Margarette Lincoln: Representing the Royal Navy. British Sea Power, 1750-1815, Aldershot: Ashgate 2003, XIII + 226 S., ISBN 978-0-7546-0830-1, GBP 35,00
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Die Royal Navy ist eines der bekanntesten Symbole für die englische beziehungsweise britische Nation. Während Lieder wie "Rule Britannia" noch heute Assoziationen an Kriegsschiffe unter Segeln wecken, sorgen neuere kulturelle Artefakte wie Peter Weirs Film "Master and Commander" dafür, dass uns "the Navy as a cultural presence in the public sphere" (IX) erhalten bleibt. Angesichts der Kraft, die sich mit der Repräsentation der Navy verbindet, ist es erstaunlich, dass die Konstruktion solcher Bilder bisher kaum in wissenschaftlichen Arbeiten untersucht wurde. Für die Frühe Neuzeit ist Margarette Lincolns Ende 2002 erschienene Arbeit sogar die einzige derartige Studie in Buchlänge, obwohl genau in dieser Epoche die Grundlegung für die Wahrnehmung der Navy als nationales Symbol zu suchen wäre.
Durch ein stärkeres Interesse an der Verbindung von Militär, Krieg, öffentlicher Sphäre und nationaler Identität ist allerdings in den letzten Jahren, exemplarisch durch Linda Colleys Buch "Britons: Forging the Nation", das Feld für eine kulturhistorische Beschäftigung bereitet worden. Die rund achtzig Jahre, die Lincoln untersucht, bieten sich auf den ersten Blick besonders für einen solchen Ansatz an: Großbritannien ist in dieser Zeit häufig in Kriege verwickelt und verfügt bereits über eine Kulturindustrie, welche die Marine nicht nur in Druckwerken und Bildern, sondern auch in Uhren, auf Porzellan und anderen Konsumgütern an einen zunehmend größeren Anteil der Bevölkerung vermittelt. Als Director for Research and Collections des National Maritime Museum in Greenwich sitzt Lincoln an der richtigen Stelle, um auf dieses breite Spektrum an Quellen zugreifen zu können, was sich in zahlreichen, fast immer ganzseitigen Abbildungen in ihrem Buch widerspiegelt.
Für den Aufbau ihrer Untersuchung wählt Lincoln eine systematische Herangehensweise. Nach einer kurzen Einleitung untersucht sie die Repräsentation beziehungsweise Konstruktion des Bildes von der Marine in sieben Kontexten: Selbstbild der Navy, Politik, Handel, Religion, Frauen ("Waiting on the Shore"), Medizin und das allmähliche Abkühlen des Interesses nach dem Sieg über Napoleon ("Post-War Blues"). Obwohl sich diese Kontexte überlappen und weder in Umfang noch Bedeutung gleich zu gewichten sind, beleuchten sie doch verschiedene Blickwinkel auf die Marine und damit auch verschiedene Interessenlagen. Durch den Ausblick am Ende des Buches verliert man die Dimension der zeitlichen Veränderung nicht ganz aus dem Blick, die in den thematischen Abschnitten bestenfalls isoliert behandelt werden kann.
So gut diese Gliederung an sich auch funktioniert, kommt es doch teils zu unnötigen Wiederholungen, etwa wenn Lincoln zum wiederholten Mal die Hintergründe des durch Parteipolitik geprägten Prozesses zwischen den Admiralen Keppel und Palliser (1779) erklärt. Es wäre an manchen Stellen auch hilfreich gewesen, dem Leser die Gewichtung einzelner Diskurse stärker vor Augen zu führen: So hält Lincoln im an sich sehr interessanten Kapitel über medizinische Veröffentlichungen zur Marine fest, dass die Menschen an Land wenig über die Realität des Lebens auf See wussten, ein Umstand, dem Veröffentlichungen wie etwa die des Mediziners James Lind "to some extent" abgeholfen hätten (176). Was "some extent" aber nun bedeutet, das heißt, wie weit man von einer Verbreitung dieses doch sehr spezialisierten Wissens ausgehen kann und wie oder ob es populärere Vorstellungen korrigierte, bleibt zu unscharf. Ähnliches gilt für das Kapitel über die Rolle von Frauen im öffentlichen Bild der Navy, in dem Lincoln zu Recht darauf hinweist, dass Frauen im fraglichen Zeitraum nicht nur zur See fuhren, sondern unter anderem als Autorinnen von Balladen, Gedichten und Prosa sowie als Käuferinnen von Memorabilien und Einrichtungsgegenständen mit Marinebezug eine gestalterische Rolle hatten. Der Kauf von Geschirr mit Motiven von Seeschlachten, das Tragen von Ohrringen, die Nelsons Sieg am Nil (1798) feierten, oder die Dekoration von Nelsons Haus durch Lady Hamilton transportierten zweifellos zum Teil sehr eindeutige politische Botschaften. Da Lincoln aber hier doch vergleichsweise wenige beziehungsweise späte Beispiele bringt (neben Lady Hamilton besonders Jane Austens Romane), wäre es für den Leser hilfreich gewesen, wenn die Reichweite des Materials sowie der Umstand, dass hier im Schwerpunkt das Ende des Untersuchungszeitraums abgedeckt wird, ausführlicher diskutiert worden wäre.
Dabei gelingt gerade in den ersten, längeren Kapiteln immer wieder die Verbindung von beschreibenden und analytischen Teilen, zeigt die Autorin gut auf, wie öffentliche Meinung über die Marine von Opposition wie auch Regierungsseite instrumentalisiert werden konnte. Auch private Interessengruppen nahmen gezielt Einfluss auf die Öffentlichkeit, sei es durch öffentliche Spendenaktionen oder die Errichtung von Statuen für gefallene Helden durch Händler. Dabei zeigt sich die starke Verbindung, die Flottenfragen mit dem Wohlergehen der Nation hatten, und wie sehr das Dreieck Handel - Flotte - Nation verknüpft war.
Diese Verbindung ist allerdings deutlich älter, worüber wir hier aber fast nichts erfahren. Es stellt natürlich eine gewisse Schwierigkeit dar, über einen Zeitraum zu arbeiten, dessen Vorgeschichte nicht systematisch untersucht wurde. Nachdem das Buch aufgrund von Thema und Gestaltung aber zumindest im angelsächsischen Bereich auch Laien ansprechen dürfte, stehen manche Aussagen zu isoliert. Die Kritik am stehenden Heer etwa hat in England eine lange Tradition, die dem Leser verborgen bleibt, wenn Lincoln über die Zeit nach 1815 berichtet, man habe eine Reduzierung der Armee gefordert, da diese stärker als die Flotte die Freiheit der Nation gefährde (187-188). Tatsächlich lassen sich über die Armeekritik hinaus viele der hier untersuchten Argumentationsmuster bis weit ins 17. oder sogar 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Hier und auch im politischen Kontext des späten 18. Jahrhunderts wären vertiefende Einordnungen wünschenswert. Spezialisten wiederum, die verschiedene Aspekte vertiefen wollen, könnten es die Fußnoten trotz der umfangreichen Bibliografie manchmal leichter machen (vergleiche etwa 52-55, 62 und 186-187).
Trotz dieser Kritikpunkte erschließt "Representing the Royal Navy" ein wichtiges Feld. Lincoln stellt überzeugend die Vielfältigkeit der Repräsentation der Marine dar und erliegt trotz der zu präsentierenden Materialfülle nicht der Versuchung, in eine reine Deskription abzugleiten. Ihr Buch ist nicht nur ansprechend aufgemacht, sondern auch lesbar geschrieben. Eine stärkere Kontextualisierung und eine abschließende Diskussion und Zusammenführung der im Einzelfall durchaus scharfen Beobachtungen hätten den Wert dieses letztlich wohl etwas zu kurz geratenen Buches aber erhöht.
Torsten F. Reimer