Michael C. Cude: The Slovak Question. A Transatlantic Perspective, 1914-1948, Pittsburgh, PA: University of Pittsburgh Press 2022, X + 288 S., ISBN 978-0-82294-702-8, USD 55,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Michael R. Cude widmet sich in seinem Buch der 'Slowakischen Frage' in einer transatlantischen Perspektive, die in seiner Interpretation zwei Bedeutungen hat: erstens als Einstellung der amerikanischen Slowaken zu den Ereignissen sowie der nationalen, politischen und kulturellen Situation in Mitteleuropa - insbesondere zur Situation in Ungarn und der Tschechoslowakischen Republik, wo ethnische Slowaken lebten; zweitens als Widerspiegelung der Slowakischen Frage in den Verlautbarungen offizieller Stellen in den USA (Präsident, Außenministerium, Diplomaten). Dieser zweite Abschnitt, der auf Archivdokumenten basiert, stellt den wertvollsten Teil der Veröffentlichung dar. Die zitierten Dokumente zeigen, dass die amerikanische Politik sich bis 1918 nicht allzu sehr für die komplexe Situation in Mitteleuropa interessierte und erst nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik begann, die Existenz der 'Slowakischen Frage' in ihre Überlegungen einzubeziehen. Und selbst dann waren die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen eher oberflächlich und einseitig. Es ist ein wenig schade, dass der Autor über die Haltung der amerikanischen Politik zur 'Slowakischen Frage' größtenteils nur berichtet und keine tiefergehende Analyse vornimmt.
Die Beziehung der amerikanischen Slowaken zu den Ereignissen in ihrer ursprünglichen Heimat (Ungarn und Tschechoslowakei) bildet einen äußerst wichtigen Aspekt der Darstellung. Cude stellt fest, dass die slowakische Gemeinschaft in den USA nie wirklich geeint war, obwohl entsprechende Bestrebungen in der Gründung der Slowakischen Liga in den USA (1907) ihren Höhepunkt fanden. Einigkeit herrschte am ehesten in den Jahren des Ersten Weltkriegs, als die amerikanischen Slowaken die von Tomáš Garrigue Masaryk geleitete "Auslandsaktion" zur Schaffung eines gemeinsamen Staates von Tschechen und Slowaken unterstützten. Diese verschwand jedoch nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik wieder. Gegen die Präsidenten der Slowakischen Liga, Albert Mamatey und Milan Alexander Getting, die nach dem Ersten Weltkrieg die Tschechoslowakei besuchten und ihre Zufriedenheit mit der Entwicklung im Staat und in der Slowakei zum Ausdruck brachten, erhob sich unter den amerikanischen Slowaken Widerspruch, der schließlich mit Mamateys Ausschluss aus der Slowakischen Liga endete. Bei der Darstellung dieser Streitigkeiten steht Cude jedoch offenbar unter dem Einfluss jenes Teils der slowakisch-amerikanischen Fachliteratur und Politik, die im Sinne der katholischen Fraktion die slowakische Autonomie in der Tschechoslowakischen Republik förderte und sie für gerechtfertigt und positiv im Interesse der Slowaken hielt.
Etwas problematischer ist Cudes Interpretation des Begriffs 'Slowakische Frage'. Im einleitenden Teil im Unterabschnitt "An introduction to the Slovak Question" erläutert er kurz die Stellung der Slowaken in Ungarn vor 1918 unter den Bedingungen der staatlich geförderten Magyarisierung; aus dem Kontext der gesamten Veröffentlichung geht jedoch klar hervor, dass er die 'Slowakische Frage' nur hinsichtlich der politischen Stellung der Slowaken in der Tschechoslowakischen Republik seit ihrer Gründung versteht. 1914 beziehungsweise 1918 hatte sie jedoch eine andere Bedeutung als gegen Ende der 1930er Jahre beziehungsweise im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Als die Tschechoslowakei 1918/19 gegründet wurde, war eine politische Autonomie der Slowaken unrealistisch und wurde auch von inländischen slowakischen Politikern abgelehnt. Die slowakischen Repräsentanten schätzten das Risiko, dass der neue Staat zerfallen könnte, als sehr groß ein und verlangten dessen zumindest vorübergehende Zentralisierung, um so die Slowakei vollständig von Ungarn emanzipieren zu können. Der Autor argumentiert, wie seinerzeit auch ein Teil der amerikanischen Slowaken, mit dem Pittsburgh-Abkommen, das zwischen slowakischen und tschechischen Organisationen in den USA und Masaryk am 30. Mai 1918 geschlossen und in dem den Slowaken Autonomie versprochen wurde. Gleichzeitig aber, so die Argumentation, sei der Punkt des Abkommens irrelevant gewesen, der besagte, dass die endgültige Form des Staates von den politischen Vertretern im eigenen Land, also in der Slowakei, und nicht von den Slowaken in den USA, die meistens amerikanische Staatsbürger waren, entschieden werden müsse. Und eben diese Politiker in der Slowakei entschieden sich dann für die Notwendigkeit eines staatlichen Zentralismus und verschoben die Frage nach dem staatsrechtlichen Status der Slowakei auf einen späteren Zeitpunkt. Selbst diejenigen amerikanischen Slowaken, die mit der Situation in der Slowakei besser vertraut waren, teilten diese Ansicht über deren Autonomie. In der Gemeinschaft der amerikanischen Slowaken wusste man davon, aber der Verfasser thematisiert diese Zusammenhänge nicht.
Doch Ende der 1930er Jahre und insbesondere nach 1945 hatte sich die Situation verändert. Die Slowaken hatten sich dank der Verhältnisse in der Tschechoslowakischen Republik bereits zu einer modernen europäischen Nation formiert. Somit war auch die Slowakische Frage eine andere als noch 1914-1919. Der Verfasser geht auf diesen bedeutsamen Prozess der modernen slowakischen Nationsbildung jedoch nicht ein. Daher ist seine Beschreibung der Slowakischen Frage in der Zwischenkriegszeit nicht hinreichend. In diesem Zusammenhang heroisiert Cude Andrej Hlinkas illegale Reise zur Friedenskonferenz in Paris. Hlinka dachte wahrscheinlich, dass seine illegale Reise den slowakischen Interessen dienen sollte, aber de facto erfolgte sie im Interesse Ungarns und auch Polens, dessen Behörden ihm einen falschen Pass ausstellten. Hlinka zerstörte mit seinem Vorgehen die bisherige Einigkeit der slowakischen Vertreter, und seine Partei war fortan die einzige, die in ihrer Agenda für die slowakische Autonomie eintrat.
Während des Zweiten Weltkriegs befanden sich diejenigen amerikanischen Slowaken, die sich für die slowakische Autonomie und den von Deutschland dominierten neu gegründeten Staat einsetzten, in einem großen Dilemma, das sich noch verschärfte, als die Slowakei den USA im Dezember 1941 den Krieg erklärte. Amerikanische Slowaken waren somit Bürger eines Staates, der sich im Krieg mit der Slowakei befand. Diejenigen, die während der Zeit der Neutralität erfolglos für die diplomatische Anerkennung des slowakischen Staates durch die USA agitiert hatten, standen nun unter Beobachtung der Behörden und der Polizei. Cude beschreibt ausführlich, wie diese überwiegend katholischen Slowaken versuchten, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie gute amerikanische Patrioten und Demokraten seien, obwohl sie ein undemokratisches Regime und Hlinkas Slowakische Volkspartei, die bereits seit Oktober 1938 den Charakter einer Staatspartei besaß, unterstützten. Der Verfasser behauptet sogar, Antisemitismus sei unter katholischen amerikanischen Slowaken selten gewesen (139); sie zeigten aber doch ganz im Gegenteil Zuneigung für einen Staat, der nicht nur antisemitisch, sondern auch für den Holocaust an den slowakischen Juden verantwortlich war.
Die Entscheidung des Autors, den Abschnitt über den Slowakischen Aufstand von 1944 in das Kapitel über die Tschechoslowakei der Nachkriegszeit aufzunehmen, verwundert. Der Aufstand wird so aus seinem historischen Kontext herausgerissen, was seine "transatlantische Perspektive" erheblich verzerrt, da die USA ihn moralisch, politisch und materiell unterstützten und ein Teil der amerikanischen Slowaken die Wiederherstellung der Tschechoslowakei im Sinne der Aufständischen, also als eine Föderation, akzeptierten. Dies jedoch wird von Cude in einen Kontext gestellt, der bereits von dem internen Kampf zwischen den Zentralisten unter Edvard Beneš und den Föderalisten geprägt war. Bezüglich der Nachkriegszeit ignoriert der Verfasser vor allem die kommunistischen Aufstandsteilnehmer, die zum Zentralismus tendierten, der ihnen zur Macht verhelfen sollte. Dass dies der Regierung der USA sowie den dort lebenden Slowaken bewusst war, wird von Cude nicht erwähnt.
Das Buch enthält viel interessantes Material, aber die Interpretation dieses zweifellos nicht einfachen Themas gelangt nicht über altbekannte Stereotypen hinaus, die aus der Literatur amerikanischer Slowaken - die manchmal offen, manchmal heimlich Hlinkas Slowakische Volkspartei und ihre amerikanischen Anhänger als Hauptkämpfer für die "Lösung der Slowakischen Frage" präsentiert - übernommen worden sind.
Dušan Kováč