Gottfried Herrmann: Persische Urkunden der Mongolenzeit. Text- und Bildteil (= Documenta Iranica et Islamica; Bd. 2), Wiesbaden: Harrassowitz 2004, XI + 205 S., 119 Abb., ISBN 978-3-447-04901-6, EUR 98,00
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Die Geschichte der Entstehung des vorliegenden Buches reicht über 35 Jahre zurück: 1970 stieß Gottfried Herrmann im Rahmen einer Forschungsreise in Iran im Porzellanhaus des Ardabiler Grabheiligtums von Scheich Ṣafī (gestorben 1334), Begründer des Safawidenordens, der später zur gleichnamigen iranischen Herrscherdynastie mutierte, auf eine große Menge von Urkunden und Briefen, von denen er in kurzer Zeit erkannte, dass es sich um nichts weniger als um die Reste des Ordensarchivs der Safawiden handelte. Wenige Monate zuvor hatte bereits der Engländer Alexander H. Morton als Begleiter des UNESCO-Beauftragten M. E. Weaver diesen Schatz entdeckt und auch eine Liste der Archivalien angefertigt, die jedoch bis dato unveröffentlicht geblieben ist. Morton zählte mehr als 800 Einzelstücke (1). Die Geschichte des Fundes, des mühsamen Abfotografierens der Urkunden durch den Autor und durch Bert G. Fragner im Jahr darauf, des weiteren Verbleibs des Ardabiler Archivs und der Geschehnisse im Umfeld beleuchten einen interessanten Aspekt der neueren Geschichte der Iranistik, können hier aber leider nicht näher ausgeführt werden.
Die Ardabiler Urkunden waren schon mehrfach Objekt verschiedener Forschungen, nun aber hat Gottfried Herrmann für das vorliegende Werk 28 Ardabiler Urkunden aus der Zeit der Ilchan- und Ǧalāyiridenherrschaft in Iran bearbeitet. Daneben hat er auch noch acht bereits publizierte, die zur Hälfte ebenfalls aus Ardabil stammen, benutzt; diese wurden im vorliegenden Band allerdings nicht noch einmal publiziert. Damit dürften die bisher im Iran aufgefundenen mongolischen Urkunden vollständig erfasst sein.
Worum geht es bei diesen Urkunden? In erster Linie um Anordnungen, die Übergriffe auf Grundbesitz oder Fragen des Grundbesitzanteils betreffen, dann um Verbote unrechtmäßiger Abgaben bzw. Steuern und schließlich um verschiedene Erlasse, die Bestätigung von Grundbesitz und Rechtstiteln, Gewährung einer Rente u.ä. betreffen. Einige Beispiele sollen beliebig herausgegriffen werden: In Urkunde I werden Kadis vom Großwesir Bāytmiš im Jahr 1288 ermahnt, endlich einen Urteilsspruch betreffs der Besitzansprüche des Dorfes Gīland zu fällen (46-49). Auf der Urkunde III bezeugen 14 (!) Personen einen Erlass des Großwesirs Aḥmad von 1293, in dem wiederum Besitzansprüche, die auf der Rückseite 1204 dokumentiert wurden, bestätigt werden (54-66). Urkunde XI ist ein Steuerbescheid von 1332 für die Ortschaft Dizīnliq, der lediglich eine Dispositio umfasst (20, 107-110). Auch im 14. Jahrhundert waren die Einwohner der Gegend nicht immer erpicht, ihre Steuern abzuführen: Laut Urkunde XXV musste der Ǧalāyiridenherrscher Šayḫ Uwais 1373 selbst befehlen, dass die Bauern des Weilers Sīnāwān die Steuern für den Ardabiler Orden bezahlen (170-172).
Zum weitaus größten Teil (23) wurden die Urkunden von Emiren ausgestellt, allerdings sind auch zwei Herrschererlasse aus der Ǧalāyiridenzeit (Šayḫ Uwais und Ḥusain), ein Prinzenerlass von Šayḫ ʿAlī, Sohn von Šayḫ Uwais, und weitere erhalten (2). Die Entstehungszeit der Urkunden verteilt sich über ein knappes Jahrhundert, von 1288 bis 1383. Herrmann beginnt nach einer kurzen Einleitung, in der er die näheren Umstände der Arbeit sowie eine wiederholt skizzierte Übersicht über die behandelten Urkunden wiedergibt, mit einem ersten Teil, der sich mit dem Urkundenwesen der Mongolenzeit befasst (5-42). Dieser ist wiederum unterteilt in die Abschnitte "äußere Form", "Aufbau der Urkunden", "Vermerke" und "Siegel". Der folgende Hauptteil (43-205) umfasst schließlich Beschreibungen, Abschriften, Übersetzungen und Kommentare der Urkunden, die von einem Register abgeschlossen werden. Auf den folgenden 119 Abbildungen kann man schließlich die 28 Urkunden in guter Qualität (schwarzweiß) selbst begutachten und lesen.
Den Aufbau der Urkunden unterteilt Herrmann nach der für europäische Urkunden gesetzten Norm in Protokoll, Text und Eschatokoll, wie er auch von Heribert Busse in seinen beispielhaften "Untersuchungen zum islamischen Kanzleiwesen" vorgegeben wurde. Das Protokoll ist wiederum eingeteilt in Invocatio (meistens die Basmala (Anrufung Gottes), allerdings mit einigen Ausnahmen), die in mongolischen Texten an den Anfang des Textes rückt (9), Intitulatio (Name des Ausstellers plus Formel) und schließlich - im Bedarfsfall - Bezugs- bzw. Auftragsformel, was freilich nicht bedeutet, dass der betreffende Ilchan oder Emir mit dem Verwaltungsakt belastet worden wäre (14). Dieser Abschnitt ist natürlich besonders wichtig, werden doch in ihm die Herrschenden genannt, entsprechend ist er auch graphisch hervorgehoben, indem die ersten Zeilen des Textes eingerückt wurden (20-21). Die wichtigsten Bestandteile des Textes sind dann Adresse - oft ohne namentliche Nennung, also lediglich Statthalter, Dorfälteste u.ä. -, Narratio, in der der Sachverhalt dargelegt wird, die Anordnungen in der Dispositio und Schlussformel (16-19). Im Eschatokoll folgen schließlich noch Datums-, Ortsangabe und religiöse Schlussformeln (24-27). Herrmann führt noch andere Kategorien an, die hier nicht ausgeführt werden. Selbstverständlich sind immer Abweichungen von der Norm zu finden.
Am Ende der Einleitung (28-42) bespricht Herrmann die Vermerke und Siegel auf den Urkunden - mit letzteren wurden sie ja beglaubigt, dies war in vormongolischer Zeit noch durch Signaturen geschehen. Die Siegel der frühen Zeit waren chinesisch oder mongolisch beschriftet, erst unter Abū Saʿīd (r. 1316-25) wurden auch arabische Siegel üblich. Auch die äußere Form (quadratisch), die zumeist verwendete Farbe (rot) weisen auf die chinesische Provenienz hin, auf die schon in anderen Arbeiten eingegangen wurde. Mithin dürften diese Siegel nur ein, freilich wichtiges und augenfälliges Erkennungszeichen für den starken chinesischen Einfluss in der Ilchan-Verwaltung sein. Herrmann diskutiert die Siegel auch entsprechend ausführlich.
Aus dem Gesagten dürfte deutlich geworden sein, dass Herrmanns Werk von herausragender Bedeutung für die iranische Epigraphik zur Mongolenzeit ist. Es stellt sich zuletzt die Frage, wie groß die Bedeutung dieser Ardabiler Urkunden für die Erforschung der sozialen und kulturellen Lage Irans zur Mongolenzeit ist - das Nomen "Entwicklung" wurde hier bewusst ausgeklammert. Zuerst mag ein banales Bedauern darüber ausgesprochen werden, dass nicht mehr Urkunden erhalten geblieben sind. Der Charakter des (früheren) Umgangs in Iran mit Archivalien und wohl noch wichtiger die historischen Zerstörungen lassen keine "Untersuchung der frühen Geschichte Ardabils anhand von Urkunden" oder ähnliche Forschungen zu, so bedauerlich dies auch für jeden Historiker Irans sein mag. Schon die wenigen oben angeführten Beispiele dürften gezeigt haben, welche aufschlussreichen Punkte durch diese "Primärquellen" berührt werden. Trotzdem: Auch die wenigen übrig gebliebenen Ardabiler Urkunden beleuchten hervorragend das Verwaltungswesen der Zeit, den chinesischen Einfluss und die Protegierung des Ardabiler Ordens durch die mongolischen Herrscher. Kurzum: Herrmanns Werk darf in keiner einschlägigen Bibliothek fehlen.
Ralph Kauz