Kurt Andermann (Hg.): Rittersitze. Facetten adligen Lebens im Alten Reich (= Kraichtaler Kolloquien; Bd. 3), Epfendorf: bibliotheca academica 2002, 236 S., 16 Abb., 1 Farbtafel, ISBN 978-3-928471-37-4, EUR 29,00
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Klaus Ganzer / Karl-Heinz zur Mühlen (Hgg.): Akten der deutschen Reichreligionsgespräche im 16. Jahrhundert. Zweiter Band: Das Wormser Religionsgespräch 1540/41, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2002
Kurt Andermann (Hg.): Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches. Versuch einer Bilanz, Epfendorf: bibliotheca academica 2004
Kurt Andermann / Sönke Lorenz (Hgg.): Zwischen Stagnation und Innovation. Landsässiger Adel und Reichsritterschaft im 17. und 18. Jahrhundert. Drittes Symposion "Adel, Ritter, Ritterschaft vom Hochmittelalter bis zum modernen Verfassungsstaat" (20./21. Mai 2004, Schloß Weinsberg), Ostfildern: Thorbecke 2005
Kurt Andermann / Peter Johanek (Hgg.): Zwischen Nicht-Adel und Adel, Ostfildern: Thorbecke 2001
Der vorliegende Sammelband vereinigt Beiträge einer Tagung über Rittersitze in Kraichtal im Mai 2000, wobei vorrangig Rittersitze in Südwestdeutschland betrachtet werden. Der Tagungsort im Kraichgau steht beispielhaft für eine Landschaft starker herrschaftlicher Zersplitterung, die vom Ritteradel tief geprägt wurde. Über den Titel des Sammelbandes hinaus sind die Aufsätze mehrheitlich in sozialgeschichtlichen Fragestellungen verankert.
Sigrid Schmitt thematisiert die adlige Memorialkultur im Umfeld der Rittersitze. Ausgehend von den Stifts- beziehungsweise Klostergründungen der Reichministerialen im Hochmittelalter beschreibt sie ihre Funktionen als fromme Stiftungen, Mittel der adligen Selbstdarstellung und der standesgemäßen Versorgung von Familienmitgliedern, indem sie die Gestaltung des kirchlichen Umfelds der Rittersitze untersucht. Am Beispiel der Herren von Hirschhorn wird der Aufbau eines Herrschaftszentrums aufgezeigt, zu dem auch die entsprechenden Memorialformen gehörten. Charakteristisch für die niederadlige Sakralkultur in einer sozialgeschichtlichen Betrachtung war die Abgrenzung nach unten und die Orientierung nach oben. Mit ihren frommen Stiftungen imitierten die Ministerialen die Hochadligen und demonstrierten auf diese Weise ihren sozialen Aufstieg in der Welt des Adels. Insbesondere gegenüber den Stadtbürgern spielte das Motiv der Abgrenzung eine zentrale Rolle, das vor allem bei den Aufzügen der Rittergesellschaften in der Stadt zum Tragen kam.
Das Thema "Stadthöfe des ritterschaftlichen Adels" untersucht Regina Schäfer. Sie betont, dass der Gegensatz von Stadt einerseits und Adel als Landbesitzer andererseits nicht strikt gesehen werden darf. Im Gegenteil waren die Lebenswelten der Stadtbürger und des Adels miteinander verwoben. Denn Adlige konnten in den Städten Höfe erwerben, ohne in das Bürgerrecht aufgenommen zu werden. Der Adelsbesitz wurde von den städtischen Bürgern kaum angefeindet, auch hier stimmt das Bild vom Antagonismus Stadt - Adel offensichtlich nicht. Erst in der Frühen Neuzeit sorgte der adlige Zusammenschluss in Ritterkantonen für eine deutliche Abgrenzung vom städtischen Patriziat. Am Beispiel von Mainz, Heidelberg und Oppenheim untersucht sie die Frage, wie und warum Adlige im Spätmittelalter Stadthöfe erwarben und wie sie sie nutzten. Zwar besaßen Adlige seit dem 12. Jahrhundert in den untersuchten Städten Hausbesitz, den sie allerdings früh wieder aufgaben. Insgesamt zeichnete sich der Adelsbesitz in der Stadt durch eine geringe Besitzkontinuität aus. Strukturell gesehen zog sich der Adel im Laufe des Spätmittelalters auf seine Burgen zurück. Nur in den Burgmannenhöfen widerstand der Adel diesem Trend. In Oppenheim gelang es den Burgmannen erst im 14. Jahrhundert, außerhalb der Stadt feste Häuser zu beziehen. Als Ursachen für diese "Verspätung" werden die enge Bindung an die Stadt und der relativ geringe Sozialstatus der Burgmannen angeführt. Mainz war dagegen schon im 14. Jahrhundert eine weitgehend "adelsfreie" Stadt. Die Attraktivität der kurpfälzischen Residenz wird als der eigentliche Grund für die unterschiedliche Entwicklung in Heidelberg gesehen.
Christine Reinle widmet sich den Bibliotheken der Ritterschaft und damit den Bildungsbemühungen des Adels. Problematisch ist die ungünstige Quellenlage selbst noch für das 16. Jahrhundert. Buchbesitz ist beim ritterschaftlichen Adel vor dem 15. Jahrhundert kaum zu erwarten. Wenn Bücher / Handschriften vorhanden waren, dann war dies praktischen Notwendigkeiten geschuldet. Die dabei zu beobachtende Bildung war eine "Bildung für den Alltag", die sich zwischen den Ungelehrten und der lateinischen Welt der Gebildeten bewegte. Bibliophilie ist nur als Einzelphänomen nachweisbar. Die Nähe zu den Höfen scheint ein Bedürfnis nach Wissen und Unterhaltung zumindest gefördert zu haben, auch wenn verallgemeinerbare Aussagen aufgrund der Quellenlage nur schwer zu treffen sind und individuelle Motivationen der jeweiligen Adeligen im Vordergrund stehen. Die Vermassung des Druckwesens im 16. Jahrhundert begünstigte das Anwachsen adliger Bibliotheken ebenso wie der Humanismus und die Reformation.
Die herrschaftliche Durchdringung der ritterschaftlichen Kleinterritorien beschreibt Klaus Rupprecht am Beispiel Frankens im 16. Jahrhundert. Ganz ähnlich wie bei der Sakralkultur - mit einer entsprechenden Verspätung - setzte sich im Niederadel ein stark obrigkeitlich geprägtes Denken durch, das den großen Territorialfürsten nacheiferte. Mittelalterlich war das noch weit verbreitete Denken und Handel in den Kategorien des Personenverbandes. Aber in ihrem Selbstverständnis als - verfassungsrechtlich abgesicherte - freie Reichsritter suchten die Adligen einen Status durchzusetzen, der sie den Fürsten nicht unter- sondern nachordnete. Die 'modernen' Obrigkeitsvorstellungen trugen wesentlich zur Herrschaftsdurchdringung ebenso wie zum Selbstbewusstsein der Adligen als Obrigkeit über ihre Untertanen bei. Der Hochadel gab gleichsam die Herrschaftsnormen vor, denen die Ritter nachzustreben versuchten.
Martina Schattkowsky thematisiert adliges Landleben in Kursachsen im 17. Jahrhundert. Im Gegensatz zum 17. war das 16. Jahrhundert nicht nur vom Nacheifern des hochadligen Vorbilds geprägt, sondern auch von grundlegenden Auseinandersetzungen um den Status des Niederadels; das bekannteste Beispiel ist die Sickingenfehde. Während das 16. Jahrhundert eine Zeit war, in der sich noch vieles im Fluss befand und beispielsweise der Wetterauer Adel sich in zwei Gruppen - diejenigen, die sich gegen Hessen behaupten konnten, und diejenigen, denen dies nicht gelang - zu differenzieren begann, war das 17. Jahrhundert eine Epoche, in der diese Fragen entschieden waren. Der Adel besaß nun eine verfassungsrechtlich kaum hinterfragte Position, wenn es auch Ausnahmen gab. Der landsässige Adel hatte sich endgültig an den Höfen institutionalisiert. Der Adlige als Hofmann fand einen Teil seines Auskommens und seines Sozialprestiges in der Nähe des Fürsten. In gewisser Weise fand eine strukturelle Entwicklung seit dem Mittelalter ihren konsequenten Abschluss. Aus diesen Prozessen ist der Adel als Herrschaftsstand gestärkt hervorgegangen. Die Ausführungen von Martina Schattkowsky bestätigen die These von der Refeudalisierung des Reiches seit dem späten 16. Jahrhundert.
Die ökonomische Situation des Ritteradels in Südwestdeutschland in der Frühen Neuzeit wird von Kurt Andermann anhand von Fallbeispielen dargestellt. Die Vielgestaltigkeit der Besitztitel und Einnahmequellen fällt ins Auge. Am Beispiel der Untersuchung der Erbteilung des Besitzes der von und zu Adelsheim 1690 fällt der geringe Anteil grundherrlicher Einkünfte bei der Bemessung des Wertes des Rittergutes auf. Die Leistungspflichten der Untertanen wurden noch im 18. Jahrhundert vorwiegend in Naturalien erbracht. Der überwiegende Teil des adligen Einkommens entstammte der Land- und Forstwirtschaft, sei es durch selbstbewirtschaftete Meierhöfe, sei es durch die Abgaben der Grundholden und Untertanen. Insgesamt gestaltete sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Adels, wie zu erwarten, sehr unterschiedlich, eben individuell und deshalb nicht grundlegend anders als im Bürgertum.
Christoph Schmider thematisiert am Beispiel des Franz Friedrich Böcklin von Böcklinsau die Musikkultur an Rittersitzen im späten 18. Jahrhundert. Diese Ausführungen sind jedoch nicht, wie die anderen Aufsätze, um eine strukturelle Sicht der Sozialgeschichte der Ritter bemüht, sondern stellen einen einzelnen Musikliebhaber aus den Reihen des Adels vor, der in diesem Interesse auch noch ungewöhnlich war.
Eine Liste der Tagungsteilnehmer, Namen- und Sachregister schließen den gelungenen und durch Bilder illustrierten Sammelband ab, der grundlegende Einsichten, aber auch Defizite der Adelsforschung aufzeigt. Die einzelnen Beiträge zeichnen sich durch dichte und quellengesättigte Beschreibungen aus, die weit über gewöhnliche Vortragspublikationen hinausgehen. Gemeinsam ist ihnen die Betonung der Modernisierungsfähigkeit des Adels, die älteren Adelsvorstellungen entgegengerichtet ist. Allerdings sind dabei auch die Kosten dieser Anpassungsfähigkeit zu berücksichtigen. Die Nicht- oder nur teilweise Überwindung der Adelsgesellschaft und ihrer Strukturen seit dem 18. Jahrhundert spielte sicherlich eine bedeutende Rolle für den oft beschworenen Sonderweg der deutschen Geschichte.
Thomas Fuchs