Jean-Christophe Couvenhes / Henri-Louis Fernoux: Les Cités grecques et la guerre en Asie Mineure à l'époque hellénistique (= Collection Perspectives Historiques; 7), Tours: Presses Universitaires François-Rabelais 2004, 276 S., ISBN 978-2-86906-182-8, EUR 28,00
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Der vorliegende Sammelband enthält sieben Abhandlungen, die aus Vorträgen eines eintägigen Kolloquiums hervorgegangen sind und durch eine Einleitung und Schlussbemerkungen ergänzt werden. Wie in der Einleitung von Pierre Ducrey (17-20) ausgeführt wird, stand die Tagung in der Tradition von Kolloquien über soziologische Aspekte des Krieges im antiken Griechenland und hatte zum Ziel, die Rolle der Städte in den kriegerischen Auseinandersetzungen im hellenistischen Kleinasien zu beleuchten. Ein Überblick über die bisherige Forschung zum Krieg in der Antike und damit verbundenen Themen ergibt, dass entsprechende Untersuchungen für die hellenistische Zeit und aus anderen Gebieten als Griechenland bisher weitgehend fehlten. Deshalb wendet man sich hier dem hellenistischen Kleinasien zu.
Patrice Brun behandelt den Aristonikos-Krieg (21-54); er stützt sich auf die verhältnismäßig reiche epigrafische Überlieferung, da die literarischen Quellen erst nach den Ereignissen abgefasst wurden, oft einseitig und weniger vertrauenswürdig seien. Brun betont, dass Aristonikos keine soziale Revolution beabsichtigte und Sklaven nur aus Not in sein Heer aufnahm; ein Sklavenheer sei nur in griechischen Quellen erwähnt. Aus den herangezogenen Inschriften schließt er, dass die Städte aus eigener Kraft verteidigungsfähig waren. Während die Motive der Städte, die (meist freiwillig und nicht aus Angst) die Römer unterstützten, klar sind (Verteidigung der durch das Testament Attalos' III. gewonnenen Freiheit), sind die sicherlich nicht einheitlichen Gründe für die entgegengesetzte Haltung nur schwer zu finden. Insgesamt findet Brun in der Stellung der Städte nur graduelle Unterschiede zwischen der klassischen und der hellenistischen Zeit; es könne keine Rede von mangelnder Verteidigungsbereitschaft oder nur passivem Verhalten der Städte sein.
Andrzej Chankowski (55-76) untersucht die Frage, ob die Ephebie auch in der hellenistischen Periode noch ernsthaft praktiziert oder nur noch aus ideologisch-traditionellen Gründen aufrechterhalten wurde, Form und Sinn aber verloren gegangen waren. Nach Sichtung der sich gegenseitig ergänzenden epigrafischen Quellen aus verschiedenen Gebieten ergibt sich, trotz einiger offen bleibender Fragen, ein einheitliches System, das darauf hindeutet, dass die militärische Ausbildung im hellenistischen Gymnasium keinen Niedergang erlebt hat. Die große Bedeutung der Ephebie für die Ideologie der an der Autonomie festhaltenden Stadt steht nicht im Widerspruch zu ihrer praktischen Wichtigkeit.
Die neben den Bürgersoldaten herangezogenen Söldner sind das Thema des Beitrages von Jean-Christophe Couvenhes (77-113). Er bemerkt, dass es aufgrund der nicht eindeutigen griechischen Terminologie oft schwierig ist, Söldner- von Bürgerheeren zu unterscheiden; und wenn es sich in einem gegebenen Fall sicher um Söldner handelt, zeigt meist nur der Kontext, ob es königliche oder städtische Söldner sind. In den Städten blieben die Söldner fast immer Fremdkörper, und, anders als in Ägypten, sind in Kleinasien Ehen zwischen ihnen und Bürgertöchtern nur selten belegt; auch Bürgerrechtsverleihungen scheinen nicht häufig gewesen zu sein (vgl. dazu auch den Beitrag von Guy Labarre). Schließlich stellt Couvenhes fest, dass das Söldnerwesen nicht schon im 2. Jahrhundert unter dem Einfluss Roms, sondern erst nach den Mithridatischen Kriegen ein Ende gefunden habe.
Anhand von 29 im Anhang zitierten Inschriften untersucht Henri-Louis Fernoux die zwischen hellenistischen Städten Kleinasiens geschlossenen Verteidigungsbündnisse (115-176). Er wendet sich gegen die landläufige Meinung, dass die Städte zu schwach waren, um den Königen Widerstand zu leisten, weist aber andererseits darauf hin, dass man in dieser Hinsicht zwischen freien und abhängigen Gemeinwesen unterscheiden müsse. Das gelte hingegen nicht für die am Vertragsschluss beteiligten städtischen Einrichtungen, die benutzten Klauseln und die Art der Verträge. Dies führt auch ihn zu dem Schluss, dass die Handlungsfähigkeit der hellenistischen Stadt gegenüber der klassischen Zeit nicht wesentlich nachgelassen habe.
Mit derselben Frage, aber unter den Gesichtspunkten der Topografie und der Militärarchitektur von Pergamon, beschäftigt sich Markus Kohl (177-198). Nach einem kurzen Überblick über die verteidigungsstrategische Lage der Stadt und die Entwicklung der Stadtbefestigung folgt eine Untersuchung der literarischen und archäologischen Quellen zu den bezeugten Belagerungen (durch Philipp V., Antiochos III. und Prusias II.). Diese sind im archäologischen Kontext, z. B. durch Ausbesserungen und Verstärkungen von Mauern, oft nachzuweisen, aber im Einzelnen schwer genauer zu datieren. Auch eine weitere Frage muss mangels aussagekräftiger Quellen offen bleiben, nämlich diejenige nach einer Beteiligung der Bürger an den Kosten für die Verteidigungssysteme (z. B. durch Steuern); die häufige Nennung der Attaliden in entsprechenden Inschriften legt den Schluss nahe, dass die Könige zumindest beteiligt waren.
John Ma unterzieht kleinasiatische Grabreliefs und -epigramme einer kulturhistorischen Untersuchung, mit der er, im Vergleich mit Griechenland, die Frage zu beantworten sucht, ob sich in ihnen ein Niederschlag militärischer Einstellungen und Aktivitäten erkennen lässt (199-220). Nach einer Einführung in die angewandte Methode (199-205) führen ihn die ausgewählten Beispiele zu folgenden Ergebnissen: Die Rolle der "militärischen Kultur" im Leben der Städte ist schwer zu greifen und weder regional noch chronologisch zu verallgemeinern. So ist z. B. in Ionien keine "militärische Kultur" feststellbar, wohl aber in Kyzikos, Knidos, Byzantion, in Pisidien (v. a. in Sagalassos) und der Kibyratis sowie auf den vorgelagerten Inseln Rhodos und Kos. Es ist nicht überraschend, dass militärische Motive in Städten bzw. Regionen mit einer expansiven Politik häufig sind (auffallenderweise nicht jedoch in Milet); dennoch soll mit ihrer Konzentration auf die Verteidigung offenbar der Eindruck erweckt werden, als habe der Verstorbene sein Leben für die Sicherheit der Heimat geopfert.
Die Verteidigung des Territoriums bzw. die Sicherung unterworfener Städte durch Festungen und die Rolle ihrer Kommandanten (Phrurarchen) wird von Guy Labarre behandelt (221-248). Er untersucht anhand ausgewählter Beispiele die offenbar systematische Verteilung der Festungen auf dem Territorium und ihre Aufgaben. Zu den Letzteren gehörte nicht nur die Sicherung gegen äußere Feinde, sondern auch die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung auf dem Land. Von ihnen konnten jedoch auch Gefahren ausgehen. So musste z. B. verhindert werden, dass die Festungen als Stütz- oder Ausgangspunkte von aufständischen Parteien innerhalb der Stadt missbraucht wurden. Umgekehrt begegnete man der Gefahr, dass die Festungen in die Hände von Söldnern fielen, dadurch, dass man als Besatzung nur Bürger zuließ; das wiederum führte zur Einbürgerung von Söldnern, die aber erst nach einer bestimmten Frist in den Festungen Dienst tun durften. Die Bürger waren also auch noch in der hellenistischen Zeit hauptsächlich selbst für die Verteidigung ihrer Heimat verantwortlich. Die wichtige Stellung des Festungskommandanten durften nur zuverlässige, d. h. reiche Bürger einnehmen, denen u. a. durch eine kurze Amtsdauer die Möglichkeit des Missbrauchs genommen wurde.
Zusammenfassend stellt Maurice Sartre fest, dass in der hellenistischen Epoche die Bürger der Polis, auch wenn diese einen großen Teil ihrer früheren Freiheit verloren hatte, weiterhin eine wichtige Rolle spielten und die Städte gegenüber den Territorialreichen weniger an Bedeutung verloren hatten, als oft angenommen wird (249-255). Damit ist der Sammelband, auch wenn er nicht immer mit neuen und überraschenden Ergebnisse aufwartet, ein wichtiger Beitrag zu einer in Teilen offenbar immer noch verkannten Epoche, und er zeigt eindrücklich, dass durch archäologische und epigrafische Quellen beachtliche Fortschritte erzielt werden können.
Thomas Corsten