Daniel Jaquet / Iason-Eleftherios Tzouriadis / Regula Schmid (eds.): Martial Culture in Medieval Towns. An Anthology, Basel: Schwabe 2023, 187 S., 75 s/w-Abb., ISBN 978-3-7965-4713-3, EUR 34,00
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Felder und Formen von Digitalisierung begegnen uns in den letzten Jahren auf verschiedenste Art und Weise. Allerlei hybride Formen haben sich entwickelt. So ist der vorliegende Band im archivfachlichen Sinn als papierne Repräsentation einer ursprünglich als born digital entstandenen Arbeit zu verstehen. Denn dieser Sammelband druckt überarbeitete Beiträge ab, die in Zusammenhang mit dem Berner Forschungsprojekt "Martial Culture in Medieval Town" erarbeitet und ursprünglich als Beiträge auf dem zugehörigen Forschungsblog publiziert wurden. [1]
Die 23 recht kurzen Beiträge sind vier thematischen Kapiteln zugewiesen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der martial culture befassen. Nach einem kurzen Vorwort (9-10) gehen jedem Kapitel thematische Einführungen voraus. Das erste Kapitel widmet sich dem Themenbereich "Cities as Incubators of War and Civic Defence" (11-37). Der zweite thematische und recht umfangreiche Block richtet den Blick auf "Martial Games: Fencing, Throwing Stones and Ice Skating Jousting Bouts" (39-97). Ihm folgt mit "Weapons in the City: Guns, Cannons and Pointy Things" ein dritter Teil (99-145). Teil vier steht unter dem Titel "Archive Anecdotes: Women, Villains, Battle Monks, and Dog Poo" (147-166).
Betrachtet man die einzelnen vier Teile des Buches, begegnen unterschiedlich lange Texte. Allen gemein ist, dass sie einen inhaltlich sowie zeitlich sehr weiten Bogen quer durch das Europa des 14. bis 16. Jahrhunderts spannen. So befasst sich beispielsweise Paolo De Montis mit Angriffen der Einwohner der rund um die italienische Stadt Brescia gelegenen Talsiedlungen auf Kirchen, ausgelöst durch die Translation eines Heiligen (13-18). Markus Jansen fragt danach, wie das Kontingent der Stadt Köln für das kaiserliche Heer von 1532 aufgestellt war (19-23) und kann durch die Auswertung eine im Historischen Archiv der Stadt Köln erhalten gebliebene Liste von 500 Männern etwas mehr als die Hälfte ihren zumeist linksrheinischen Herkunftsorten zuordnen. Wie man im Wien des ausgehenden 15. Jahrhunderts versuchte, die Bürger der Stadt zum Dienst an der Waffe zu motivieren, schildert Andreas Moitzi (24-30), während Noah Smith sich, von einst existierenden Wandmalereien inspiriert, fragt, wie sich die Zünfte im mittelalterlichen Gent bewaffneten und in ihrer Verteidigung organisierten (31-37).
Im zweiten Abschnitt untersucht Samuel Bradley ein in nackte Gewalt umschlagendes Turnier, das im Florenz des Jahres 1513 veranstaltet wurde (42-45). Iain MacInnes behandelt in seinem Text das Verhältnis zwischen Engländern und der schottischen Stadtelite in Berwick-upon-Tweed im 14. Jahrhundert (46-49), während Maciej Talaga in das spätmittelalterliche Hirschberg in Schlesien entführt, wo man im Oktober ein Fest feierte, bei dem man sich mit Torf bewarf (50-57). Sara Offenberg erkundet frühe Abbildungen von Schwertkämpfern in hebräischen Bibeln (58-62). Wie Kampfsport (eher zu übersetzen mit Sportwettkampf?) in den Reiseberichten des Leo von Rozmital behandelt wird, analysiert Jean Henri Chandler am Beispiel des Eislaufens auf gefrorenen Wasserflächen (63-67). Dass es beim Training von Kampfkünsten, insbesondere mit Schwertern, auch zu tödlichen Unfällen kommen konnte, schildern Olivier Dupuis und François Siedel am Beispiel eines englischen Fechtmeisters, der in Laon lebte (68-74). Auch Daniel Jaquet beschäftigt sich mit Hieb- und Stichwaffen, mithin Schwertern und Dolchen, die auch Teil von Aufführungen im städtischen wie höfischen Leben sein konnten, beispielsweise, wenn Gaukler und Schwerttänzer durch die Lande zogen oder sich die Zunft der Messerschmiede öffentlich inszenierte (75-79).
Im dritten Abschnitt drehen sich alle Beiträge um die Ausrüstung von Städten mit Waffen aller Art. Ralph Moffat untersucht die Helmform des Schaller (engl. Sallet) am Beispiel eines mit Silber verzierten Helms eines Schotten im Orléans des Jahres 1437, mitten im Hundertjährigen Krieg (102-123). Daniel Jaquet bietet im Band mehrere Texte. Einer davon beschäftigt sich mit heiligem Schießpulver, das der Solothurner Kanonenmeister vom Papst einkaufte (136-142). Dabei handelte es sich um eine Wagenladung Salpeter im Wert von zwei Gulden, die die Stadt Solothurn kaufte, während Papst Felix V. in Basel auf dem Basler Konzil weilte und die eidgenössischen Städte diese Zusammenkunft militärisch zu sichern suchten.
Im vierten und letzten Abschnitt stellen die Beiträge unerwartete Ergebnisse von Archivrecherchen vor. Elena Magli schildert den Fall einer Fehde, den ein Mann 1424 und 1425 gegen die Stadt Basel führte, wobei die Begriffe Fehde, Krieg und Vendetta genutzt werden (150-153). Regula Schmid erzählt die Geschichte eines Diebes im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts anhand von Gerichtsakten aus Bern (154-157). In einem weiteren Beitrag aus der Feder von Daniel Jaquet geht es um einen Mönch, der wegen seiner magischen Fähigkeiten 1449 einen Vertrag mit der Stadt Basel schloss. Das Besondere daran ist ein Zettel, der diese Fähigkeiten auflistet und dem Vertrag beigefügt ist (158-160). Der letzte Beitrag des Bandes, verfasst von Isabelle Schuerch, fragt nach den Möglichkeiten, eine Tiergeschichte des mittelalterlichen Krieges zu schreiben, da Hunden und Pferden und auch Katzen ganz besondere Rollen in kriegerischen Auseinandersetzungen des Spätmittelalters zukommen konnten - wer würde heute eine Katze schicken, um Feuer zu legen? (161-166)
Insgesamt zeigt der Band, welche Wirkkraft kleinere Beiträge anhand von Quellenauszügen oder auch Abbildungen und Objekten entfalten können, wenn sie nur gut arrangiert und illustriert sind. Dass dies nicht notwendigerweise allein online in Form eines Blogbeitrags bewerkstelligt werden, sondern auch im Druck geschehen kann, demonstriert der vorliegende Band auf eindrückliche Art und Weise.
Anmerkung:
[1] Das Blog findet sich unter https://martcult.hypotheses.org/ [letzter Zugriff: 11.03.2025]
Florian Dirks