbesondere die englische Vermittlung im Konflikt mit Schweden, zu gewinnen. Dorota Gregorowicz erforscht die Audienzen päpstlicher Nuntien am Wasa-Hof, systematisiert deren verschiedene Formen und zeigt, wie diese die Beziehungen zwischen Polen und dem Heiligen Stuhl beeinflussten.

Abschließend wird im vierten Abschnitt die Rolle der Konfession in den internationalen Beziehungen behandelt. Hans-Jürgen Bömelburg untersucht die Beziehungen zwischen dem katholischen Wasahof in Polen und dem protestantischen Brandenburg-Preußen im Zeitalter der Konfessionalisierung. Trotz konfessioneller Gegensätze ermöglichten dynastische Verflechtungen und machtpolitische Interessen strategische Kooperationen. Sigismund III. nutzte die Kontakte zu Brandenburg gezielt, um regionale Stabilität zu sichern, während Brandenburg-Preußen als Partner und Informationsquelle über protestantische Gebiete, insbesondere Schweden, diente. Neben politischen Aspekten spielen wirtschaftliche Faktoren wie der Bernsteinhandel und das preußische Lehen eine zentrale Rolle. Bömelburg zeigt, wie wirtschaftliche und politische Interessen konfessionelle Spannungen überwanden, und ordnet diese Beziehungen in einen breiteren Kontext von Machtpolitik und kulturellem Austausch ein. Henryk Litwin und Paweł Duda untersuchen die Zusammenarbeit der päpstlichen Nuntien Antonio Santa Croce in Warschau und Giovanni Battista Pallotta in Wien im Jahr 1629. Ihre Analyse des Briefwechsels dieser Diplomaten verdeutlicht die zentrale Rolle der Wiener Nuntiatur. Die Studie zeigt, dass persönliche Beziehungen zwischen den Nuntien maßgeblich für die Durchsetzung politischer Ziele waren und dass die Nuntiaturen als Netzwerke von Einfluss und Information fungierten. Anna Kalinowska analysiert Andrzej Reys Mission nach London im Jahr 1637 und beleuchtet die Herausforderungen durch unterschiedliche diplomatische Praktiken sowie politische und religiöse Spannungen zwischen Polen und England. Sie betont, dass das fehlende interkulturelle Verständnis eine ebenso große Hürde war wie die politischen und konfessionellen Differenzen.

Das Buch leistet einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung der Regierungszeit Sigismunds III., indem es innovative methodische Ansätze nutzt, um bekannte Quellengattungen aus neuen Perspektiven zu beleuchten. Ein zentrales Verdienst des Werkes liegt in der innovativen Analyse weniger bekannter Akteure, die bisher oft im Schatten der zentralen Herrschaftsträger standen. Durch ihre Einbeziehung gelingt es den Autoren, ein differenzierteres Bild der Außenpolitik der Frühen Neuzeit zu zeichnen und die Mechanismen der Macht besser verständlich zu machen. Gleichzeitig widmet sich das Werk den konkreten Praktiken der Diplomatie und zeigt überzeugend, wie politische Entscheidungen nicht allein durch zentrale Herrschaftsträger, sondern auch maßgeblich durch Akteure im Hintergrund gestaltet wurden.

Die Analyse der arcana imperii könnte durch die Einbeziehung weiterer Akteure sinnvoll erweitert werden. So lag die Verantwortung für die Beziehungen zum Osmanischen Reich und zur Krim, mit denen Polen-Litauen im 17. Jahrhundert zahlreiche Kriege führte, maßgeblich beim Hetman. In den ersten Regierungsjahren des Königs bekleidete Jan Zamoyski dieses Amt - eine der einflussreichsten Persönlichkeiten seiner Zeit und zugleich ein entschiedener Gegner des Monarchen. Diese Perspektive würde die Möglichkeit eröffnen, die komplexen Machtstrukturen und die Interaktionen verschiedener Akteure noch tiefgehender zu untersuchen.

Eine gewisse Leerstelle bilden die Beziehungen zu Moskau- hier hätte etwa durch eine genauere Betrachtung der Kriege, der Bemühungen um Bündnisse innerhalb der Moskauer Bojarenschaft oder des Vorhabens, den späteren König Władysław IV. auf den Zarenthron zu setzen, der Blick geweitet werden können. Ebenso verdienten die schwedischen Angelegenheiten verstärkte Aufmerksamkeit: nicht nur die militärischen Konflikte, sondern auch die Phase der Personalunion unter Sigismund III.

Der Band zeigt eindrucksvoll, dass die Herrschaft Sigismunds III. ein lebendiges und relevantes Forschungsthema bleibt. Die Untersuchung der Außenpolitik wird dabei kohärent mit der Analyse innenpolitischer Aspekte kombiniert: von den Debatten über das politische System und die Staatsordnung [2] über das Klientelwesen bis hin zur Rolle der Machteliten auf zentraler Ebene (im Königreich Polen und im Großfürstentum Litauen) [3] sowie auf lokaler Ebene. [4] Auch konfessionelle Fragen, insbesondere im innenpolitischen Kontext, stehen im Fokus der Forschung. [5]


Anmerkungen:

[1] Walter Leitsch: Das Leben am Hof König Sigismunds III. von Polen, Bd. 1-4. Wien / Kraków 2009; Henryk Wisner: Rzeczpospolita Wazów, Bd. 1-3, Warszawa 2002-2008.

[2] Agnieszka Pawłowska-Kubik: Rokosz sandomierski 1606-1609. Rzeczpospolita na politycznym rozdrożu, Toruń 2019.

[3] Karol Żojdź: Wszyscy ludzie króla. Zygmunt III Waza i jego stronnicy w Wielkim Księstwie Litewskim w pierwszych dekadach XVII wieku, Toruń 2019.

[4] Emil Kalinowski: Szlachta ziemi bielskiej wobec bezkrólewi w XVI-XVII wieku, Warszawa 2020.

[5] Tomasz Kempa: Konstanty Wasyl Ostrogski (1526-1608). Przywódca społeczności prawosławnej w Rzeczypospolitej, Toruń 2024.

Jacek Kordel