Steve Murdoch (ed.): Scotland and the Thirty Years' War, 1618-1648 (= History of Warfare; 6), Leiden / Boston: Brill 2001, XVI + 312 S., 6 illus., ISBN 978-90-04-12086-0, EUR 82,00
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Schottland gehört sicher nicht zu den Ländern, die man an erster Stelle mit dem Dreißigjährigen Krieg verbinden würde. Dass sich dieser Bezug auch anders sehen lässt, ja dass Schottland sogar eine Schlüsselrolle in dem großen europäischen Konflikt gehabt haben soll, will der vorliegende Sammelband zeigen. Die zwölf Autorinnen und Autoren, die, wie der Herausgeber Steve Murdoch, größtenteils in den letzten Jahren über Themen aus der schottischen und nord- und osteuropäischen Geschichte promoviert haben, behandeln dazu Aspekte der schottischen Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg - sei es unter "britischer" Fahne oder in den Diensten der Schweden, Niederländer, Franzosen oder Habsburger.
Bereits in seiner Einleitung verweist Murdoch darauf, dass mit über 50.000 Mann weit mehr Schotten in die Kämpfe auf dem Kontinent involviert waren, als oft angenommen wird. Die schottische Beteiligung reduzierte sich jedoch nicht auf die Stellung von Truppen. Durch die Heirat der Stuart-Prinzessin Elisabeth mit Friedrich von der Pfalz waren schottische Krone und Parlament in die Auseinandersetzung um Böhmen eingebunden. Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes beziehen dabei auch die schottischen Verwicklungen in die Konflikte zwischen Schweden, Polen und Russland in ihre Diskussion mit ein. "Schottland und der Dreißigjährige Krieg" umfasst hier also Europa in einer erfreulich weiten Ausdehnung.
In der ersten von drei Sektionen werden Diplomatie und Politik aus schottischer Sicht behandelt. Konkret geht es um schottische Gesandte und britische Diplomatie (Murdoch), schottische Exilanten im Dienst der Habsburger (David Worthington) und die Involvierung des schottischen Parlaments in die Spätphase des Krieges (John R. Young). Murdoch streicht dabei die besondere Rolle heraus, die Schotten im diplomatischen Netzwerk der Stuarts innehatten: Gesandte wie James Spens und Robert Arnstruther genossen gerade in Skandinavien großes Ansehen - oft standen sie gleichzeitig auch in Diensten des schwedischen oder dänischen Königs - und konnten so zumindest teilweise die schlechte Unterstützung durch die Krone wieder wettmachen. Misserfolge in der Außenpolitik der Stuarts gingen nach Murdoch also nicht auf das Personal vor Ort zurück. Offen bleibt in seinem Artikel leider eine nicht uninteressante Frage: Die untersuchten Diplomaten werden "als Schotten" ausgewählt und ihre Leistungen "als Schotten" herausgestrichen; unklar bleibt jedoch, ob sie dabei auch in irgendeiner Form "als Schotten" handelten.
Die bekannteste Aktion herausgehobener schottischer Exilanten aufseiten der Habsburger dürfte wohl die Ermordung Wallensteins gewesen sein. Dabei bemühten sich viele von ihnen - und hier zeigt Worthington etwas auf, was bei Murdoch fehlt - durchaus im Sinne schottischer Interessen um eine Einigung, die zumindest die Rückgabe der Pfalz an Friedrich und seine Frau umfassen sollte. Im letzten Abschnitt der ersten Sektion wendet sich Young mehr den inneren Mechanismen der schottischen Diplomatie und damit dem Parlament und dem von ihm aufgebauten Beziehungsnetz zwischen 1641-1647 zu. Verglichen mit den beiden ersten Artikeln, geht er systematischer den Bemühungen nach, den "Solemn League and Covenant" mit dem englischen Parlament zu einem europäischen Defensivbündnis für den Protestantismus auszubauen.
Die Sektion 2 "The Military Contribution" besteht aus sechs Aufsätzen, angeführt von einem kurzen Artikel des kürzlich verstorbenen tschechischen Historikers Josef V. Polišenský über schottische Soldaten in Böhmen. Die anderen Aufsätze behandeln Schotten in den französischen und niederländischen Armeen (Matthew Glozier), Schweden und Schottland (Alexia Grosjean), den Konflikt um Smolensk (Paul Dukes), Lithauen-Polen (Robert I. Frost) und den schottischen Söldnerführer Robert Munro (William S. Brockington).
Alle Autoren betonen dabei die besonderen Qualitäten, durch die sich Schotten sowohl als einfache Soldaten wie auch als Heerführer oder Diplomaten auszeichneten - auch in den Augen ihrer Zeitgenossen. So hatte schottischer Heeresdienst in Frankreich oder den Niederlanden bereits vor 1618 eine Tradition, und auch die Schweden stützten sich zunehmend auf schottische Soldaten; ihre Heerführer genossen das Vertrauen der Krone. Die Autoren führen das besondere schottische Engagement zum einen auf ein religiöses Zugehörigkeitsgefühl gerade zu den Calvinisten und das weit verbreitete Bewusstsein, mit den Habsburgern einen Feind Schottlands zu bekämpfen, zurück, zum anderen aber auf das geschlossene Auftreten der Schotten. Schottische Heerführer sorgten für Truppennachschub aus der Heimat und stellten damit die nationale Geschlossenheit ihrer Verbände sicher, die ihnen höhere Motivation verliehen haben dürfte. Gefragt waren schottische Truppen auch im Osten Europas. Die Erleichterung oder Erschwerung der Werbung durch die Krone und führende schottische Politiker war dabei auch ein Interventionsmittel: So wurde Russland im Smolensker Krieg (1632-1634) gezielt gegen Polen unterstützt, um den Schweden freie Hand für ihre Campagnen im Reich zu geben. Der interessante Aufsatz über den Söldnerführer und Regimentshistoriker Monro bestätigt am Einzelbeispiel einer zugegebenermaßen herausgehobeneren Persönlichkeit sowohl die guten Kontakte, die Schotten in Europa hatten, wie auch ihre relativ geschlossene, religiös-national geprägte Weltsicht und Motivation.
Der erste Artikel der dritten Sektion "Lasting Impressions" unterstreicht dieses Bild noch. Dauvit Horsbroch untersucht die Kontakte, die während des Krieges zwischen Schotten im Feld und in der Heimat bestanden. Dabei wird deutlich, dass man in Schottland sehr wohl über die komplexen Ereignisse auf dem Kontinent informiert war und sich als Schotte religiös wie auch über die Verbindung zur Pfalz politisch betroffen fühlen und darauf reagieren konnte. Den Abschluss bildet eine Untersuchung über "German Reactions to the Scots", die von zwei deutschen Studenten (Hartmut Ruffer und Kathrin Zickermann) verfasst wurde und sich trotz einer gewissen Holzschnittartigkeit der Untersuchung des Schottenbildes insoweit positiv von den anderen Aufsätzen abhebt, als hier auch einschlägige deutsche Literatur verarbeitet wird. Damit will ich nicht ins Lamentieren darüber verfallen, dass ein "deutsches" Thema wie der Dreißigjährige Krieg nicht kompetent ohne "deutsche" Literatur behandelt werden könne, aber rein von der Literaturauswahl wird im vorliegenden Sammelband doch eine etwas verengte Sicht vertreten, die in der Ausrichtung auf den angloamerikanischen Markt eine breite Forschungslandschaft bestenfalls indirekt zur Kenntnis nimmt.
Obwohl der schottischen Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg auch den vorgelegten Ergebnissen nach nicht die unterstellte Schlüsselrolle zukommt, so war sie doch breiter, als hier zu Lande bekannt sein dürfte. Um das zu verdeutlichen, ist es sicherlich legitim, dass eine Gruppe schottischer Historiker die schottische Beteiligung besonders prominent herausstreicht. Allerdings führt das bei der Lektüre manchmal zu einer Übersättigung angesichts der Aufreihung der Leistungen der Schotten, die oft zu kleinteilig präsentiert werden. So ist es beispielsweise nach der Diskussion der Verspätungsgründe eines Kontingents schottischer Truppen für den östlichen Kriegsschauplatz offenbar von Bedeutung darauf hinzuweisen, dass Schotten dennoch einen "wichtigen" Beitrag zu der nachfolgenden verlorenen Schlacht lieferten: "Nevertheless, Scots did fight at Chocim. There were 10-20 Scots in Prince Wladyslaw's personal bodyguard [...]" (206). Ähnlich wie hier angerissen, wäre der Verzicht auf die Auflistung auch des - so scheint es zumindest - letzten Schotten manchmal mehr gewesen.
Torsten F. Reimer