Evamaria Engel / Frank-Dietrich Jacob: Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnisse, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006, 465 S., ISBN 978-3-412-20205-7, EUR 34,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Julia Bruch: Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklöster. Studien zur Organisation und zum Wirtschaften spätmittelalterlicher Frauenklöster mit einer Edition des Kaisheimer Rechnungsbuches, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2013
Réjane Gay-Canton: Entre dévotion et théologie scolastique. Réceptions de la controverse médiévale autour de lImmaculée Conception en pays germaniques, Turnhout: Brepols 2011
Michel Lauwers: Monastères et espace social. Genèse et transformation d'un système de lieux dans l'Occident médiéval, Turnhout: Brepols 2014
Zur deutschen Stadt im Spätmittelalter liegen mittlerweile verschiedene Quelleneditionen vor, unter anderem die zwei exzellenten Bände aus der Reihe der "Ausgewählten Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters", die sich mit der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie der Verfassungsgeschichte der spätmittelalterlichen Stadt befassen. Demgegenüber privilegiert die fast fünfhundert Seiten starke Quellenzusammenstellung von Evamaria Engel (Berlin) und Frank-Dietrich Jacob (Leipzig) den Alltag und die materielle Kultur in der spätmittelalterlichen Stadt, in Anlehnung an, wie die beiden Autoren vorausschicken, die in vielerlei Hinsicht wegweisenden Studien des Kremser "Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit" (VII).
Die Quellenbasis ist breit (427-436), breit auch die geografische Streuung der Quellenauszüge. Als Zielpublikum angesprochen werden Lehrende und Studierende des Fachs Geschichte (VII). Vier Großkapitel gliedern das Werk: Bürgerrecht und Bürgerpflicht, Ratspolitik, städtischer Alltag und Frömmigkeit bilden den Gegenstand des ersten Kapitels (13-132). Hier auch finden sich Ausführungen zur Wohnqualität und zu Erziehungs- und Bildungsfragen. Kapitel eins ist der mit Abstand hybrideste Teil der Quellensammlung. Das Ordnungskriterium der nachfolgenden Großkapitel entspricht - klassisch - den drei städtischen Großgruppen Kaufleute, Handwerker sowie Knechte und Gesellen: Kapitel zwei, das dem Kaufmann gewidmet ist, trägt den Titel "Wir können die Kaufleute nimmer entbehren" (133-337). Die Zunft steht im Mittelpunkt von Kapitel drei (mit dem Titel "... wer nicht in der Zunft ist, der darf das Handwerk nicht betreiben", 251-338), während sich Kapitel vier abschließend mit den unterbürgerlichen Schichten befasst, allerdings mit bemerkenswerten Lücken ("... damit unsere Knechte uns gehorsam sind", 339-397).
Für Studierende als ungeeignet erweisen sich die aus dem Kontext gerissenen Miniquellenfragmente in der Art "Die Güter, die ich besitze, habe ich von Jugend an durch schwere Arbeit gewonnen" (249) oder "Dem Lastträger geben 40 Schillinge, der mit mir des Nachts aufstand und mir half, die Schmuggelware unterzubringen." (177). Der erste Auszug trägt den Titel "Berufsbewusstsein des Kaufmanns", der zweite "Unkosten auf einer Geschäftsreise". Titel und Quellenauszug wollen in diesem wie auch in vielen anderen Fällen nicht so recht zueinander passen. Auch die Frage, was man sich im Jahr 1489 in Ulm mit vierzig Schillingen eigentlich kaufen kann, wird nicht diskutiert. Der Zugriff auf Themenkomplexe wie "Kirche und Frömmigkeit in der Stadt" (118-132) ist ausgesprochen konventionell, nehmen wir das entsprechende Kapitel von Hartmut Boockmanns "Die Stadt im späten Mittelalter" (1986) als Richtwert. Ebenso konventionell präsentiert sich das Kapitel über die "städtische Wohnqualität". Die zur Wohnkultur einschlägigen Arbeiten von Ulf Dirlmeier und Gerhard Fouquet in der von Dirlmeier herausgegebenen "Geschichte des Wohnens" (Stuttgart 1998) haben die beiden Autoren nicht rezipiert, auch die originelle Arbeit von Katharina Simon-Muscheid "Die Dinge im Schnittpunkt sozialer Beziehungsnetze" (Göttingen 2004) kennen sie nicht. Ein letzter Kritikpunkt: Enigmatisch sind einzelne Literaturangaben wie zum Beispiel auf Seite 242: "12. Jahrhundert. Bedae opera, Spalte 556 f." Häufig werden die Quellen aus der Sekundärliteratur zitiert, nicht aus den Quelleneditionen. Predigen wir unseren Studierenden nicht unentwegt, gerade dies zu unterlassen? Für Studierende ist das Werk nur unter Vorbehalt zu empfehlen. Für die Lehrenden hingegen ist es eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehen Quelleneditionen.
Anmerkung:
[1] Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und niederdeutscher Städte im Spätmittelalter, ausgew. von Gisela Möncke (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters; 37), Darmstadt 1982; Bernd-Ulrich Hergemöller: Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters; 34), Darmstadt 2000.
Gabriela Signori