Stephen F. Dale: The Garden of the Eight Paradises. Bābur and the Culture of Empire in Central Asia, Afghanistan and India (1483-1530) (= Brill's Inner Asian Library; Vol. 10), Leiden / Boston: Brill 2004, XIII + 520 S., ISBN 978-90-04-13707-3, EUR 111,00
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Ẓahīr ad-Dīn Moḥammad Bābor (ab hier: Babur), Nachkomme Timurs und Dschingis Khans, kurzfristiger und heftig bekämpfter Herrscher des Ferganatals und Samarqands, Herrscher Kabuls ab 1504, Sieger über das Lūdī Sultanat und damit Eroberer Nordindiens und Gründer des Reichs der Großmoguln, hat ein einzigartiges literarisches Zeugnis hinterlassen: eine (fragmentarische) Autobiographie, in der er nicht nur sein "äußeres" Leben beschreibt, sondern auch Einblicke in seine Motive, Wünsche, Ängste, Fehler, schlichtweg in seinen Charakter und seine Person bietet. Stephen F. Dale zieht nicht zu Unrecht Parallelen zu dem eine knappe Generation jüngeren italienischen Künstler Benvenuto Cellini, der wenige Jahrzehnte später ebenfalls eine Autobiographie abfasste, die für damalige Zeiten zumindest ungewöhnlich war (24, 37 f.). Freilich musste Babur keine Angst vor irgendwelchen Herzögen haben, die an seinen Niederschriften hätten Anstoß nehmen können, und die Gesellschaft, in der er lebte, hatte auch keine Parallelen zur damaligen Gesellschaft der "Renaissance" in Europa, speziell Italien. Derartige Postulate (signifikante Ähnlichkeiten zwischen den Gesellschaften von Florenz und Samarqand, Titel des Epilogs: "Bābur and the Tīmūrid Renaissance" - ein von Jean-Paul Roux adaptierter Begriff - und Bezeichnung Baburs als "Renaissance man", 66, 457, 466 f.) dienen weder der Klärung italienischer und europäischer Geschichte um das 16. Jahrhundert noch der des zeitgenössischen Zentralasiens. Wo war die "Wiedergeburt" der griechischen Kultur, die in dieser Zeit in Italien stattfand, in Samarqand oder auch in Aqra zu finden?
Aber nach dieser prinzipiellen Frage zum vorliegenden Buch: Zuerst stellt sich natürlich die Frage: Wozu eine kritische Biographie (so der Text auf dem Buchdeckel), wo doch eine erstrangige Autobiographie und auch exzellente kommentierte Übersetzungen derselben (vor allem von Annette Susannah Beveridge, aber auch von anderen Wissenschaftlern) vorliegen? Die Unklarheiten bei der Beschreibung Baburs, als er die Rajputenfestung Chandiri eroberte, werden zum Beispiel sowohl von Dale (413-417) als auch von Beveridge (hier natürlich in Fußnoten) in ähnlicher Weise dargestellt. Dale ist sich dieser Problematik durchaus bewusst und erwähnt auch Beveridges diesbezüglichen Beitrag (417, Anm. 25). Trotzdem: Genügt nicht eine umfassend annotierte Übersetzung, zumal - wie auch Dale selbst schreibt - kaum Vergleichswerke zu Baburs Werk vorhanden sind (5-11)?
Dale hat sich dieser Frage selbstverständlich gestellt und gibt darauf zwei Antworten: Zuerst sei bisher noch keine kritische Biographie geschrieben worden, die aber nun - vor allem durch die kritischen Ausgaben von Baburs Autobiographie (Eiji Mano) und Poesie (Bilāl Yücel) - ermöglicht worden sei (4). In diesem Zusammenhang schreibt Dale auch, dass er seine Studie als Kommentar zu Baburs Opera geschrieben habe. Der zweite Grund schließlich sei, Baburs autobiographische Intention unter Kritik zu stellen, zumal seine Werke nicht "für sich selbst sprechend" (self-explanatory) seien und infolgedessen schön illustrierte neue Übersetzungen (hier spielt Dale wohl auf Wheeler M. Thackstons Werk an) als Kaffeetischdekoration oder Staubfänger in Bibliotheken endeten (11). Ob dies mit Thackstons wirklich schöner und gut lesbarer englischer Übersetzung wirklich der Fall ist, kann hier nicht beurteilt werden. Vielleicht liegt es auch nur am Zeitgeist. Um das Ergebnis dieser Rezension vorwegzunehmen: Dales und Thackstons Werke ergänzen sich sehr gut.
Wie hat Dale seine kritische Biographie nun angelegt? Nach der Einführung, in der die oben angerissenen Fragen gestellt werden, geht Dale im ersten Kapitel auf Autobiographien im Allgemeinen (mit Fokussierung auf die der islamischen Welt) und auf die Baburs im Speziellen ein; bemerkenswert scheint ihm besonders die ehrliche Sprache des Moguln, gleich zweimal schreibt er, wie Babur weinte (46, 53). Die direkte Sprache Baburs ist tatsächlich der wohl bemerkenswerteste Zug seiner Schrift.
Die folgenden sieben Kapitel verlaufen entlang der Erzählung Baburs mit den drei bekannten geographischen Eingrenzungen: Transoxanien, Kabul, Indien. Dazwischen schob Dale Betrachtungen außerhalb der historischen und kritischen Narration ein: "Babur's Cultural Personality" (Kapitel 3), wo es im Wesentlichen um die Sprache (Chagatay), die Babur benutzte, und um seinen soziokulturellen Hintergrund, besonders seine religiöse Affinität (hanafitischer Sunnit und Angehöriger des Naqšbandī-Ordens) geht. Seine religiöse Überzeugung belegt Dale durch mehrere Beispiele, wie anhand des Massakers an der angeblich apostatischen Bevölkerung Bajaurs (nordöstlich von Kabul, 170).
Im nächsten, nach dem Teil über Kabul "eingeschobenen" Kapitel 5 "Poetry and Autobiography" diskutiert Dale die Poesie Baburs und setzt einige seiner Gedichte in ihren historischen Zusammenhang. Nach dem "historischen" Kapitel 6 geht Dale in den beiden letzten Kapiteln auf die Beschreibungen Baburs von Indien ein, sein großes Interesse an Fauna und Flora (360-365), aber auch seine harsche Kritik an Indien - Baburs Paradies lag in Zentralasien und nicht in Indien (402). Im letzten Kapitel beschreibt Dale schließlich die letzten Lebensjahre Baburs und die Grundlegung des Mogulreiches. Auch in diesen letzten Jahren, als Babur aus Geldnöten zu einem Feldzug aufbrach (433), zeigte sich, dass die Grenze zwischen Raub- und Feldzug wie oft im Leben Baburs und vielleicht der Timuriden überhaupt fließend war. Schließlich: Ob die Monsunzeit 1529 wirklich die idyllischste Periode von Baburs Lebens war, wie Dale spekuliert, weil seine Familie sich um ihn versammelte und keine äußere Macht sein Reich bedrohte (447), mag dahin gestellt bleiben.
Dale gibt in seiner "kritischen Biographie" eine gute Darstellung der Geschichte Baburs und setzt auch seine literarischen Werke in ihren entsprechenden Kontext. Wenn man eine gut geschrieben Darstellung der Ereignisse dieser Zeit in Zentralasien und Indien sucht, ist das vorliegende Buch sicherlich keine schlechte Wahl. Die im Buch zu findenden qualitativ nicht hervorragenden Illustrationen (Fotos von Landschaften und Gebäuden Zentralasiens, Reproduktionen von Miniaturen) sind zwar schön anzusehen, aber auch in einschlägigen Katalogen/Fotobänden unschwer finden. Sie verteuern das sowieso nicht günstige Buch unnötig. Schließlich: Wenn jemand auch 115 Euro für das Buch ausgab, so muss er doch in Kauf nehmen, dass dieser Preis kein Lektorat einschloss.
Genug der Kritik: Dales Buch ist ein guter Begleiter für Bacqué-Grammots, Beveridges oder Thackstons Übersetzungen von Baburs Autobiographie und vermittelt Einsichten, die in diesen Werken nicht zu finden sind. Es entbindet die einschlägig Interessierten freilich nicht von der Lektüre des Originaltextes.
Ralph Kauz