Monique Bernards / John Nawas (eds.): Patronate and Patronage in Early and Classical Islam (= Islamic History and Civilization. Studies and Texts; Vol. 61), Leiden / Boston: Brill 2005, xiv + 511 S., ISBN 978-90-04-14480-4, EUR 133,00
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Sammelbände zu besprechen ist ein undankbares Geschäft, vor allem wenn die Editoren keine klare Leitlinie für ihre Sammlung herausgearbeitet haben. Das ist auch der Fall bei "Patronate and Patronage in Early and Classical Islam" mit seinen 14 Beiträgen, obwohl das Thema auf den ersten Blick sinnvoll eingegrenzt zu sein scheint. Die Herausgeber Bernards und Nawas geben uns zu Beginn ihres Bandes eine ziemlich fokussierte Definition des arabischen Kernbegriffs, um den es geht. Unter "Mawālī" (Sing. maulā) verstehen sie "a recent convert to Islam; esp.: a non-Arab convert extended the status of a protected client by one of the Arab peoples" (IX). Der Nichtaraber, der zum Islam übertritt und ein Klientenverhältnis mit arabischstämmigen Muslimen eingeht, ist eine wichtige soziale und juristische Kategorie besonders in der islamischen Frühzeit und somit natürlich ein interessantes Thema. Dann aber sagen die Herausgeber, diese Definition umfasse nicht die ganze Bedeutung von maulā. So werden etwa auch "freigelassene Sklaven bezeichnet, die ein Klientenverhältnis mit ihrem früheren Besitzer eingehen" (X).
Allerdings handelt es sich bei diesen Exsklaven um etwas ganz anderes als den konvertierten mawālī, wie überhaupt, so Bernards und Nawas, der arabische Begriff maulā etliche Bedeutungen habe, was grundsätzlich zu einer "analytical confusion" führt (XI). In der Tat tritt diese Verwirrung auch in dem vorliegenden Band zutage, da letzten Endes nicht klar wird, ob es um Patronage im allgemeinen, um das Verhältnis von Nichtarabern und Arabern in der frühislamischen Gesellschaft oder um die Bedeutungen des arabischen Begriffs maulā gehen soll. Man hätte sich eine Festlegung gewünscht. Da sie nicht erfolgt, handelt das Buch von allen drei Themen. An sich muss das nicht schlecht sein, aber eine Binnengliederung hätte etwas mehr Überblick verschafft.
Bei der Betrachtung der einzelnen Artikel bietet es sich an, mit den Beiträgen der Herausgeber zu beginnen, von denen ein breiter Zugriff auf das Problem zu erwarten ist. Die beiden sind dann auch am Ende platziert, nutzen aber nicht die Gelegenheit, um zu resümieren und Bilanz zu ziehen. Vielmehr beschreiben die Artikel die Arbeit der Herausgeber an ihrem gemeinsamen "'ulamā'-project", eine Untersuchung frühislamischer Gelehrter anhand quantitativer Auswertung von arabischen Biographiensammlungen. Hier wird ein soziologischer Ansatz verfolgt, der von der einzelnen Person absieht und größere Gruppen in den Blick nimmt. Unter diesen befinden sich auch die gebildeten mawālī, die mit den arabischen Geistesgrößen verglichen werden.
Bernards untersucht das Verhältnis zwischen arabischen und nichtarabischen Gelehrten bei der Entwicklung der arabischen Grammatik. Das ist interessant, geht es doch um eine Kerndisziplin der arabisch-islamischen Wissenschaften. Schon lange weiß man, dass Nicht-Araber einen großen, vielleicht entscheidenden Anteil an der Herausbildung eines grammatischen Systems hatten (449). Merkwürdig erscheint nun, dass Bernards in dem Artikel erklärt, Nichtaraber hätten die Führung in der Entwicklung der arabischen Linguistik übernommen, während in der Einleitung des Bandes noch konstatiert wird, dass es keinen Unterschied zwischen Arabern und Nichtarabern gegeben habe (XIII). Da wäre eine weiterführende Erläuterung angebracht gewesen. Jedenfalls hat der Artikel eigentlich gar nichts mit Patronage zu tun, sondern mit dem Verhältnis von Arabern und Nichtarabern im frühislamischen Wissenschaftsbetrieb.
Nawas kommt bei seinem Unternehmen, ein sozio-kulturelles Profil der mawālī-Gelehrten herauszuarbeiten, zu einigen wenig überraschenden Ergebnissen. Die mawālī treten später in die islamische Gesellschaft ein als die Araber (457), die meisten mawālī waren an den dominierenden Stamm der Quraish angeschlossen (477). Ansonsten unterschieden sich die Gruppen der Araber und Nichtaraber in ihrem Profil kaum. So wirkten die mawālī in gleichem Maße bei der Entwicklung islamischer Bildung mit wie die Araber. Dass hier ein gewisser Kontrast zum Ergebnis von Bernards' Artikel vorliegt, wird nicht diskutiert. Nawas schließt seinen Artikel und damit den ganzen Band mit der These, dass die Einbindung der mawālī in die arabisch-islamische Welt ein "very successful historic case of cultural assimilation" sei (479).
Die Frage, ob nicht vielleicht seine Quellen einfach die Konflikte zwischen Arabern und Nichtarabern unter den Tisch kehren, stellt Nawas nicht. Überhaupt ist die Quellenbehandlung ein großes Problem in dem Band. Eine Aufsatzsammlung zur frühislamischen Geschichte, die weder in der Einleitung noch in den meisten Artikeln die Quellenproblematik reflektiert, dürfte es nicht mehr geben. Und wenn die Herausgeber sich damit schon nicht auseinandersetzen, warum tut dies dann nicht Ella Landau-Tasseron in dem ersten Aufsatz des Bandes über "Alliances in Islam"? Immer wieder vergleicht sie die vorislamische Zeit mit dem Islam, stützt sich dabei zwar auf eine beeindruckende Menge von arabischen Texten, aber hinterfragt sie in keiner Weise. Das macht den Aufsatz zu einer Lesequal. Auch konzeptionell ist ihr Beitrag schwach, wie schon der erste Satz andeutet: "Alliances between groups existed in pre-Islamic Arabian society as well as in the society that emerged after the advent of Islam" (1). Das könnte daran liegen, dass Allianzen zwischen Gruppen in allen Gesellschaften zu jeder Zeit gleich in welcher Kultur existieren. Die Frage ist doch, welche spezifischen Allianzen es in der frühislamischen Zeit gab. Das erklärt der Artikel nicht, und auch die Herausgeber haben dem Mangel an theoretischer Reflexion nicht abgeholfen.
Anders der Artikel von Patricia Crone, die einen schiitischen Textes untersucht, in dem die Feindschaft arabischer Herrscher wie 'Umar und Mu'āwiya gegen nichtarabische Muslime drastisch nachgezeichnet wird. Crone ist sich bewusst, dass der Text eine Satire darstellt, aber nichtsdestoweniger als Quelle für die gegenseitige Wahrnehmung zwischen Arabern und Nichtarabern dienen kann. In ihrer Analyse stellt sie einige Thesen zur Natur der frühislamischen Gesellschaftsordnung auf. Das umayydische Kalifat sieht sie als "conquest society", in der Diskriminierung von Konvertiten ein "fact of life" war (181). Das ist zwar schwer zu beweisen, aber diskutabel. An anderer Stelle hebt Crone hervor, dass die mawālī zu einer Religion von Eindringlingen, dem Islam, konvertierten, die sich mit äußerster Arroganz aufführten. Zum Vergleich dient ihr das Verhalten der europäischen Kolonialmächte, die die Kolonisierten, auch wenn sie den christlichen Glauben annahmen, nicht als gleichwertig betrachteten (184f.). Wie sinnvoll der Vergleich ist, darüber kann man streiten, aber er bietet zumindest einen theoretischen Rahmen zur Diskussion des Themas "nicht-arabische Konvertiten in der frühislamischen Gesellschaft", den eigentlich die Herausgeber des Bandes hätten herstellen sollen. Auch hätte man sich gewünscht, dass John Nawas sich zu Crone äußert, deren Artikel doch einen starken Kontrapunkt zu seiner eigenen These einer rundum gelungenen Integration der mawālī in die arabisch-islamische Gesellschaft darstellt.
Die anderen Beiträge des Bandes sind alle für sich interessant, auch wenn bei einigen wiederum die Quellenkritik fehlt. Dies fällt etwa in Michael Leckers Arbeit über die jüdischen Stämme von Medina zur Prophetenzeit auf. Besser macht es Ulrike Mitter, die über Patronage im islamischen Recht schreibt. Weitere Artikel behandeln die Rolle der mawālī in der Armee, als Träger von Musiktraditionen, ihre Darstellung in der arabischen Poesie und anderes mehr, alles sehr spannend, jedoch ergeben sich kaum Verbindungen zwischen den Beiträgen.
So bleibt der Band am Ende eine Ansammlung von Aufsätzen zu verschiedenen Aspekten frühislamischer Gesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Arabern und Nichtarabern. Er wäre sicher besser geworden, wenn die beiden Herausgeber mehr Aufwand dabei betrieben hätten, die Ergebnisse der Beitragenden zu ordnen, in Bezug zueinander zu setzen und Differenzen zu diskutieren.
Ralf Elger