Ilse Eberhardt: Die Grutamtsrechnungen der Stadt Münster von 1480 und 1533. Edition und Interpretation (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster; 19), Münster: Aschendorff 2002, 248 S., ISBN 978-3-402-06642-3, EUR 34,80
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Der Titel des Werks dürfte für viele Menschen des 21. Jahrhunderts exotisch klingen, bei denen dann der Verdacht aufkommen könnte, es werde eine nebensächliche Quelle behandelt. Das Gegenteil ist der Fall: "Grut war im Mittelalter ein Sammelbegriff sowohl für eine Gewürzmischung, die zum Bierbrauen benötigt wurde, als auch für das Bier und für die darauf erhobene Steuer" (17). Tatsächlich wurden in Münster verschiedene Sorten Bier gebraut und verkauft, außerdem wurde eine Steuer auf Branntwein erhoben. So handelt es sich bei der Grut sowohl um eine Steuer als auch um eines der wichtigsten Ämter in Münster. Die Einnahmen aus dieser Steuer waren von überragender Bedeutung für die Stadt, sodass die Grutherren letztlich mit den Kämmerern anderer Orte vergleichbar sind. Sie bestritten längst nicht nur die Ausgaben für das Gruthaus sowie für das Festmahl, mit dem die Rechnungslegung vor dem Rat begangen wurde, sondern sie bezahlten aus ihren Geldern städtische Boten, Gesandte der Stadt Münster, Ausgaben für städtische Bauten, für die Verteidigung der Stadt und vieles mehr. Wesentliche Bereiche des Finanzwesens der Stadt Münster werden auf diese Weise erfasst - und hierin liegt der Wert der beiden Rechnungsbücher. Sie haben exemplarischen Wert, da das Ratsarchiv in Münster erhebliche Verluste hinnehmen musste. Besondere Bedeutung hat die Rechnung des Jahres 1533, da kurze Zeit später die Wiedertäufer in Münster an die Macht kamen.
Eberhardt beginnt mit einer äußeren Beschreibung der Rechnungsbücher und erläutert sodann den Aufbau und den Inhalt. Es folgt eine Darlegung über die Art der Einnahmen und Ausgaben. Systematisch wertet Eberhardt die beiden Rechnungsbücher nach Gesichtspunkten wie Zehr- und Reisegelder, Baukosten, Verteidigungsausgaben, Rechtswesen et cetera aus. Die kleinteilige Gliederung bietet beim späteren Lesen der Edition die Möglichkeit, zu einzelnen Passagen die entsprechende Interpretation zu finden. Leser, die sich bis dato eher selten mit Stadtrechnungen aus dem Mittelalter beschäftigt haben, erhalten außerdem eine Art Einführung in die städtische Administration. In dem dann folgenden Kapitel "Auswertung der Zahlen" versucht Eberhardt vergleichende Aussagen insbesondere über Preise und Löhne zu treffen. Dies ist naturgemäß schwierig, da es an Quellen fehlt, mit denen sich die Zahlen hätten vergleichen lassen (83). Eberhardt setzt die Angaben der Rechnungsbücher zueinander in Beziehung, doch wäre es wahrscheinlich besser gewesen, die Leser zunächst auf die Unterschiede zwischen ausgeprägten Münzen und Rechnungseinheiten in städtischen Rechnungsbüchern hinzuweisen. Auf einer solchen Grundlage hätte Eberhardt dann die Währungsabwertung beispielsweise in Relation zum Goldgulden setzen können, um inflationskorrigierte Angaben zu erhalten. Im fünften Kapitel ("Auswertung der Namen") verwendet Eberhardt einen prosopographischen Ansatz und untersucht sehr ausführlich die in den Rechnungen genannten Namen, die sie nach sozialen Gruppen gliedert und auflistet. Leser, die in der Geschichte Münsters bewandert sind, erhalten manch neue Information; doch Benutzer, die weniger Vorwissen mitbringen, wären möglicherweise für weitergehende Anmerkungen dankbar gewesen, auch wenn die wichtigste Literatur genannt wird.
Es folgt die Edition der Rechnungsbücher, die mit einem Anmerkungsapparat versehen ist. Wie es Standard ist bei wissenschaftlichen Editionen, wurden römische Ziffern in arabische übertragen und wurden Abkürzungen aufgelöst. Korrekturen der Schreiber wurden übernommen, doch wurde dies bei kürzeren Verbesserungen nicht kenntlich gemacht. Die Edition ist großzügig gestaltet, da pro Seite der Rechnungsbücher eine Seite in der Edition verwendet wurde. So nützlich dies alles ist, einige Faksimileseiten wären für kundige wie unkundige Leser hilfreich gewesen. Den editorischen Hinweisen ist beispielsweise nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Rechnungsbücher tatsächlich in der gleichen tabellarischen Form geführt wurden wie in der Edition. Hervorzuheben ist das Glossar, das Lesern, die nur geringe Kenntnisse im Mittelniederdeutschen haben, das Verständnis sehr erleichtert. Erst mit seiner Hilfe sowie dank des Orts- und Personenregisters erschließt sich die Edition. Ihr Wert ist damit nicht nur auf die Stadtgeschichte von Münster beschränkt, sondern ergibt sich aus der Gelegenheit, ein zentrales Amt, das es keinesfalls nur in Münster gab, exemplarisch studieren zu können.
Arnd Reitemeier