Stefan Marx: Heinrich Köppler (1925-1980). Politik aus christlicher Verantwortung (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte; Bd. 51), Düsseldorf: Droste 2006, 348 S., ISBN 978-3-7700-1902-1, EUR 29,80
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Die Erinnerung an Oppositionspolitiker verblasst schnell - noch schneller, wenn sie nicht im Bund, sondern in einem Bundesland wirken. Und dennoch gehören sie zur jeweiligen Landeszeitgeschichte hinzu: Heinrich Köppler, der im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 1980 einem Herzinfarkt erlag, führte die CDU im größten Bundesland in drei Landtagswahlen. Der entscheidende Erfolg, die Ablösung der sozial-liberalen Regierungskoalition in Düsseldorf, blieb ihm jedoch versagt.
Mit seinem Wechsel in die Landespolitik ließ der 44-jährige Bundestagsabgeordnete Köppler eine hoffnungsvolle Karriere im politischen Bonn der 1960er-Jahre hinter sich. So war er Kai-Uwe von Hassel im Februar 1969 nur knapp bei der fraktionsinternen Kür des Kandidaten für das Amt des Bundestagspräsidenten unterlegen gewesen. Kurz vor seinem Entschluss, in die Landespolitik zu wechseln, war er außerdem zum Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt worden. Dass Köppler in dieser Situation dem Ruf seiner Parteifreunde nach Düsseldorf folgte, dürfte wohl nicht nur auf politischen Ehrgeiz, sondern auch eine gehörige Portion Pflichtgefühl zurückzuführen sein. An Rhein und Ruhr sollte der im Rheingau gebürtige Köppler die beiden mitgliederstarken, aber zerstrittenen CDU-Landesverbände einen und den fleißigen, aber wenig charismatischen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 1970, Wilhelm Lenz, ablösen.
Was brachte der Volljurist Köppler für diese Aufgaben an Erfahrungen und Kontakten mit? Er hatte zuvor an der Spitze des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) gestanden. Anschließend, von 1956 bis 1965, war er Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), der Organisation der Katholischen Laien, gewesen. Dabei hatte er die Fähigkeit entwickelt, auf Menschen zuzugehen und verschiedenste Interessen auszugleichen, was ihn für die Rolle als Integrationsfigur prädestinierte.
Diese vom Weggefährten aber auch vom Gegner gleichermaßen geschätzte Vermittlerrolle mag später auch bei dem vergeblichen Versuch seines Rivalen Kurt Biedenkopf eine Rolle gespielt haben, Köppler im Jahre 1978 aus der Landespolitik als CDU-Bundespräsidentenkandidat wegzuloben.
Aufgrund seines Werdegangs war Heinrich Köppler als Berufskatholik verschrieen. Ein Übereinkommen zwischen CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen schien mit ihm nur schwer möglich. Dabei war Köppler kein konservativer Hardliner. Im Bundestag hatte er sich einen Namen bei der Strafrechtsreform gemacht. In der Ostpolitik zeigte er sich diskussionsbereiter als viele Unionspolitiker. Köppler war ein Pragmatiker, kein Visionär oder Theoretiker. In der NRW-Landespolitik der 1970er-Jahre war Köpplers größter Erfolg das Volksbegehren gegen die Kooperative Schule, die Schulzentren von Haupt-, Realschule und Gymnasium mit einer Orientierungsstufe in der 5. und 6. Klasse vorsah. Eltern- und Lehrerverbände befürchteten eine "sozialistische Einheitsschule". Köppler erkannte die Chance, die der Schulstreit für die Opposition bot und forcierte das Volksbegehren. Kurz nach dessen Ende annullierte die Landesregierung die betreffende Novelle zum Schulverwaltungsgesetz. Die Niederlage in dieser zentralen bildungspolitischen Frage schwächte zwar die Landesregierung und beschleunigte das Ende der Ministerpräsidentschaft von Heinz Kühn (SPD). Aber das sozial-liberale Bündnis regierte weiter.
Stefan Marx kommt das Verdienst zu, in einer handwerklich soliden Biografie das Wirken eines wichtigen Unionspolitikers der 1970er-Jahre dargestellt zu haben. Ähnlich präzise wie er das landespolitische und innerparteiliche Wirken Köpplers (167-304) darstellt, wird auch zuvor detailliert dessen Werdegang und sein kirchenpolitisches Wirken nachgezeichnet (33-166). Dabei ist der Stil von Marx stets sachlich und nüchtern. Von der Dramatik der innerparteilichen und landespolitischen Auseinandersetzungen ist wenig zu spüren, sie lässt sich aber erahnen. Auf die vom Droste-Verlag angekündigte Darstellung zur CDU-Opposition in Nordrhein-Westfalen darf man also auch nach der Köppler-Biografie gespannt sein. [1]
Neben der Literatur, umfangreichen Aktenbeständen und Presseveröffentlichungen werden auch über 50 Zeitzeugengesprächen ausgewertet. Bei aller Empathie, die beim Autor zwischen den Zeilen für den "Menschenfreund Heinrich Köppler" durchscheint, verschweigt Marx auch die Schwächen und Versäumnisse des Politikers nicht. Anhand einer abweichenden Bewertung des Berliner Viermächteabkommens, die Köppler nach innerparteilichen Widerspruch nicht aufrecht hielt, attestiert Marx ihm mangelndes politisches Stehvermögen. Außerdem vermochte es der Pragmatiker Köppler nicht, ein Profil mit Ecken und Kanten zu entwickeln. Auch das organisatorische Ziel, die beiden mitgliederstarken Landesverbände der CDU zu fusionieren, verfehlte der Parteipolitiker Köppler.
Stefan Marx räumt ein, dass man nicht von einer "Ära Köppler" in Nordrhein-Westfalen sprechen kann, da es nicht der Oppositionsführer war, der prägend wirkte. Marx schließt sich der treffenden Feststellung des langjährigen Chefredakteurs der Rheinischen Post, Joachim Sobotta, an, dass Heinrich Köppler am sozial-liberalen Zeitalter gescheitert sei.
Anmerkung:
[1] Guido Hitze: Verlorene Jahre, Die CDU-Opposition in Nordrhein-Westfalen 1975 bis 1995 (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte; Bd. 45), Düsseldorf: Droste (voraussichtlicher Erscheinungstermin: Winter 2007/2008).
Anselm Tiggemann