Jeremy Black: Introduction to Global Military History. 1775 to the present day, London / New York: Routledge 2005, XIX + 294 S., ISBN 978-0-415-35395-3, GBP 16,99
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Der Titel des Buches ist ernst gemeint. Jeremy Black, durch zahllose Bücher ausgewiesener Kenner der neuzeitlichen Militärgeschichte, nimmt den ganzen Globus in den Blick. Ausdrücklich will er Hierarchien der Bedeutung vermeiden und berichtet über militärische Modernisierung in afrikanischen Staaten im 19. Jahrhundert oder den chinesischen Bürgerkrieg oder Militärregime in Südamerika ebenso wie über die großen Konflikte Europas. Das ist natürlich lobenswert. Dabei verbietet sich fast von selbst, die Vorstellung von Militär auf Bodenstreitkräfte zu reduzieren, die Streitkräfte auf den Meeren und in der Luft sollen gleichermaßen Beachtung finden. Das ist nicht weniger lobenswert. Militärgeschichte ist dem Autor auch kein isoliertes Feld, er will, neueren Geschichtskonzepten entsprechend, auch soziale, kulturelle, wirtschaftliche Zusammenhänge in den Blick nehmen. Das ist ebenso lobenswert. Diese umfangreiche Materie will didaktisch aufbereitet sein, und dem dienen zahlreiche Karten und Bilder sowie Textinserte mit Quellenzitaten, Exkursen und Erläuterungen. Jedes der zwölf Kapitel wird mit Schlussfolgerungen abgeschlossen. Auch das ist lobenswert. Und schließlich soll das Buch noch handlich sein und kommt mit knapp 250 Textseiten aus. Das ist nicht weniger lobenswert. Aber kann das alles gleichzeitig verwirklicht werden? Tatsächlich sprengen diese Ansprüche die Möglichkeiten des Darstellbaren.
Eine gleichmäßige Berücksichtigung aller angekündigten Aspekte kann gar nicht geleistet werden. Aus verschiedenen denkbaren Möglichkeiten hat sich der Autor implizit dafür entschieden, den Schwerpunkt auf Kriege zu legen. Ein großer Teil des Textes referiert oder skizziert daher Kriegsverläufe; darunter sind dem Zweiten Weltkrieg immerhin gut 30 Seiten gewidmet, dem Ersten Weltkrieg 12. Andere Konflikte kommen notgedrungen knapper zur Sprache, und gerade auf außereuropäischen Schauplätzen ziehen Namen und Schauplätze in manchmal verwirrendem Tempo am Leser vorüber. Die Zahl der Konflikte, oder vielmehr der bearbeiteten Konflikte bestimmt auch die chronologische Streuung; zwei Drittel des Textes sind der Zeit ab 1914 gewidmet.
Eingestreut sind forsche Erklärungen für Sieg und Niederlage und allgemeinere Thesen zu Konfliktursachen, Heeresstrukturen, Waffentechniken und Rüstungsmaßnahmen. Alles dies kann notgedrungen nur andeutungsweise vorgetragen und, je nach Forschungslage und Bedeutung, auch nicht in gleicher Dichte verteilt werden. Bilder, Karten und Quellenkästen stellen dem nur Impressionen ohne engere Verbindung zum Text beiseite. Manche Textbox und auch manche Zusammenfassung behandeln gleich wieder neue Konflikte, die genauso gut im Haupttext platziert sein könnten. Mitunter werden, gerade im Hinblick auf außereuropäische Kriege, Typologien angerissen. Insgesamt aber werden kaum explizit verbindende Linien gezogen, geschweige denn die Fülle der Einzelheiten durch eine Rahmenerzählung integriert. Das wäre allerdings auch eine große Herausforderung und ist wohl auch nicht erwünscht, wo Hierarchien von Bedeutung vermieden werden sollen. Die häufigste Form der Verknüpfung besteht daher in Hinweisen, dass frühere Konflikte schon Merkmale der Gegenwart vorweggenommen hätten.
Das Buch hinterlässt daher einen zwiespältigen Eindruck. Es überwältigt durch die Weite des Horizonts und es fordert damit die gewohnten Wahrnehmungen heraus. Es finden sich eine Reihe sehr prägnanter Zusammenfassungen und immer wieder anregende Thesen. Das Literaturverzeichnis ebnet Wege zum Weiterdenken. Auf der anderen Seite erdrückt das Buch durch die Fülle der Einzelheiten, was auch die Lektüre mühsam macht. Die vorbeihuschenden Sentenzen werden den Kenner oft unbefriedigt hinterlassen, und ob sie dem Anfänger wirklich eine tragfähige Orientierung verschaffen, muss bezweifelt werden.
Es ist zu viel an diesem Buch lobenswert.
Michael Sikora