Judith Swaddling: Die Olympischen Spiele der Antike. Aus dem Englischen übersetzt von Ursula Blank-Sangmeister, Stuttgart: Reclam 2004, 200 S., 97 Abb., ISBN 978-3-15-018293-2, EUR 5,00
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Laura Nasrallah / Charalambos Bakirtzis / Steven J. Friesen (eds.): From Roman to Early Christian Thessalonike. Studies in Religion and Archaeology, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2010
Im Jahr 2004 kehrten die modernen Olympischen Spiele erstmals seit ihrer Begründung 1896 wieder in das Land zurück, in dem auch die antiken Olympien stattgefunden hatten. Dieser Umstand hat in Deutschland zu drei Ausstellungen zum antiken Sport in Bonn, Hannover und München sowie zur Publikation mehrerer Bücher zu Olympia und den antiken Olympischen Spielen geführt.
Bei dem hier zu besprechenden Band handelt es sich um die Übersetzung eines 1999 und 2004 erweiterten Begleitbandes zu einer Ausstellung, die anlässlich der Olympischen Spiele 1980 im British Museum gezeigt wurde.
Das Buch ist in zehn große Kapitel gegliedert. Das Erste ("Die Olympischen Spiele: Ort und Ursprung", 7-16) gibt einen Überblick über die Lage des Heiligtums von Olympia, über die Ursprungssagen zur Gründung der Spiele, den Charakter des Sportfestes und den Zeitpunkt seiner Abhaltung. Im zweiten Abschnitt ("Die Anlage", 17-53) folgt auf eine kurze Skizze der Zerstörung und Wiederentdeckung des Heiligtums eine erläuternde Aufzählung der wichtigsten Gebäude. Das dritte Kapitel ("Berichte und Regeln", 54-64) verbindet Informationen zu den Quellen für den antiken Sport mit einigen allgemeinen Bestimmungen der Olympischen Spiele. Hinzu kommen Ausführungen zu Frauen in Olympia und zu den zu einem anderen Zeitpunkt in Olympia abgehaltenen Mädchen-Wettläufen zu Ehren der Hera. Es folgt ein Abschnitt, der sich der medizinischen Betreuung der Athleten, ihrem Training sowie der Vorbereitung der Olympischen Spiele widmet ("Vorbereitung und Training", 65-80). Im fünften Kapitel ("Das Programm", 81-86) werden ein theoretisch denkbarer Ablaufplan der Olympischen Spiele und eine chronologische Übersicht über die Zeitpunkte der Einführung der verschiedenen Wettkampfdisziplinen präsentiert. Den größten Teil des Buches nimmt die Darstellung der bei den antiken Olympischen Spielen ausgetragenen Wettkampfdisziplinen ein ("Die Wettbewerbe", 87-143): Die verschiedenen Laufdisziplinen, der Fünfkampf, Ringen, Pankration und Boxen als gymnische Wettkämpfe, die unterschiedlichen Wagen- und Pferderennen als hippische Disziplinen. Im siebten Kapitel werden die Siegespreise und die Feiern behandelt ("Preisverleihung und Feierlichkeiten", 144-149). Den Aspekten der antiken Spiele, die der modernen Idealisierung widersprechen, wie zum Beispiel politische Propaganda und Korruption, ist ein weiterer Abschnitt gewidmet ("Politik, Skandale und Propaganda", 150-160). Die Geschichte der Olympischen Spiele in Kaiserzeit und Spätantike sowie die diversen modernen Nachahmungen sind Gegenstand des neunten Kapitels ("Tod und Wiedergeburt", 161-174).
Für die 2004 veröffentlichte Neuauflage wurde eine kurze Übersicht über die Geschichte der modernen Olympischen Spiele hinzugefügt ("Die Olympischen Spiele seit 1896", 175-186). Recht aktuelle Literaturhinweise, eine Danksagung, die Abbildungsnachweise und ein Register beschließen den Band.
Bei aller Freude über ein flüssig geschriebenes, reich illustriertes und preisgünstiges Buch überwiegt leider die Kritik. Dies umso mehr, als die begründete Kritik einer Rezension der zweiten Auflage bei der dritten Auflage und ihrer Übersetzung 2004 weitgehend unberücksichtigt geblieben ist. [1]
Zunächst sind immer noch eine Vielzahl von Detailfehlern enthalten. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Bei den Isthmischen Spielen war in der klassischen und hellenistischen Zeit der Siegeskranz nach der Überlieferung der Quellen aus getrocknetem Sellerie und nicht aus frischem, wie Swaddling schreibt (151). In Nemea bestand der Siegeskranz dagegen aus frischem Sellerie. Der Athlet namens Leukios Sohn des Leukios war - wie das Fehlen des Gentilnamens zeigt - sicher kein Römer (147, Bildunterschrift zur Abbildung von A. Rehm / R. Harder: Didyma II: Die Inschriften, 1958, Nr. 194).
Die Überarbeitung hat auch neue Fehler produziert: So ist zum Beispiel durch die Korrektur des Zerstörungsdatums des Heiligtums (6. Jahrhundert nach Christus statt 4. Jahrhundert nach Christus) offenbar das Verständnis für die Zeitangaben verloren gegangen: Im Original von 1980 hatte gestanden, Olympia sei 1400 Jahre nach der Zerstörung im 4. Jahrhundert nach Christus, nämlich 1829, wieder entdeckt worden. Nun liest man, das Heiligtum sei "etwa 400 Jahre" nach der Zerstörung im 6. Jahrhundert nach Christus, nämlich 1829, wieder gefunden worden.
Darüber hinaus hat die Übersetzung ins Deutsche zu Fehlern geführt: Bei den Ausführungen zur Palästra hatte Swaddling nicht gemeint, die Sprungwettbewerbe fänden in der Palästra statt, sondern vielmehr, dass man dort für diese trainiert habe (45). Keinen Vorwurf kann man der Übersetzerin wohl dafür machen, dass sie fälschlich den Pinienkranz, den es in Isthmia in der römischen und vielleicht auch in der archaischen Zeit zu gewinnen gab, als Fichtenkranz bezeichnet (151). Sie folgt darin einer verbreiteten, aber falschen deutschen Tradition, denn Fichten gab es im antiken Griechenland nicht.
Leider bleibt die Behandlung interessanter Fragen oft sehr an der Oberfläche: So hat Swaddling bei der Überarbeitung des Buches 1999 einen interessanten Abschnitt zur Beziehung von Sport und Medizin aufgenommen. Dass aber die Verbindung zwischen Sport und Medizin daran zu erkennen sein soll, dass Aristoteles als Sohn eines Arztes eine Liste von Olympiasiegern aufstellte (66), ist eine etwas eigenwillige Schlussfolgerung. Wenig plausibel erscheint auch die sehr wörtliche Interpretation des Nutzens der Kampfsportarten für die Kriegführung (113): Perfektion im waffenlosen Kampf war für schwer bewaffnete Fußsoldaten ziemlich nutzlos.
An einigen Stellen vermisst man auch die Berücksichtigung wichtiger Quellen oder Fragestellungen. So hätte in dem Abschnitt zu den Quellen zu Olympia (17-20) die ausführliche Beschreibung des Heiligtums durch Pausanias nicht fehlen dürfen. Im Kapitel "Berichte und Regeln" (54-64) hätte man hingegen einen Hinweis auf die Schwierigkeit erhofft, aus bildlichen Darstellungen und wenigen literarischen Hinweisen die Regeln der einzelnen Disziplinen zu rekonstruieren. Während die Lücken in den beiden vorgenannten Fällen nur ärgerlich sind, hat das Missachten des archäologischen Befundes zu einer fragwürdigen Darstellung der Frühgeschichte des Heiligtums und der Spiele geführt.
Leider ignoriert Swaddling auch die sozialgeschichtlichen Forschungsergebnisse der letzten 40 Jahre. Die alten Vorurteile über ein Berufsathletentum, die hier immer noch wiederholt werden (119; 152), waren schon in den 70er-Jahren von H. Pleket widerlegt worden. [2] Dass der Olympiasieger Koroibos ein Koch und also ein sozialer Aufsteiger gewesen sei (152), ist ein schon seit 1961 überholtes Missverständnis des Priestertitels mageiros. [3]
Als störend erweist sich auch die etwas beliebige Gliederung des Buches. Zwar hat Swaddling alle wesentlichen Aspekte der antiken Olympischen Spiele abgedeckt, doch sind oft Dinge unter einem Kapitel zusammengefasst, deren inhaltlicher Zusammenhang kaum zu erkennen ist. Ebenso versprechen manche Überschriften Inhalte, die dann im Kapitel nicht behandelt werden.
Angesichts der genannten Probleme und des veralteten Forschungsstandes muss sich der Verlag fragen lassen, warum er dieses Buch übersetzen ließ. Es ist keine geglückte Einführung zu den antiken Olympischen Spielen.
Anmerkungen:
[1] Z. Papakonstantinou: Review of J. Swaddling, The Ancient Olympic Games (2nd ed.), London 1999, in: Bryn Mawr Classical Review 00.06.24 [ http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2000/2000-06-24.html].
[2] H. W. Pleket: Zur Soziologie des antiken Sports, in: Mededelingen van het Nederlandsch historisch Instituut te Rome 36 (1974), 57-87.
[3] B. Bilinski: L'agonistica sportiva nella Grecia antiqua. Aspetti sociali e ispirazioni letterarie, Rom 1961, 47.
Jens Bartels