Nathalie Kruppa / Jürgen Wilke (Bearb.): Das Bistum Hildesheim. Die Hildesheimer Bischöfe von 1221 bis 1398 (= GERMANIA SACRA. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches. N.F. 46: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz), Berlin: De Gruyter 2006, XI + 666 S., ISBN 978-3-11-019108-0, EUR 128,00
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Uwe Grieme / Nathalie Kruppa / Stefan Pätzold: Bischof und Bürger. Herrschaftsbeziehungen in den Kathedralstädten des Hoch- und Spätmittelalters, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004
Jürgen Wilke (Hg.): Journalisten und Journalismus in der DDR. Berufsorganisation - Westkorrespondenten - 'Der Schwarze Kanal', Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2007
Jürgen Wilke (Hg.): Die frühesten Schriften für und wider die Zeitung. Christophorus Besold (1629), Ahasver Fritsch (1676), Christian Weise (1676), Tobias Peucer (1690), Johann Ludwig Hartmann (1679), Daniel Hartnack (1688). Mit einer Einführung von Jürgen Wilke, Baden-Baden: NOMOS 2015
Das ambitionierte Großprojekt Germania Sacra wurde 1917 von Paul Fridolin Kehr initiiert, seine "Neue Folge" begründete Hermann Heimpel am 1956 ins Leben gerufenen Max-Planck-Institut (MPI) für Geschichte in Göttingen. Es soll eine historisch-statistische Beschreibung der kirchlichen Institutionen des Alten Reiches von den mittelalterlichen Anfängen bis zur Reformation bzw. Säkularisation leisten, d.h. Grundlagenforschung im besten Sinne. Während die bisherigen Bände überwiegend von Universitätsprofessoren bzw. von Archivaren stammen, welche sich dieser Aufgabe über längere Zeiträume gleichsam nebenberuflich gewidmet haben, blickt die hier anzuzeigende Neuerscheinung auf andere Entstehungsbedingungen zurück, die knapp erwähnt werden müssen, will man dem Ergebnis gerecht werden.
Eine Fortsetzung des 1984 publizierten Bandes "Neue Folge 20" mit der Serie der Hildesheimer Bischöfe von der Bistumsgründung im Jahr 815 bis 1221 aus der Feder von Hans Goetting (1911-1994), einem exzellent ausgewiesenen Kenner der Materie, stellte schon seit längerem ein Desiderat nicht nur der niedersächsischen Landesgeschichte dar. Dank einer Kooperation zwischen dem Land Niedersachsen, der Diözese Hildesheim sowie der Klosterkammer Hannover konnten seit Jahresbeginn 2001 im MPI zwei volle Mitarbeiterstellen finanziert werden, deren Inhaber, Stefan Petersen und Jürgen Wilke, binnen Zweijahresfrist (!) ein druckreifes Manuskript für die Bischofsreihe bis 1502 erstellen sollten.[1] Obwohl die Quellenbestände Hildesheimer Provenienz in Hannover 1943 durch Kriegseinwirkung und 1946 durch ein Hochwasser stark dezimiert worden sind, wurde die Arbeit durch die unerwartete Fülle ungedruckten und vielfach schlecht erschlossenen Materials erschwert, überdies durch das Fehlen wichtiger Vorstudien wie moderner Bischofsregesten oder einer Bistumsgeschichte auf neuerem Forschungsstand. Stefan Petersen wechselte Ende 2002 an die Universität Würzburg, nahm "seine" Bischöfe (1398-1502) mit und hält am Ziel, das Projekt als nunmehr externer Mitarbeiter abschließen zu wollen, erfreulicherweise fest. Nachdem die Stelle von Jürgen Wilke im April 2005 ausgelaufen war, hat Nathalie Kruppa die Bischofsbiografien teils überarbeitet, teils ergänzt. So ist das fertige Buch ein von Personalwechseln nicht verschont gebliebenes Gemeinschaftsprodukt, das stets mit erheblichem Zeitdruck zu kämpfen hatte.
Die quellenkundliche Einführung (1f.) beschränkt sich auf die Verbuchung von seit 1984 erzielten Fortschritten und vermeidet damit sinnvollerweise eine Wiederholung der bereits von Goetting mit größter Sachkenntnis gebotenen Übersicht. Allerdings bleiben die Darlegungen zu Neuentdeckungen auf dem Gebiet der urkundlichen Überlieferung vage und die Bemerkungen über die Hildesheimer Chronistik sind verzerrend, denn auf die erstmals von Markus Müller 1998 näher gewürdigte Chronik des Henning Rose aus dem frühen 16. Jahrhundert wird nur indirekt verwiesen, benutzt wurde sie nicht.[2] Des Weiteren suggeriert die quellenkundliche Einführung unausgesprochen, der nun präsentierte Band entspreche Goettings Blickweite. Das ist insofern nicht zutreffend, als man etwa aus der Gattung der Bischofskataloge, die Goetting in gedruckter wie ungedruckter Gestalt heranzog, die ungedruckten bei Kruppa/Wilke ganz vermisst und die gedruckten leider nur sehr sporadisch berücksichtigt findet.[3] Über die Quellenauswahl und über Kriterien der Materialbeschränkung mag man streiten, doch sollte der Leserschaft gegenüber in diesem Punkt Transparenz angestrebt werden.
In den Abschnitten zu den einzelnen Bischöfen im Hauptteil der Studie ist vor allem das Urkundenbuch des Hochstiftes Hildesheim konsequent herangezogen und minutiös ausgewertet worden sowie aus der Geschichtsschreibung das im 11. Jahrhundert begonnene Chronicon Hildesheimense und die deutschsprachige Bischofschronik des Hildesheimer Bürgermeisters Hans Wildefuer, entstanden vor 1538.
Die Bischofsviten setzen mit Konrad II. 1221 ein, schließen also zeitlich unmittelbar an den Vorgängerband von Goetting an, und reichen kaum zufällig bis 1398, dem Todesjahr von Gerhard von Berge, denn damit endet zeitlich auch das Urkundenbuch des Hochstiftes Hildesheim. In die behandelte Periode fällt der Aufbau des Hochstifts Hildesheim, geprägt war sie insbesondere durch eine Vielzahl von Auseinandersetzungen mit lokalen Machthabern, vorrangig den welfischen Herzögen. Gewürdigt werden zwölf Prälaten, deren Leben und Wirken unter folgenden, teilweise um zusätzliche Kategorien ergänzten Rubriken vorgestellt wird: Herkunft und Familie, Bildung und Laufbahn, Wahl und Weihe, Verhältnis zum päpstlichen Stuhl, Verhältnis zu König und Reich, Verhältnis zum Metropoliten, Tätigkeit als Ordinarius, Tätigkeit als Landesherr, Verhältnis zur Stadt Hildesheim, Innenpolitik und Finanzen, Außenpolitik, Tätigkeit außerhalb der Diözese Hildesheim, Tod und Bestattung, Nachrichten in Literatur und Verehrung, Siegel und Münzwesen. Diese bewährte Standardisierung der Artikel ermöglicht die bequeme Benutzung des Bandes als Handbuch, unterstützt durch das von Neele Kämpf sorgfältig erstellte Register der Personen- und Ortsnamen.
Von vielen wichtigen Einzelerkenntnissen abgesehen, beweist die faktengesättigte und auf solidem Literaturfundament beruhende Darstellung insgesamt, dass die bisherige Annahme, nach der Resignation Konrads II. (1246/47) seien die Hildesheimer Hirten in lokale Bedeutungslosigkeit herabgesunken, zu revidieren ist. Für die zukünftige Forschung stellt der Band ein wichtiges Hilfsmittel dar und hält einen üppigen Fundus zur weiteren Auswertung bereit.
Anmerkungen:
[1] Vgl. die regelmäßigen Jahresberichte zur Germania Sacra im ersten Jahrgangsheft des Deutschen Archivs für Erforschung des Mittelalters (DA). Zum Projekt Hildesheimer Bischofsreihe zuerst in: DA 57 (2001), 416.
[2] Markus Müller: Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung. Überlieferung und Entwicklung (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 44, 1998), Köln / Weimar / Wien 1998, 91f. Bei Kruppa/Wilke unerwähnt bleibt die von Klaus Naß: Die Reichschronik des Annalista Saxo und die sächsische Geschichtsschreibung im 12. Jahrhundert (= MGH Schriften, 41), Hannover 1996, 400-419; aus Exzerpten bei Dietrich Engelhus rekonstruierte und edierte Chronik des 12. Jahrhunderts aus dem Hildesheimer Michaeliskloster.
[3] Vgl. hierzu künftig Martina Giese: Hildesheimer Bischofskataloge des 11. bis 16. Jahrhunderts, in: DA 63 (2007) (im Druck).
Martina Giese