Karin J. MacHardy: War, Religion and Court Patronage in Habsburg Austria. The Social and Cultural Dimensions of Political Interaction, 1521-1622 (= Studies in Modern History), Basingstoke: Palgrave Macmillan 2003, 331 S., ISBN 978-0-333-57241-2, GBP 50,00
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Die anzuzeigende Abhandlung verfolgt in erster Linie das Ziel, die Ursachen der tief greifenden Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern und dem protestantischen Adel ihrer Erbländer am Beginn des Dreißigjährigen Krieges aufzuzeigen (1f.). Dabei nimmt MacHardy vorrangig den österreichischen protestantischen Adel in den Blick und versucht, ohne die "äußeren" Aspekte dieser Auseinandersetzung zu übersehen, doch ihren Schwerpunkt vor allem auf innere Konflikte zu legen, auf die Spannungen, die sich zwischen den katholischen Kaisern aus dem Hause Habsburg und ihrem mehrheitlich protestantischen landständischen Adel herausbildeten. Deshalb beschreibt die Autorin auch einen weiten zeitlichen Rahmen, um lang wirkenden Entwicklungen nachspüren zu können. Der Schwerpunkt der Erörterungen liegt allerdings auf der Zeit zwischen etwa 1570 und 1620.
Die Darstellung Karin MacHardys besteht aus zwei großen Teilen, die jeweils wiederum in drei Kapitel gegliedert sind. Der erste Teil "Coordinating State, Reformation and Elites" behandelt politische und verwaltungsgeschichtliche Rahmenbedingungen für die Beziehungen zwischen Landesherr und Ständen, den Verlauf von Reformation beziehungsweise Gegenreformation in den habsburgischen Erbländern bis 1620 und schließlich die Debatten im Vorfeld sowie im Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Fürst und Adel in den Jahren 1618 bis 1620. Teil 2 "Court Patronage and Noble Strategies" ist dann stärker regional fokussiert. Vorrangig anhand des niederösterreichischen Adels stellt MacHardy soziale Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse dieser "Adelslandschaft" dar, geht auf Stellenwert und Akkumulationsformen symbolischen Kapitals innerhalb der adligen Gesellschaft ein und analysiert Veränderungen der höfischen Gesellschaft des Habsburger-Hofes in sozialer und konfessioneller Hinsicht.
Im Verlauf der Darstellung gelingt es der Autorin fast durchgehend, ihr Hauptthema, das der Wechselwirkungen zwischen Fürst und Adel in politischer, religiöser und sozialer Hinsicht, zu verfolgen. Sie kombiniert dabei die Untersuchung sozialer und wirtschaftlicher Aspekte mit der Behandlung fürstlicher Patronage als wesentlicher Quelle für soziales wie kulturelles Kapital adliger Familien und Personen. Vor allem im zweiten Teil der Darstellung bildet dies den Schwerpunkt der Ausführungen, während der erste Teil eher als Überblick zu allgemeinen Entwicklungen von Staatlichkeit im habsburgischen Machtbereich konzipiert ist. Dabei benutzt MacHardy vornehmlich das Konzept des "co-ordinating state" (Michael Mann), um Staatsbildungsprozesse zu erklären.
Weniger ausführlich als auf diesen Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen geht sie auf das für den zweiten Teil zentrale Konzept von "Patronage" ein. Der Begriff wird nirgendwo problematisiert; implizit ist er im Text jedoch ausschließlich für fürstliche Netzwerkbildung verwendet. Dabei bleibt offen, ob die Einordnung des Fürsten selbst als oberster Patron überhaupt vertretbar ist - lässt sich fürstliche Gnade wirklich in ein System des Gabentauschs integrieren? Der Stellenwert von sozialen Netzwerken innerhalb der höfischen Gesellschaft, an denen der Fürst nur mittelbar beteiligt war, bleibt dagegen völlig offen. Hier hätte eine eingehendere Auseinandersetzung mit Begriff respektive Konzept sicher zu größerer Erklärungskraft der Ausführungen beitragen können.
Zugleich bilden aber MacHardys Ausführungen zur Relevanz der über den Hof vermittelten Beziehungen zwischen Fürst und Adel, zum Stellenwert von Heiratsbeziehungen, Bildungserwerb und Ausgestaltung eines weitgehend einheitlichen adligen Habitus über höfische Kontexte zentrale Aussagen des Buches. Mit den Hinweisen auf diese Zusammenhänge könnte das Buch wichtige Impulse für weitere Forschungen zum fürstlichen Hof der Habsburger geben, zumal die einzelnen Aspekte im vorliegenden Werk noch keineswegs erschöpfend erörtert werden.
Ein zweiter Bereich, in dem Stärken des Buches liegen, ist der der sozialstrukturellen Untersuchungen zu Amtsinhabern, zu Besitz und sozialer Mobilität des niederösterreichischen Adels, die immer mit der Frage nach konfessionellen Unterschieden verknüpft werden. Es gelingt der Autorin, recht plastisch herauszuarbeiten, in welchem Maße die konfessionellen Präferenzen der Habsburger von Rudolf II. über Matthias bis zu Ferdinand II. soziale Chancen der protestantischen Eliten einschränkten, wie sehr also fürstliche Patronage (wenn man den Begriff so verwenden möchte) im Sinne der Konfessionalisierung wirkte und Konflikte um die Verteilung politischer und sozialer Chancen zuspitzte.
Freilich bleibt auch in diesen Teilen der Darstellung manches unklar; insbesondere hätte man sich dezidierte Ausführungen dazu gewünscht, welche Personengruppe MacHardy eigentlich als "niederösterreichischen Adel" erfasst. Für eine Einordnung des vor allem in Kapitel 4 und 6 gebotenen Zahlenmaterials wären Vergleiche ebenso nützlich gewesen wie für eine Einordnung der habsburgischen Politik gegenüber dem Adel etwa ein Blick nach Bayern, wo ja bereits früher ähnliche Prozesse abliefen. Nicht unproblematisch scheint in vielen Fällen auch die sozialstatistische Auswertung von älteren genealogischen Werken (Wißgrill, Siebmacher), die zwar umfangreiches Material bieten, aber unter abweichenden Prämissen entstanden sind und eben keinesfalls den gesamten niederösterreichischen Adel erfassen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass MacHardys Buch trotz vieler interessanter Beobachtungen keinen wirklich geschlossenen Eindruck der Interaktion von Fürst und Adel bieten kann. Das liegt natürlich auch in vielen Forschungslücken begründet, wobei manche neuere Literatur, die der Autorin nicht zugänglich gewesen zu sein scheint, noch den einen oder anderen Hinweis beinhaltet hätte, wie etwa das Werk von Thomas Winkelbauer über Gundaker von Liechtenstein, von Johannes Burkhardt zum Dreißigjährigen Krieg oder von Jeroen Duindam zum Wiener Hof. Auch der Umstand, dass MacHardy zunächst und über lange Zeit offensichtlich auf eine sozialgeschichtlich orientierte Darstellung hingearbeitet hat, wovon nicht zuletzt ihre bisherigen Veröffentlichungen zum Thema zeugen, und sich erst relativ spät zur Einbeziehung weiterer Fragestellungen, wie des Konzepts der Patronage, entschlossen hat, wirken einem geschlossenen Eindruck des Textes entgegen. Wo aber diese Orientierung an Konzepten und wissenschaftlichen Debatten, die Karin MacHardy selbst betont (2), fassbar wird, gewinnt die Abhandlung an Relevanz für Forschungen zur Geschichte der Habsburger wie der adlig-höfischen Gesellschaft ihrer Erblande, nicht zuletzt, indem bekannte Tatsachen in neue Kontexte gestellt werden.
Katrin Keller