Rezension über:

Susanne Winter (a cura di): Donne a Venezia. Vicende Femminili fra Trecento e Settecento (= Venetiana; 1), Rom: Edizioni di Storia e Letteratura 2004, VIII + 223 S., ISBN 978-88-8498-163-9, EUR 21,00
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Rezension von:
Carolin Wirtz
Universitäts- und Landesbibliothek, Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Carolin Wirtz: Rezension von: Susanne Winter (a cura di): Donne a Venezia. Vicende Femminili fra Trecento e Settecento, Rom: Edizioni di Storia e Letteratura 2004, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 9 [15.09.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/09/5962.html


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Susanne Winter (a cura di): Donne a Venezia

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Mit dieser Aufsatzsammlung erscheint nach längerer Pause wieder eine Publikation des Deutschen Studienzentrums in Venedig. Der Sammelband repräsentiert mit seinen Themenbereichen die Interdisziplinarität dieser Forschungseinrichtung, die Stipendien vergibt, welche Forschenden Studien zu den unterschiedlichsten Bereichen der venezianischen Kultur und Geschichte ermöglichen.

Die Aufsätze wurden ursprünglich als öffentliche Vorträge im Deutschen Studienzentrum in den Jahren 2001 und 2002 gehalten. Diese von der Einrichtung über die Jahre gepflegte Tradition soll der venezianischen Öffentlichkeit zeigen, worüber die Wissenschaftler arbeiten, die das Haus als Stipendiaten bewohnen oder die dort zu Gast waren. Es wird damit angestrebt, ein Teil des kulturellen Lebens innerhalb der Stadt Venedig zu bilden.

Dieser Band beinhaltet die Beiträge einer Vortragsreihe, in der die unterschiedlichsten Facetten des Lebens der Frauen vom Spätmittelalter bis zum Ende der Republik Venedig beleuchtet werden. Die Beiträge zeigen sowohl das Leben verschiedener Gruppen von Frauen, wie etwa Patrizierinnen, Waisenmädchen oder bürgerliche Frauen, als auch herausragende Einzelpersönlichkeiten, wie Dichterinnen, Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen. Neben der Stellung der Frauen verschiedener Schichten im sozialen Leben der Stadt wird auch die Rolle von Einzelpersonen bei der Vermittlung kultureller Einflüsse untersucht.

Die Beiträge von Linda Guzzetti und Volker Hunneke untersuchen sozial- und rechtshistorische Aspekte im Leben venezianischer Frauen des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Linda Guzzetti behandelt im Schwerpunkt das 14. Jahrhundert, weitet den Blick aber auch in das 13. und das 15. Jahrhundert aus. Sie schildert die soziale und rechtliche Stellung der bürgerlichen Frauen dieser Zeit, die geprägt war von der Diskrepanz zwischen ihrer Stellung im Haus und der im öffentlichen Raum. Dabei scheint sich allerdings zunächst die venezianische Situation nicht von derjenigen in anderen italienischen Städten dieser Zeit zu unterscheiden. Zumindest einige vergleichende Hinweise auf Parallelen oder Unterschiede wären auch im Rahmen eines Aufsatzes möglich gewesen und hätten die Situation weiter erhellt. Anhand von Testamenten und Gerichtsakten untersucht die Autorin die rechtliche Stellung von Frauen, insbesondere was Erbschaften, Mitgiften und den Besitz verheirateter Frauen angeht. Allerdings geht sie nicht auf die spezifischen Eigenheiten des venezianischen Notariatswesens ein, worin sich Erklärungen für einige Phänomene hätten finden lassen können. Hier wäre ein Hinweis auf die Studie von Anna Maria Pedani Fabris [1] zumindest hilfreich gewesen. In diesem Beitrag finden sich neue Beobachtungen zu Frauen als Handwerkerinnen, zum Beispiel als Weberinnen oder in der Herstellung von Glassteinen für Schmuck (16), allerdings entsteht ein wenig Verwirrung, weil die lateinischen und italienischen / volkssprachlichen Bezeichnungen durcheinander angewendet werden. Das mag von den zeitgenössischen Quellen übernommen worden sein, die gerade in der Frühen Neuzeit häufig volkssprachliche Bezeichnungen neben lateinischen verwenden, wirkt aber auf den mit der venezianischen Aktensprache nicht vertrauten Leser etwas verwirrend. Auch hier wäre ein kurzer Hinweis zur Rolle von Frauen in den Handwerken anderer Städte hilfreich gewesen, um eventuelle Sonderstellungen oder lokale Besonderheiten klarer herauszustellen. Neue Aspekte werden auch durch den Nachweis auf Frauen als Mitglieder der scuole gebracht (18). Diese Einrichtungen kann man in etwa mit Bruderschaften gleichsetzen, und es war bislang die Meinung verbreitet, dass in diesen allein Männer zugelassen waren.

Volker Hunneke befasst sich in seiner Studie mit der sozialen Situation der Patrizierinnen im 18. Jahrhundert. Dabei betont er die starke Rolle, welche die Auswahl der Quellen bei der Vermittlung von Impressionen des "Alltagslebens" hat. Als Beispiel führt er das Leben in den Klöstern an, das im 18. Jahrhundert bei Weitem nicht in allen Klöstern so locker und gegen die Regeln verlief, wie es einen viele historische Darstellungen glauben machen. Solche pittoresken Beschreibungen verführen zur Bestätigung feststehender Urteile, erklären jedoch weniger das wirkliche "Alltagsleben". Sachlichere Quellen, wie etwa Testamente oder Kirchenregister mit Taufen und Heiraten werfen ein viel objektiveres Bild auf das Leben der venezianischen Frauen, nicht nur der Oberschicht. Dies war in den meisten Fällen von der grundsätzlichen Lebensentscheidung "maritar o monacar" (heiraten oder ins Kloster gehen) geprägt. Für die Patrizierinnen, die nobildonne, bestand die wesentliche Rolle darin, als Ehefrauen möglichst viele Söhne zu gebären, um zum einen die Familie zu erhalten und zum anderen ihrer Familie dadurch zu ermöglichen, mit diesen Söhnen im Gran Consiglio, dem grundlegenden Regierungsgremium der Republik Venedig, vertreten zu sein. Sie existierten praktisch nur in dieser Rolle. Blieb eine nobildonna ledig, geschah dies meist aus Armut, das heißt, es fehlte eine ausreichende Mitgift, um verheiratet zu werden.

Vier Beiträge der Aufsatzsammlung beschäftigen sich mit einzelnen Frauen, die als Humanistin, Dichterin, Malerin und Gelehrte eine Sonderstellung innehatten. Silvia Ronchey befasst sich mit der Humanistin Anna Notaras Paleologina, die zu den zahlreichen Griechen gehörte, die nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 Venedig als Exil wählten. Ihre Familie war beispielhaft für eine ganze Reihe anderer aus der Oberschicht Konstantinopels. Sie betätigte sich in Venedig als Editorin klassischer griechischer Werke, unter anderem gemeinsam mit den Druckern Zacharias Kalliergis und Aldo Manuzio. Sie stand in Kontakt mit verschiedenen bedeutenden Humanisten, wie dem Kardinal Bessarion oder Enea Silvio Piccolomini. Auch besaß sie eine nicht unbedeutende Bibliothek griechischer Manuskripte, die sie sammelte.

Ulrike Schneider beschreibt das Leben der Dichterin Gaspara Stampa, die für die Entwicklung der dichterischen Strömung des Petrarkismus eine wichtige Rolle spielte und die als eine der ersten ihrer Zeit auch in der Volkssprache, dem volgare schrieb. Der Beitrag von Francesca Bottacin behandelt die Malerin Giovanna Garzoni, die sich im 17. Jahrhundert eine Zeit in Venedig aufhielt, wo sie sich als Malerin "gefälliger" Portraits einer gewissen Beliebtheit erfreute. Von dieser Künstlerin sind verschiedene Schriften mit Reflexionen über die Situation und das Leben der Frauen zu ihrer Zeit erhalten. Besonders eindrücklich sind ihre Ausführungen über die ständige Furcht vor dem Tod im Kindbett, mit der die Frauen leben mussten.

Dass die Lebensgeschichte von Frauen, die eine ungewöhnliche Leistung erbracht hatten, schon kurz nach deren Tod in eine Art Mythos gewandelt werden konnte, zeigt der Aufsatz von Ruggero Rugolo. Er befasst sich mit dem "Mythos" der Elena Lucrezia Cornaro Piscopia. Sie wurde im 17. Jahrhundert in Padua in Philosophie promoviert und war damit die erste an einer Universität promovierte Frau. Bereits kurz nach ihrem Tod wurden ihr in Kunst und Literatur zahlreiche Denkmäler gewidmet (113-115). Vergleichbar ist dies etwa mit dem Mythos der Caterina Cornaro, durch die das Königreich Zypern an die Republik Venedig kam. Noch bis ins 19. und 20. Jahrhundert hinein wurde dieser Mythos thematisiert.

Helen Geyer beschäftigt sich mit einem bedeutenden sowohl sozial- als auch musikhistorischen Komplex, den ospedali, in denen Waisenmädchen, meist Findelkinder, aufgenommen wurden. Diese Einrichtungen waren seit dem 17. Jahrhundert eher eine Art Konservatorien, an denen die Mädchen eine musikalische Ausbildung als Sängerinnen oder Instrumentalistinnen bekamen. Aus ihnen gingen einige von den Zeitgenossen sehr geschätzte Musikerinnen hervor, von denen drei mit großer Ausführlichkeit als Beispiel vorgestellt werden. Die in den ospedali gepflegte Musik hatte einen nicht geringen Einfluss auf die europäische Musikkultur des 17. und 18. Jahrhunderts.

Die Aufsatzsammlung schließt mit einer Grundsatzbetrachtung, in der sich Margarete Zimmermann mit der Kulturvermittlung durch Frauen seit dem Spätmittelalter beschäftigt, sowie mit ihrer Rolle als Trägerinnen von Kulturtransfer und -austausch. Sie schildert die Salons im Venedig des 18. Jahrhunderts, die dort insbesondere von Elisabetta Caminer Turra und Isabella Teotochi Albrizzi geführt wurden.

Diese den öffentlichen Vorträgen nachfolgende Publikationen des Deutschen Studienzentrums liegt nur in italienischer Sprache vor. Ein Grund dafür ist, dass sich die Vorträge an ein venezianisches Publikum richteten. Ein weiteres Argument ist sicherlich auch die starke Konzentration auf sehr spezielle, sozusagen "Venedig-spezifische" Themen, die oft nur einen kleineren Forscherkreis ansprechen. Der Nachteil ist allerdings, dass Studien, die von allgemeinerem Interesse sein könnten, für der italienischen Sprache nicht kundige Leser nahezu unzugänglich bleiben und somit die unterstützende Arbeit, die das Deutsche Studienzentrum an Forschern leistet, wenig publik wird.


Anmerkung:

[1] Anna Maria Pedani Fabris: "Veneta auctoritate notarius". Storia del notariato veneziano (1514-1797), Milano 1996.

Carolin Wirtz