Hans-Günter Leder: Johannes Bugenhagen Pomeranus - vom Reformer zum Reformator. Studien zur Biographie. Hrsg. v. Volker Gummelt (= Greifswalder theologische Forschungen; Bd. 4), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2002, 438 S., ISBN 978-3-631-39080-1, EUR 49,80
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Der vorliegende Aufsatzband umfasst zwölf Studien über Johannes Bugenhagen von 1984 bis heute, umgreift also fast 20 Jahre Publikationstätigkeit des ehemaligen Greifswalder Theologieprofessors Hans-Günter Leder. Vier der zwölf Beiträge sind hier erstmals publiziert. Der Sammelband dokumentiert die "bürgerliche" Geschichtsschreibung in der DDR, um einen Terminus der DDR-Wissenschaft zu gebrauchen.
Im Vorwort wird auf den Umstand hingewiesen, dass Bugenhagen noch nicht mit einer kritischen Edition gewürdigt wurde, obwohl er innerhalb der lutherischen Reformation zu den großen Gestalten nach Luther und Melanchthon gehörte, vergleichbar mit Brenz und Bucer. Selbst so nachrangige Persönlichkeiten wie Lazarus Spengler und Andreas Osiander haben kritische Gesamtausgaben erhalten. Allerdings muss die Frage gestellt werden, ob die hier geforderte Gesamtausgabe in der heutigen Zeit noch angemessen erscheint. Eine Revision unseres Bildes von Bugenhagen und auch die zu erwartende Menge unbekannter Texte beziehungsweise Briefe dürfte doch relativ überschaubar sein.
Die vorliegenden Beiträge stellen zwar Einzelstudien zu Bugenhagen dar und können somit nicht eine biografische Synthese ersetzen, sie bieten dennoch Aspekte zu wichtigen Lebensstationen des Reformators, wobei der gewählte Titel "vom Reformer zum Reformator" wohl für jede Persönlichkeit der ersten Reformatorengeneration gilt. Die Studien sind allerdings nur der ersten Hälfte des reformatorischen Wirkens Bugenhagens gewidmet und handeln die einzelnen Stationen seiner Biografie ab. Zu Beginn steht ein Überblicksaufsatz über das Leben Bugenhagens. Daraufhin folgen die wichtigsten Etappen seines Wirkens.
Geboren 1485 in Wollin, studierte Bugenhagen in Greifswald, arbeitete seit 1504 als Schulrektor in Treptow und wurde 1509 zum Priester geweiht. Wie fast alle Theologen seiner Generation war Bugenhagen stark von Erasmus beeinflusst. Durch die Lektüre von "De captivitate Babylonica" kam er dann zur Reformation, immatrikulierte sich 1521 in Wittenberg, schlug sich auf die Seite Luthers und avancierte zu einem seiner engsten Vertrauten und Mitarbeiter. Zwischen 1528 und 1530 wirkte Bugenhagen in Braunschweig, Lübeck und Hamburg, Mitte der 30er-Jahre in Pommern und Dänemark, später dann in Braunschweig-Lüneburg. An allen diesen Orten trug er wesentlich zur Einführung der Reformation bei. 1558 starb Bugenhagen in Wittenberg.
Bugenhagen gehörte neben Luther und Melanchthon zu den führenden Wittenberger Reformatoren, wobei seine Wirksamkeit vor allem praktischer Natur war und sich in verschiedenen Kirchenordnungen niederschlug. Theologisch war er wenig einflussreich, wollte es wahrscheinlich auch gar nicht sein, sondern schloss sich eng an Luthers Theologie an, von der er sich nur in Nuancen unterschied.
Die abgedruckten Aufsätze sind von unterschiedlicher Qualität. Der Beitrag über die "Pomerania", die erste pommersche Landesgeschichte, ist heute überholt. Ein Abdruck hätte eventuell unterbleiben können. Der Aufsatz ist 24 Seiten lang, davon entfallen die Seiten 126-134 auf die Wiederholung der Biografie Bugenhagens und die Seiten 139-146 auf Spekulationen über die Abhängigkeit Bugenhagens von Erasmus. Wichtiger wäre die Untersuchung der Frage gewesen, inwiefern sich die "Pomerania" der humanistischen Erneuerung der Geschichtsschreibung zuordnen lässt. Bemerkungen über die Quellenkritik und die Eigenständigkeit der Geschichtsschreibung Bugenhagens sind anachronistisch und verkennen die wissenssoziologischen Bedingungen der Geschichtsschreibung des frühen 16. Jahrhunderts (136 f.).
Einige weitere Kritikpunkte müssen genannt werden. Es kommt zu Wiederholungen, insbesondere die Biografie Bugenhagens wird in jedem Aufsatz mehr oder weniger ausführlich geschildert, und sehr lange Anmerkungen setzen sich mit der älteren Literatur auseinander. Dagegen fehlt die Berücksichtigung der neueren Literatur, die seit der Erstveröffentlichung der Beiträge erschienen ist, für das Thema Bugenhagen als Geschichtsschreiber zum Beispiel die Monografie von Ulrich Andermann über Albert Krantz. In den Beiträgen zu den einzelnen Reformationsabschnitten werden ausführlich die verschiedenen Kirchenordnungen ausgebreitet. Auch hier kommt es zu gewissen Redundanzen. Eine Überarbeitung der Beiträge, um die Wiederholungen auszumerzen und den Anmerkungsapparat zu verschlanken, wäre den Lesern sicherlich entgegengekommen. Positiv zu erwähnen ist das beigefügte Personenregister.
Insgesamt bietet der Band trotz der erwähnten Kritikpunkte eine zuverlässige Einstiegshilfe in die Biografie Bugenhagens.
Thomas Fuchs