Elmar Rettinger / Peter Eulberg: 2000 Jahre Mainz - Geschichte der Stadt Digital. CD-ROM, 2., aktualis. Auflage, Mainz: Institut für Geschichtliche Landeskunde 2001, ISBN 978-3-00-007148-5, DM 39,00
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Christina Antenhofer / Mario Müller (Hgg.): Briefe in politischer Kommunikation vom Alten Orient bis ins 20. Jahrhundert. Le lettere nella comunicazione politica dall'Antico Oriente fino al XX secolo, Göttingen: V&R unipress 2008
Sigrid Rachoinig: 'Wir tun kund und lassen dich wissen'. Briefe, Urkunden und Akten als spätmittelalterliche Grundformen schriftlicher Kommunikation, dargestellt anhand der Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2009
Karl-Heinz Spieß (Hg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2003
Unter den zahlreichen CD-ROM-Produktionen zu Stadt- und Regionalgeschichten verspricht die vorliegende sich schon durch die Bearbeiter herauszuheben: Während die inhaltliche Umsetzung in der Hand eines Teams aus Mitarbeitern und Studenten des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz lag, wurde für die technische Gestaltung auf die Hilfe professioneller Multimedia-Designer zurückgegriffen. Schließlich konnte auch der SWR als Partner gewonnen werden, es darf also eine großangelegte und gut präsentierte Materialsammlung erwartet werden.
Die Basis der Darstellungen bieten über 1000 kurze Texteinheiten, die mit fast ebenso vielen Bildern, mit Ton- und Musikbeispielen sowie mit Filmmaterial illustriert sind. Unter stadtgeschichtlichen Aspekten wurde diese Masse in sechzehn thematische Einheiten aufgegliedert. Diese Themenblöcke sind entweder historischen Epochen ("Römische Zeit", "Nachkriegszeit"), oder epochenübergreifend sozialen Gruppen und Aspekten des städtischen Lebens ("1000 Jahre Mainzer Juden", "Universität") gewidmet. Sie bilden die wichtigste Kategorie für die Ordnung des Inhalts und sind entsprechend im Layout durch jeweils unterschiedlich gefärbte Balken gekennzeichnet. Jeder Themenblock ist durch ein Inhaltsverzeichnis erschlossen. Darüber hinaus werden drei Zugangsarten angeboten: Ein chronologischer über eine detaillierte Zeitleiste, ein geographischer über einen Stadtplan sowie ein systematischer über alphabetische Indizes und Schlagwörter. Ein Schnelldurchgang, der das Wichtigste kurz vorstellt, sowie ein historisches Quiz runden das Angebot ab.
Die Orientierung und Navigation innerhalb des so umfangreichen Materials ist völlig problemlos, über die Kopf- und Fußleisten ist für den Benutzer jederzeit zu erkennen, an welcher Stelle in welchem Themenblock er sich gerade befindet. Übersichten zur besseren Orientierung können von überall aus abgerufen werden, und über die vor- und zurück-Felder ist auch der Weg über verschiedene Themen und Sektionen hinweg jederzeit gangbar, ohne in multimediale Sackgassen zu führen.
Für einen breiten Kreis von Nutzern, vom historischen Spezialisten bis zum interessierten Laien, so die Selbstauskunft der Herausgeber, habe man das Material aufbereiten wollen. Diese Zielsetzung hat die Mainzer CD-ROM mit vielen ähnlich gelagerten Projekten gemein, von denen nicht wenige an den Tücken einer Popularisierung der Geschichtswissenschaft scheitern.
Der Versuch, eine Form der sprachlichen Gestaltung zu finden, die einerseits gut lesbar und abwechslungsreich ist und zugunsten der Nicht-Fachhistoriker auf wissenschaftliche Diktion und Terminologie verzichtet, gleichzeitig aber die wichtigsten Aspekte historischer Epochen und Themenbereiche präzise und verlässlich darstellt, muss daher das erste Qualitätskriterium bilden. Dieser Spagat gelingt den Mainzer Autoren größtenteils hervorragend: In einem klaren, flüssigen Stil und mit einem Begriffsapparat, der der Alltagssprache entgegenkommt, werden die Konturen des jeweiligen Themas verständlich und verlässlich herausgearbeitet. Passagen, in denen Prägnanz und Eingängigkeit zu zwanghafter Anbiederung werden ("Auch damals ging ohne Geld gar nichts") oder in denen allzu sorglos mit moderner Begrifflichkeit umgegangen wird (trifft die Aussage, der Mainzer Dom sei "bewusst als Ort von kirchlichen und weltlichen Großveranstaltungen" konzipiert worden, wirklich den Charakter hochmittelalterlicher Sakralbauten?) bleiben glücklicherweise Ausnahmen. Ein wenig ärgerlich sind nur die häufigen Schreib- und Flüchtigkeitsfehler, die auf eine etwas hastige Textredaktion schließen lassen.
Natürlich werden Spezialisten für die Geschichte deutscher Erzbistümer oder für die Frühgeschichte des Buchdrucks auch weiterhin kaum CD-ROMs konsultieren. Studenten aber, die über diesen historischen Raum arbeiten wollen, können sich keinen besseren und bequemeren Einstieg wünschen als diese CD-ROM, die allein durch Hunderte von Kurzbiografien (darunter die aller Mainzer Erzbischöfe) auch als Nachschlagewerk benutzt werden kann. Mit der konsequenten Indizierung des gesamten Bildmaterials inklusive genauer Angabe von Bildquellen und Bildrechten (in der Sektion "Indizes") überspringt sie hinsichtlich der wissenschaftlichen Verwendbarkeit außerdem eine Hürde, an der viele andere - zum Schaden der Benutzer - scheitern. So aber lassen sich einzelne Bilddateien problemlos auffinden, von der CD herunterkopieren und variabel weiterverwenden. Auch im außergewöhnlich umfangreichen und gut strukturierten Literaturverzeichnis zeigen sich die konkurrenzlosen Möglichkeiten einer großen landesgeschichtlichen Forschungsinstitution.
Der zweite zentrale Prüfstein ist die Ausnutzung der im Medium angelegten interaktiven und multimedialen Möglichkeiten: Will eine CD-ROM mehr sein als ein die Augen strapazierendes Buch, muss sie Ton- und Bildmedien konsequent und sachdienlich einsetzen, muss den linearen Fluss der Texte durch Querverweise und -verbindungen aufbrechen, muss mithin dem Benutzer verschiedene Betrachtungsweisen und Leserichtungen anbieten, ohne ihm den Weg vorzuschreiben.
Auch hier haben die Mainzer Autoren und Gestalter fast alles richtig gemacht: Aus jeder Seite führen zahlreiche Links in andere Bereiche des Angebots, zu Kurzbiografien der Akteure oder zu Begriffserklärungen. So kann der Benutzer - je nach Geschmack und Interessenlage - Mainz über seine Kirchenbauten oder eher über das Leben historischer Persönlichkeiten erschließen, kann sich eingehend mit faksimilierten Originaldokumenten beschäftigen, um dann die Plätze des Geschehens auf dem Stadtplan zu verorten. Es ergibt sich so ein Netz von Verweisen und Verzweigungen, dem es gelingt, eine städtische Geschichtslandschaft in Text und Bild kurzweilig und anschaulich darzustellen und einen beträchtlichen Mehrwert gegenüber gedruckten Einführungsdarstellungen zu schaffen. Das Bildmaterial ist klug ausgewählt und konsequent eingesetzt, so ist beispielsweise jede wichtige Kirche der Stadt sowohl in Außenansicht wie im Grundriss zu sehen, was Vergleiche zwischen verschiedenen Baustilen erst ermöglicht.
Nur stellenweise sind die Macher der CD-ROM in ihrem Streben nach multimedialer Aufbereitung etwas über das Ziel hinausgeschossen: Den Aufwand eines eigens für den Trailer komponierten, zirka 30 Sekunden lang zu hörenden Musikstücks hätte man sich beispielsweise ebenso sparen können wie die sonstige musikalische Untermalung. Wo Musikbeispiele in direkter Verbindung zu einem historischen Erzählstrang stehen, etwa in der Sektion "Mainz in der Musikgeschichte", sind sie sinnvoll und überzeugend, allein die Suggestivwirkung einer Hintergrundbeschallung (ein militärisch-schmissiges Trompetensolo für die Römerzeit, von ätherischer Frauenstimme vorgetragener Minnesang für das Hochmittelalter) ging am Rezensenten weitgehend vorbei. Da diese dem Benutzer jedoch nicht aufgedrängt, sondern nur angeboten wird, relativiert sich allerdings auch dieser Kritikpunkt.
In der Tat verblassen alle Einwände und Vorbehalte angesichts des schieren Materialreichtums, der vorbildlichen Übersichtlichkeit und Benutzerfreundlichkeit und der konsequenten Nutzung der Möglichkeiten des Mediums, die die vorliegende Produktion bietet. Innerhalb des zunehmend an Kontur und Wichtigkeit gewinnenden Genres "regional- und lokalgeschichtliche CD-ROM mit populärwissenschaftlicher Ausrichtung" hat das Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz ein Produkt mit Vorbildcharakter geliefert.
Julian Holzapfl