Enno Eimers: Preußen und die USA 1850 bis 1867. Transatlantische Wechselwirkungen (= Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; Bd. 28), Berlin: Duncker & Humblot 2004, 678 S., ISBN 978-3-428-11577-8, EUR 86,00
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Um die Jahreswende 1860/61 zerbrach die amerikanische Union an der Frage der Sklaverei. Noch bevor der im November 1860 neu gewählte Präsident Abraham Lincoln sein Amt antreten konnte, hatte sich eine Reihe von südlichen Bundesstaaten für unabhängig erklärt. Aus der amerikanischen Hauptstadt Washington berichtete der preußische Gesandte Friedrich von Gerolt über diese Ereignisse nach Berlin. Gerolt kritisierte Lincolns Vorgänger James Buchanan, weil er den Sezessionsbestrebungen des Südens tatenlos zugesehen habe, "anstatt sich mit aller Energie gegen diejenigen Staaten zu erklären, welche, ohne irgendwelche Versöhnungsversuche abzuwarten, entschlossen sind, das Land der Union zu zerreißen." Diese Haltung Buchanans bilde einen "traurigen Kontrast gegen die energische Haltung, welche der frühere Präsident Andrew Jackson im Jahr 1832 unter ähnlichen Verhältnissen gegen Süd-Carolina behauptet und die Ausscheidung jenes Staates aus der Union verhindert hat" (434 f.).
Die Aufzeichnungen und Briefe Friedrich von Gerolts aus Amerika - sowie ähnliche Analysen amerikanischer Gesandter wie Daniel Barnard aus Berlin und Samuel Ricker aus Frankfurt am Main über die deutsche Politik - sind die zentrale Quelle der Studie von Eimers zu den preußisch-amerikanischen Beziehungen Mitte des 19. Jahrhunderts. Gerolt ist der bis heute am längsten in den USA amtierende deutsche Diplomat. Er war zunächst von 1829 bis 1844 am Generalkonsulat in Mexiko tätig gewesen, bis er im September 1844 "Königlich Preußischer Ministerresident bei den Vereinigten Staaten von Nordamerika" wurde. Er hatte dieses Amt, das 1854 zur Gesandtschaft aufgewertet wurde, mit einer kurzen Unterbrechung bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Ende des Jahres 1871 inne. Gerolt traf in dieser Zeit mit führenden Politikern Amerikas wie Lincoln und Außenminister William H. Seward zusammen und erwarb einen bemerkenswerten Schatz an Kenntnissen und Erfahrungen, die sich in seinen Schriften niederschlugen.
In den ersten Jahren der Tätigkeit Gerolts in Amerika waren die gegenseitigen preußisch-amerikanischen Beziehungen weder für Washington noch für Berlin von herausragendem Interesse. Trotz des bereits 1785 geschlossenen Freundschafts- und Handelsvertrages war das Verhältnis zwischen Berlin und Washington bis weit ins 19. Jahrhundert hinein "distanziert" geblieben, so Eimers. Dieser Distanz sei es jedoch zu verdanken gewesen, dass es keine grundlegenden Konflikte zwischen beiden Staaten gegeben habe. So sei es Preußen nicht schwer gefallen, den in der Monroe-Doktrin von 1823 formulierten Anspruch der USA auf politische Vorherrschaft in der westlichen Hemisphäre anzuerkennen. Reichskanzler Otto von Bismarck formulierte noch im Dezember 1871: "[W]ir erkennen in betreff des ganzen Kontinents den vorwiegenden Einfluß der Vereinigten Staaten als in der Natur der Dinge begründet und unseren Interessen am meisten zusagend an" (639 f.). Dem relativen Desinteresse Preußens an den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten entsprach in den 1850er-Jahren eine Konzentration der USA auf die innere Entwicklung des Landes, einschließlich der Frage der Zukunft der Sklaverei und der Expansion nach Westen.
Die Berichterstattung Gerolts, Barnards und Rickers aus den 1850er-Jahren spiegelt die Bandbreite der Tätigkeit eines Diplomaten der damaligen Zeit wider. Es ging um die große Politik wie den Krimkrieg, die vermeintliche Verunglimpfung des eigenen Landes in der Presse jenseits des Atlantiks und das Problem der Wehrpflicht von naturalisierten US-Bürgern in den Staaten des Deutschen Bundes, die ohne Genehmigung aus Deutschland ausgewandert waren. Vor allem ließen Gerolts Berichte jedoch keinen Zweifel an der stetig zunehmenden weltpolitischen Bedeutung der USA.
Mit der Sezession der Südstaaten und dem Beginn des Bürgerkrieges im April 1861 kam ein weiteres Element der Berichterstattung hinzu. Nordamerikanische Politiker waren besorgt, dass europäische Mächte wie England, Frankreich, Russland und Preußen die Konföderierten Staaten des Südens anerkennen und militärisch unterstützen könnten. Die Regierungen in London und Paris diskutierten die Möglichkeit einer diplomatischen Anerkennung der Konföderation in der Tat mit einer gewissen Sympathie. Es ging dabei nicht zuletzt um eine nachhaltige Schwächung der aufstrebenden Macht Amerika. Aus Paris berichtete Botschaftssekretär Prinz Reuß nach Berlin, dass Napoleon III. eine Teilung der Vereinigten Staaten nicht unlieb sei, weil diese in jüngster Zeit angefangen hätten, sich in europäische Angelegenheiten einzumischen. Es könne den Europäern nur angenehm sein, eine immer mehr heranwachsende transatlantische Macht geteilt und dadurch geschwächt zu sehen. London und Paris verwarfen solche Pläne jedoch schließlich aus pragmatischen Gründen. So lange nicht feststand, dass der Süden seine Unabhängigkeit militärisch verteidigen könne, war eine diplomatische Anerkennung der Konföderierten, die zwangsläufig zu einem Antagonismus mit den USA führen würde, zu gefährlich.
Die preußische Regierung machte Gerolt hingegen unmittelbar nach Ausbruch des Krieges 1861 deutlich, dass nicht an eine Anerkennung der "sogenannten conföderierten Staaten" gedacht sei (441). Eimers weist darauf hin, dass nicht wenige deutsche und amerikanische Zeitgenossen Parallelen sahen zwischen dem Krieg in Amerika und der Situation in Deutschland. So habe der amerikanische Generalkonsul in Frankfurt bemerkt, dass ein Sieg des Nordens die Patrioten in Deutschland ermuntern würde. Im "Kladderadatsch" erschien im Dezember 1861 eine Karikatur, die auf den abnehmenden amerikanischen Baumwollhandel im Bürgerkrieg zielte. Nord und Süd bekämpften sich gegenseitig im Geschäft der Gebrüder Jonathan. "Da geht wieder ein schönes Geschäft durch Uneinigkeit zugrunde", so die Unterzeile. "Mein Sohn Michel, nimm dir ein Beispiel dran."
Eimers Untersuchung hält sich eng an die Quellengattung der diplomatischen Korrespondenz. Er beantwortet damit Fragen, auf die preußische und amerikanische Politiker und Konsuln Mitte des 19. Jahrhunderts Antworten gegeben haben. Der Erkenntnisgewinn für den heutigen Leser ist ein zweifacher. Erstens erfahren wir minuziös die Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen Preußen und den USA vom Krimkrieg bis zum Bürgerkrieg. Von besonderem Interesse erscheinen dabei die Ausführungen über die deutsche Auswanderung und den aufkommenden amerikanischen Nativismus in den 1850er-Jahren. So schrieb der amerikanische Konsul Ricker Ende der Fünfzigerjahre, dass immer mehr Deutsche über Fremdenfeindlichkeit berichteten, die sie in den Vereinigten Staaten erlebt hätten. Das hätte bereits deutliche Auswirkungen auf die Bereitschaft zur Umsiedlung nach Amerika gehabt. Für den Zeitraum 1855 bis 1859 habe die deutsche Einwanderung in die USA nur noch fünfzig Prozent der Immigration der Jahre 1850 bis 1854 betragen. Seien 1854 noch knapp 180.000 Deutsche nach New York gekommen, waren es 1859 weniger als 30.000 (387).
Zweitens erfährt der Leser manches über das Leben der Diplomaten in Amerika. So stimmte Gerolt in den von vielen europäischen Gesandten des 18. und 19. Jahrhunderts angestimmten Klagegesang über das langweilige Leben in Washington ein und bedauerte die "Entbehrung fast aller Lebensgenüsse, welche Künste und Wissenschaften sowie eine höhere gesellige Bildung in anderen großen Städten darbieten" (23).
An dieser Stelle ist jedoch auch auf die Beschränkung hinzuweisen, die die Betonung der Quellengattung "diplomatische Korrespondenz" für eine Untersuchung mit sich bringt: Der moderne Historiker stellt zum Teil andere Fragen als der Zeitgenosse und insbesondere der zeitgenössische Diplomat. Im Mittelpunkt der Darstellung von Eimers steht die große Politik. Von der gegenseitigen Wahrnehmung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme des anderen Staates erfahren wir über die amerikanische Fremdenfeindlichkeit der 1850er-Jahre hinaus wenig. Insbesondere die Sklaverei taucht nur indirekt im Zusammenhang mit der Sezession des Südens, nicht jedoch als gesellschaftliches Problem an sich auf. Was dachte Gerolt, und was dachten die Deutschen über die amerikanische Sklaverei Mitte des 19. Jahrhunderts? Wie sahen Amerikaner die Monarchie in Preußen? Jenseits dieser Einschränkung hat der Verfasser auf Grundlage intensiver Archivarbeit jedoch eine mustergültige Untersuchung angefertigt, der hoffentlich eine Studie über die Zeit nach 1867 folgen wird.
Georg Schild