David H. French (ed.): The Inscriptions of Sinope. Part I: Incriptions (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien; Bd. 64), Bonn: Verlag Dr. Rudolf Habelt 2004, XVI + 178 S., 30 plates, ISBN 978-3-7749-3036-0, EUR 95,00
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Sinope, an zentraler Stelle der Nordküste Kleinasiens gelegen, war eine der bedeutendsten Städte am Schwarzen Meer. Die literarischen Quellen bezeugen eine wechselvolle Geschichte von einer unsicheren Entstehung (thessalische Kolonie, kimmerische Siedlung?) über die milesische Kolonisierung, die persische Herrschaft, die Zugehörigkeit zum Königreich Pontos und schließlich zur römischen Provinz Bithynia et Pontus bis hin zur caesarischen Kolonie. [1] Es ist daher zu begrüßen, dass mit David French ein ausgewiesener Kenner der Region nun ein Corpus der Inschriften dieser Stadt vorgelegt hat. Der Untertitel des vorliegenden Bandes lautet "Part I. Inscriptions", sodass vermutlich ein zweiter Band mit literarischen Zeugnissen und vielleicht auch einem Abriss der Geschichte der Stadt zu erwarten ist.
Nach einer Erläuterung der "Epigraphic Conventions" (X) und einer ausführlichen Bibliografie (XI-XVI) folgen 224 Inschriften und Inschriftenfragmente. French hat sie in vier chronologische Abschnitte sowie eine Abteilung für die Kleinfragmente gegliedert ("Greco-Roman Period": 74 Inschriften, "Hellenistic Period": 11, "Roman Period": 92, "Byzantine Period": 19, "Fragmentary": 28).
Unterhalb der chronologischen Ebene sind die Inschriften in absteigender Reihenfolge von der 'staatlichen' Ebene über den innerstädtisch-offiziellen Bereich bis hin zu eher privaten Texten angeordnet. Konkordanzen (155-164), lobenswert ausführliche Indizes (165-177) und 30 Tafeln mit Fotos beschließen den Band.
Die einzelnen Inschriften werden durch einen charakterisierenden Einleitungssatz sowie Angaben zu Inventar-Nummer, Fund- und Aufenthaltsort, Beschreibung, Maßen, Abschriften bzw. Abklatschen und eventuellen früheren Publikationen vorgestellt. Es folgt dann der Text, gelegentlich begleitet von einer nebenstehenden Zeichnung. Ein apparatus criticus erläutert die Lesungen und Ergänzungen. Sehr erfreulich ist, dass French sich die Mühe gemacht hat, jede Inschrift - so weit möglich - zu übersetzen und so seine Interpretation zu verdeutlichen. Den Abschluss der einzelnen Lemmata bilden eine Angabe zur Datierung sowie - falls erforderlich - ein Kommentar.
Das Spektrum der 224 Inschriften (darunter 62 unpublizierte) ist breit. Das vielleicht interessanteste Dokument aus der Frühzeit ist ein - noch unpublizierter - Bündnisvertrag der Stadt mit der Tyrannen-Familie von Herakleia, dessen gegenseitige Beistandspflicht den persischen Großkönig ausklammert (Nr. 1). Bei der Bezahlung der zur Hilfe geschickten Soldaten scheint ein Tipp- oder Rechenfehler unterlaufen zu sein: "triton hemistateron" würde ich als 1 1/2 Statere (und nicht als 2 1/2) verstehen wollen. Ebenfalls interessant ist ein - allerdings schon lange bekanntes - Kultgesetz, das die Rechte und Pflichten des Poseidon-Priesters Helikonios nannte (Nr. 8).
Unter den Inschriften der römischen Zeit fällt auf, dass Weihungen an das Kaiserhaus, abgesehen von einer Inschrift für Agrippina die Ältere (Nr. 86), nur für die Kaiser von Antoninus Pius bis Commodus belegt sind (Nr. 87-92).
Von besonderer Bedeutung sind darüber hinaus ein bereits bekanntes Edikt des Galerius und seiner Kollegen (Nr. 94), zwei Fragmente (eins davon bisher unpubliziert) einer Kopie des konstantinischen Edictum de accusationibus (Nr. 95-96), sowie ein unpubliziertes Fragment eines Briefes eines Prokonsuls(?) an Sinope (Nr. 97).
Aus byzantinischer Zeit ist die interessanteste Inschrift ein wieder entdeckter Stein, der eine unter Justinian erfolgte Grenzfestlegung bzw. -bestätigung dokumentiert (Nr. 179).
Neben den hier hervorgehobenen Texten komplettiert eine Vielzahl von durchaus sehr reizvollen griechischen wie lateinischen Ehren-, Weih- und Grabinschriften den Inschriftenbestand Sinopes.
Die Texte sind sorgfältig publiziert, auch wenn man in einigen Details, die hier nicht diskutiert zu werden brauchen, vielleicht zu anderen Lesungen oder Deutungen kommen mag. Als etwas störend habe ich den Umgang mit der Auflösung von Abkürzungen der lateinischen Inschriften empfunden. Diese werden nur gelegentlich im Inschriftentext, meist aber erst im apparatus criticus aufgelöst. Hier wäre es leserfreundlicher gewesen, diese - sofern sie nicht zu gewagt erscheinen - stets in den Text zu setzen. Gleiches gilt für die Karte, auf die häufiger verwiesen wird, die aber offenbar erst im Folgeband abgedruckt werden soll.
Abgesehen von diesen Kleinigkeiten hat French einen Band vorgelegt, der eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Geschichte Sinopes darstellen wird und für den ihm großer Dank gebührt.
Anmerkung:
[1] Zur Geschichte von Sinope und Umgebung vgl. zuletzt Christian Marek: Pontus et Bithynia. Die römischen Provinzen im Norden Kleinasiens, Mainz 2003; siehe hierzu die Rezension von Marek Olbrycht, in: in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 12, URL: http://www.sehepunkte.de/2004/12/4870.html und Owen P. Doonan: Sinop Landscapes: Exploring Connections in a Black Sea Hinterland, Philadelphia 2004. Zum Black Sea Trade Project bzw. dem Sinop Regional Survey vgl. auch http://www.museum.upenn.edu/Sinop/SinopIntro.htm.
Jens Bartels