Matthew S. Gordon: The Rise of Islam, Westport, CT / London: Greenwood Press 2005, XXXV + 180 S., ISBN 978-0-313-32522-9, USD 45,00
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Der Zweck dieses Buches besteht darin, eine Einführung in die Frühzeit islamischer Geschichte bis zum 11. Jahrhundert vor allem für "gebildete Laien" und Studenten der ersten Semester zu bieten. Dafür bringt es alles Notwendige mit, einen Überblick über wichtige Daten der Geschichte, Bilder von Münzen, Gebäuden, Landkarten, eine Zeittafel. Es enthält eine Reihe von Biographien wichtiger Persönlichkeiten und auch eine Auswahl an Quellentexten in englischer Übersetzung. Dazu kommt, dass es auch hilft, ein Problembewusstsein zu entwickeln. Der Autor erzählt in seinem historischen Abriss nämlich nicht nur Geschichte, sondern betrachtet sie auch anhand forschungsrelevanter Fragestellungen.
Ein weiterer Vorzug ist das historische Verständnis, das Matthew Gordon erkennen lässt. Er schildert Geschichte als eine Folge von Problemlösungsversuchen der Beteiligten. Ein solches Problem besteht etwa darin, legitime Herrschaft bzw. die Legitimität von Herrschaft zu begründen. Gordon zeigt nun, welche besonderen Wege dabei Muslime verschiedener Epochen und Regionen gewählt haben - im Vergleich zu den Verfahren in anderen Kulturen. Ein anderes Problem, das alle Kulturen mit Offenbarungsreligionen auf irgendeine Weise lösen müssen, ist die Entwicklung von Gottesbildern. Gordon beschreibt die Antworten, welche islamische Theologen gaben, ebenso wie er zeigt, wie in islamischen Ländern "Prophetenschaft" verstanden oder wie rituelle Praxis begründet wird (69). Gordon hat in seiner Darstellung regelmäßig allgemeine Kulturgeschichte im Blick. Das ist gut angesichts mancher Werke, die islamische Geschichte als einzigartig und unvergleichbar betrachten.
Der Autor besitzt nicht nur ein Gespür für methodische und theoretische Reflexionen, die bei der Betrachtung von Kulturgeschichte anzustellen sind, er versteht es auch, seine Gedanken gut lesbar und knapp darzustellen. Vor allem durch die in dem Werk immer wieder explizit oder implizit enthaltene Aufforderung an die Leserschaft, zu eigenem kritischen Nachdenken zu kommen, ist es ein hervorragender Basistext für eine Einführungsveranstaltung, besonders wenn er noch durch kompetente Lehrer ergänzt und kommentiert wird.
Ein Problem, das ich sehe, liegt in eben dem Genre "Einführung" begründet, das weitgehend den Stand der, in diesem Falle islamkundlichen, Forschung wiedergibt, aber nicht darüber hinausgeht. Das ist auch nicht Aufgabe des Buches, wie man einwenden kann. Und dennoch finde ich es störend, wenn Mängel der Forschung tradiert werden, wie es in dem Kapitel über das Leben Muhammads auffällt. "Stand der Forschung" ist, dass eine historiographisch fundierte Rekonstruktion des Lebens Muhammads Probleme aufwirft, weil keine zeitgenössischen Quellen existieren und die Quellen, welche wir haben, auch noch oft widersprüchlich und unglaubwürdig sind. Auf dieses Problem weist auch Gordon hin. Er führt dann die wichtigsten vorhandenen Quellen auf, von Ibn Ishaq bis at-Tabari. Den Lebensabriss Muhammads beginnt er korrekterweise mit den Worten "according to traditional accounts", also mit einer der distanzierenden Wendungen, die er auch später immer wieder einstreut. Alles soweit in Ordnung. Nur am Ende hat er dann doch die traditionelle Geschichte über Muhammad erzählt, wie man sie kennt.
Die Frage ist nun, was Gordon hätte anderes machen können. Eine literarische Analyse, die sich darauf konzentriert, "nur" die Quellen auszuwerten und keine, wenn auch mit Distanzierungsformeln versehene "Fakten"-Darstellung bringt, die also Geschichte als Text versteht, böte sich hier geradezu an. Aber auch nach dem Maßstab faktizististischer Geschichtsschreibung kann man Gordon einen Vorwurf machen, da er es versäumt, die klassischen Prophetenbiographien, die er in Übersetzung benutzt, ernst zu nehmen und für die Beantwortung der von ihm gestellten Forschungsfragen systematisch heranzuziehen. So etwa bei der Frage, ob und wann Muhammad im Sinn hatte, das islamische Gebiet über Arabien hinaus auszubreiten (11). Gordon führt an, es gäbe "much evidence" (24) dafür, dass Muhammad in seiner späteren Zeit solche Pläne hegte. In Ibn Ishaqs/Ibn Hishams Prophetenbiographie allerdings heißt es, dass er schon ganz früh, noch in Mekka eine Expansion voraussah. Das ist die Stelle, in Guillaumes englischer Übersetzung (191), wo Muhammad den Mekkanern anbietet, mit ihnen und für sie die Länder der Araber und der Perser zu erobern, wenn sie sich ihm anschlössen. Sicher klingt es kaum glaubhaft, dass Muhammad schon in Mekka Pläne zur Eroberung eines Großreiches hegte. Aber die Frage ist doch, ob das weniger glaubhaft ist als vieles andere, das als Standardinformation über Muhammad in Standardbiographien wie die von Gordon Eingang gefunden hat.
So bleibt die Frage nach dem Sinn einer x-ten Wiederholung alter Geschichten, wenn über den Propheten gesprochen wird. Sicher, das Muhammad-Kapitel ist nur eines in Gordons Buch, die anderen halte ich für besser. Aber letztlich fängt doch mit Muhammad alles an, sowohl die islamische Geschichte, so wie sie meist geschrieben wird, als auch das Studium dieser Geschichte. Und gerade zu Beginn im Anfängerunterricht sollte die Distanzierung zu den Quellen und ihre unvoreingenommene und gründliche Durcharbeitung konsequent eingeübt werden.
Anmerkung der Redaktion:
Für eine komplette Darstellung der arabischen Umschrift empfiehlt es sich, unter folgendem Link die Schriftart 'Basker Trans' herunterzuladen: http://www.orientalische-kunstgeschichte.de/orientkugesch/artikel/2004/
reichmuth-trans/reichmuth-tastatur-trans-installation.php
Ralf Elger