Robert Rebitsch: Rupert von der Pfalz (1619-1682). Ein deutscher Fürstensohn im Dienst der Stuarts (= Innsbrucker Historische Studien; Beiheft 1), Innsbruck: StudienVerlag 2005, 173 S., ISBN 978-3-7065-4143-5, EUR 19,90
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Etwas hochmütig wirkt der Blick des Mannes in der Hofkleidung eines Ritters des Hosenbandordens, der auf dem Umschlag dem Leser entgegenschaut. Es ist eines der vielen Gemälde, die Prinz Ruprecht von der Pfalz darstellen. Sein Biograph Patrick Morrah hat gesagt, er sei einer der meistgemalten Männer seiner Zeit gewesen. Das zeigt, welch hohen Bekanntheitsgrad Ruprecht bei seinen Zeitgenossen besessen hat. In der englischen Historiographie kehrt Ruprechts Name als Prince Rupert nicht allein in Monographien über die Bürgerkriegs- und Restaurationsjahre immer wieder, sondern es sind auch eine Anzahl von Biographien über ihn veröffentlicht worden; unter den neuen ist besonders auf die Arbeite von Patrick Morrah (1976) und Frank Kitson (1994/98) zu verweisen. Dagegen hat es knapp 100 Jahre gedauert, bis wieder eine deutschsprachige Biographie des Prinzen Ruprecht von der Pfalz erschienen ist. Der historistischen Arbeit Karl Haucks (1906), die im Schatten seiner Arbeit über Ruprechts Bruder Karl Ludwig (1903) entstanden ist, folgt nun die Studie von Robert Rebitsch, der nach einem knappen Bericht über den Forschungsstand das Leben des Prinzen - bei ihm häufig Pfalzgraf oder auch Pfälzer genannt - darstellt.
Ruprecht, der dritte Sohn Elisabeth Stuarts und des "Winterkönigs", hatte sich schon als Jugendlicher militärisch hervorgetan und war 1638 in kaiserliche Gefangenschaft geraten. Nach zweijähriger Haft ging er zu seinem Onkel, Karl I. von England und wurde dessen fähigster General - zeitweise als eigentlicher Oberkommandierender - im Englischen Bürgerkrieg. Nach ersten Erfolgen änderte sich die royalistische Situation durch die Schlacht von Marston Moor (1644) völlig, und die von Rupert durchgeführte durchaus ehrenvolle Kapitulation von Bristol (1645) besiegelte faktisch die Niederlage Karls I. im Bürgerkrieg. Während die zahlreichen bisherigen englischen Biographien Ruperts - Ausnahmen stellen die Arbeiten Kitsons und in Teilen Morrahs dar - mit großer Ausführlichkeit auf Ruperts Rolle im Englischen Bürgerkrieg eingehen und die weiteren Jahrzehnte kursorisch behandeln, setzt Rebitsch seinen Schwerpunkt in den folgenden Jahren, in denen Rupert die royalistische Flotte befehligte und - es gab ein Zwischenspiel auf dem Kontinent - nach der Restauration als Admiral unter Karl II. sich an der Organisation der Kriegsflotte beteiligte. Der Verfasser gewichtet damit vorrangig die Lebensjahre, die Ruprecht zu See im Dienst des Hauses Stuart verbracht hat.
Ein Verdienst dieser Arbeit ist zweifellos, dass sich der Verfasser um große Objektivität bemüht, d.h. er verfällt nicht einer unkritischen Bewunderung seines Protagonisten und beschönigt dessen Fehlentscheidungen und militärische Niederlagen nicht. Er verlässt sich nicht auf die letzten größeren englischen Untersuchungen, sondern ist selbst noch einmal in die Archive - nicht nur in England, sondern auch in Wien, im Vatikan und in Leitmeritz - gegangen, hat erneut gedruckte Quellen aufgeschlagen und in größerem Umfang neue Literatur insbesondere zur englischen und niederländischen Geschichte mit einem Schwerpunkt in der Seekriegsgeschichte herangezogen. Damit ist eine wesentliche Richtung dieser Arbeit angesprochen. Doch wäre durchaus angebracht gewesen, darauf hinzuweisen, dass der Verfasser damit auf seine Innsbrucker Diplom-Arbeit (1996) zurückgegriffen hat, die Ruperts Jahren im Dienst Karls II. gewidmet war.
Zweifellos ist die vorliegende Arbeit von den Fakten her zuverlässig, und auch den Interpretationen des Verhaltens Ruperts wird man folgen dürfen. Der Militärhistoriker wird freilich eine gründlichere Auseinandersetzung mit der Arbeit Kitsons vermissen, der dazu neigt, Rupert zu verherrlichen. Inwieweit ist der zeitgenössische Vorwurf berechtigt, Rupert habe im Bürgerkrieg kontinentale Grausamkeiten nach England gebracht? War er zu hitzköpfig, und besaß er nicht genügend Autorität bei seinen Untergebenen? Hat er die Reiterei als liniendurchbrechende Waffe selbst neu geformt oder sie schwedischem Vorbild nachempfunden? Inwieweit hat er Erfahrungen des Angriffs im Landkrieg in den Seekriegen mit den Niederlanden wieder genutzt? Trug er wirklich Schuld an Niederlagen in Seeschlachten mit den Niederländern? Was bedeutet seine Organisationstätigkeit in der Flotte im Vergleich mit der des Herzogs von York? Was ergibt ein Vergleich englischer und kontinentaler Kriegführung zu Lande und zu Wasser im Wandel der Jahrzehnte von 1640 bis 1680? Rebitsch berichtet vom Geschehen und vermeidet eine eingehende Analyse.
Die Konzentration des Verfassers auf die Jahre Ruperts als "General-at-sea" hat die Konsequenz, dass keine rechte Spannung für den bemerkenswerten Lebensweg dieses Mannes aufkommt, der zu seiner Zeit auf Grund seines abenteuerlichen Lebensweges eine der bekanntesten Persönlichkeiten als Reitergeneral, royalistischer Kaperer und Admiral gewesen ist. Hierher gehören außerdem einerseits die Spannungen mit der eigenen Familie, vor allem der ausufernde Streit mit dem kurfürstlichen Bruder Karl Ludwig und, trotz seiner Kontakte zu den frühen Whigs, die außerordentliche Loyalität gegenüber dem Haus Stuart: Rupert gehörte - lange Zeit an zweiter Stelle in der Reihe der Thronfolger! - zu den ranghöchsten Pairs von England. Erwünscht gewesen wäre eine eingehende Behandlung Ruperts als talentiertem naturwissenschaftlichen und künstlerischen Dilettanten, der auf Grund seiner eigenen Leistungen Mitglied der Royal Academy geworden ist. Ferner jagte Rupert, von seinem undurchsichtigen Sekretär Hayes unterstützt, materieller Sicherheit nach, wobei er auch den Großen Kurfürsten vor brandenburgischen Kolonialbestrebungen in Afrika warnte. Er war zudem erster Gouverneur der Hudson Bay Company. Rupert scheint - wenn man dem Tagebuch Samuel Pepys folgt - in den 1660er und 1670er Jahren als ein Griesgram gewirkt zu haben, der jedoch in der Hofgesellschaft und am Theater noch immer Verehrerinnen fand wie früher etwa am französischen Hof. Man kann entsprechende Hinweise in der Arbeit Rebitschs finden, aber sie bleiben vorsichtige Skizzierungen, die dem Gemälde auf dem Umschlag nicht entsprechen.
Diese Arbeit ist ordentlich und brav, aber sprachlich fehlt ihr trotz Modernismen ("shooting star am Hof Karls I.") wirklicher Schwung, der zu erneutem Lesen und zur Vertiefung anregt. Es ist zu fragen - und kann im Rahmen einer Rezension nicht beantwortet werden -, weshalb gerade im englischen Sprachraum geschriebene Biographien lebendig und nicht akademisch-trocken wirken und dennoch wissenschaftlichen Ansprüchen voll genügen. Wäre es zuviel gewesen, die eine oder andere Anekdote einzuflechten, die eine oder andere Episode wie etwa das fatale Bemühen um Luise von Degenfeld und die Verbannung aus Heidelberg ausführlicher einzublenden oder mit mehr Gründlichkeit, weil aus zeitgenössischer sozialer und politischer Distanzierung erwachsen, Samuel Pepys' Kritik am Prinzen aufzuzeigen? Wie ist die Faszination einer historischen Persönlichkeit aus der zweiten Reihe des 17. Jahrhunderts zu erklären, so dass von ihr ausgehend das politische und militärische Zeitgeschehen und die höfisch-soziale Umwelt beleuchtet werden könnten? Rebitsch bietet schlichte Hausmannskost ohne die durchaus mögliche und erwünschte Verfeinerung und Raffinesse.
Martin Vogt