Claudia Opitz: Aufklärung der Geschlechter, Revolution der Geschlechterordnung. Studien zur Politik- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Münster: Waxmann 2002, 216 S., ISBN 978-3-8309-1143-2, EUR 19,90
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Der Band "Aufklärung der Geschlechter" von Claudia Opitz präsentiert Ergebnisse einer zehnjährigen intensiven geschlechtergeschichtlichen Aufklärungsforschung der Autorin an den Universitäten Hamburg und Basel. In neun wieder abgedruckten und zwei Originalbeiträgen wird Geschlechtergeschichte der Aufklärung als politische Kulturgeschichte dargeboten, während "Aufklärung und Revolution als eng verbundene, aber dennoch klar unterscheidbare Phänomene auch und gerade für die 'Ordnung der Geschlechter' und deren Wandel betrachtet" werden (9). Ihre elf Beiträge unterteilt die Autorin in zwei Rubriken: Der erste Teil widmet sich der "Aufklärung der Geschlechter" (21-129), der zweite Teil wiederum verortet die "Revolution der Geschlechterordnung" (133-206).
Im aufklärerischen Diskurs über die naturgegebenen Charaktereigenschaften von Männern und Frauen und in der daraus zugeordneten Bestimmung der Geschlechter verbannte man die Frauen als passive, emotionale Wesen ins Private und ebnete zugleich den aktiven, rationalen Männern den Weg in die Öffentlichkeit. Der über diese Zuordnungen entstandene Weiblichkeitsdiskurs zur Geschlechterordnung wurde freilich überwiegend von Männern getragen. So erstaunt auch nicht, dass sich Claudia Opitz in ihrem ersten Teil, der hauptsächlich die politischen Diskurse der Aufklärung und die institutionellen Wandlungsprozesse vor und während der Französischen Revolution mit Blick auf die Geschlechterverhältnisse beleuchtet, vorwiegend den französischen 'Meisterdenkern' widmet. Als Quellenbasis des ersten Teils über "Aufklärung der Geschlechter" analysiert die Autorin publizierte Schriften bekannter Autoren auf deren geschlechtsspezifische Aussagekraft hin. In diesem Zusammenhang untersucht sie von Charles de Montesquieu die staats- und kulturphilosophische Schrift "Vom Geist der Gesetze" (1748), die heute noch zu den bedeutendsten staatstheoretischen Abhandlungen zählt. Die Schriften von Jean-Jacques Rousseau und die "geschlechtsspezifische[n] Schreib-, Rezeptions- und Wirkungsmöglichkeiten"(108) seiner Werke werden von Opitz im Originalbeitrag "Grenzen der Freiheit. Zur Entstehung und Wirkung von Rousseaus Ideen zur Geschlechterordnung" (108-129) und ebenso kursorisch in einigen ihrer weiteren Aufsätze in diesem Band beleuchtet, wobei insbesondere für die bisherige Rezeptionsgeschichte, die Rousseau als 'Antifeministen' deklarierte, neue Denkanstöße bereitgestellt werden.
Claudia Opitz interessiert in einem weiteren Beitrag des ersten Teils ihres Bandes insbesondere auch die traditionelle Vatermacht, die sie von der Frühen Neuzeit bis in die Zeit um 1800 skizziert. Sie verbindet dabei die Frage nach dem "Wandel der Vaterrolle in der Aufklärung" (21-38) mit der "Mutterschaft und weibliche[n] (Un)Gleichheit" (39-59). Obwohl auch im beginnenden 19. Jahrhundert die väterliche Vorherrschaft innerhalb der Familie erhalten blieb und vor allem die neuen rechtlichen Bestimmungen des Code civil in Frankreich sie dauerhaft zementierten, weist Opitz einen Wandel in der Vaterrolle in der Zeit der Aufklärung nach. Zur gleichen Zeit stellt sie aber auch einen Wandel der Mutterschaft fest, der diese zum zentralen Element für die Ausprägung einer neuen Geschlechterordnung machte und über die Aufgabe der Erziehung des zukünftigen Geschlechts den Weg für Frauen in die (politische) Öffentlichkeit ebnete.
Mit der Analyse von Montesquieus im Jahre 1721 erschienenen "Perserbriefen" (74-91) und Lady Mary Wortley Montagus "Briefen aus dem Orient" (92-107), in denen die junge Aristokratin ihre im Jahre 1716 zurückgelegte Reise nach Konstantinopel schildert, zeigt Opitz in zwei weiteren Beiträgen die unterschiedlichen Sichtweisen von Männern und Frauen anhand eines Kulturvergleichs (das Familienleben und die Bedeutung des Harems in orientalischen Gesellschaften).
In den fünf Aufsätzen des zweiten Teils beleuchtet Claudia Opitz das facettenreiche Frauenleben während der Französischen Revolution, in der Frauen verschiedener gesellschaftlicher Schichten - auf der einen Seite die Salonnièren und Journalistinnen, auf der anderen die stadtbürgerlichen Händlerinnen und Sansculottinnen - selbstbewusst ihre Rechte artikulierten. Dabei versteht sie die Französische Revolution als "Prozess vielfältiger Differenzierungen und Positionierungen von Männern und Frauen verschiedener Schichten und Provenienz" (14). In Abhängigkeit von Familienstand, Schicht und Konfession zeigt Opitz unterschiedliche Politisierungsmöglichkeiten von Frauen auf: Sie nutzten einerseits männlich geprägte Aktions- und Kommunikationsformen und prägten andererseits neue Formen weiblicher Handlungsrepertoires, wie die Gründung von Frauenclubs und Zeitschriften oder Aktionsformen wie den bekannten Zug der Marktweiber nach Versailles. Ausführlich widmet sich die Autorin der am 26. August 1789 in Frankreich erlassenen "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" und zeichnet nach, wie es zum "Ausschluss der Frauen aus dem neuen, 'bürgerlichen' Staatswesen und den Bürgerrechten kommen konnte" (147). In diesem Kontext geht sie ausführlich auf die Feministin Olympe de Gouges ein, die den Versuch unternahm, weibliche Rechte verfassungsmäßig zu verankern, und der "Declaration des droits de l`homme" im Jahre 1791 ihre Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin gegenüber stellte.
Auch die Männersicht auf die Frauen der Revolutionszeit fehlt in Claudia Opitz' Band nicht. Über die Analyse der "Révolutions de Paris", eine der meistgelesenen französischen Zeitungen der Revolutionszeit, kann sie deren Herausgeber Louis-Marie Prudhomme als "Antifeministen" ausweisen, dessen negative Kommentare zur Frauenbeteiligung an der Französischen Revolution sie schlüssig auf den Punkt bringt: "Frauen sind das a-politische, nicht öffentliche, das 'familiäre' Geschlecht gewissermaßen, das mit aller Kraft versuchen muss, den ihm von der Natur aufgebürdeten Normen und Gesetzten zu entsprechen" (166).
Es ist sicherlich kein leichtes Unterfangen, Artikel aus den Jahren 1989 bis 2000 in einem Buch zu vereinen. Obwohl ein solches Zusammenfügen unweigerlich inhaltliche Überschneidungen und Wiederholungen mit sich bringt, ist es der Autorin dennoch gelungen, ihre Einzelbeiträge zu einem schlüssigen Ganzen zu verbinden. Der Band "Aufklärung der Geschlechter" zeichnet nicht nur ein facettenreiches Bild von der Aufklärungs- und Revolutionszeit in Frankreich nach, sondern stellt zugleich auch eine kompakte Einführung zu diesen Themen unter geschlechterhistorischer Perspektive bereit. Dem Band ist eine breite Rezeption auch über den Kreis der Fachkolleginnen und -kollegen hinaus zu wünschen.
Ramona Myrrhe