Mary Sponberg Pedley: The Commerce of Cartography. Making and Marketing Maps in Eighteenth-Century France and England (= The Kenneth Nebenzahl, Jr., lectures in the history of cartography), Chicago: University of Chicago Press 2005, xvii + 345 S., ISBN 978-0-226-65341-9, USD 40,00
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Etablierte Themen der faktenbezogenen Kartografiegeschichte sind die drei Bereiche Biografie, Bibliografie und metrisch-inhaltliche Analyse. Nun waren und sind Landkarten aber auch ein Wirtschaftsgut, das marktgerecht konzipiert, dann produziert und schließlich verkauft werden musste. Zu diesen bisher kaum beachteten Aspekten hat die amerikanische Kartenhistorikerin Mary Sponberg Pedley nach jahrzehntelanger Materialsammlung eine bemerkenswerte Studie vorgelegt.
Pedley konzentriert das Thema zeitlich auf das "lange achtzehnte Jahrhundert" von etwa 1650 bis 1820, räumlich auf Frankreich und England. Beide Länder waren Zentren der Aufklärung und gleichzeitig aufstrebende Konkurrenten um die Weltmacht. Diese Auswahl ist auch weiter begründbar. Spanien spielte in der Kartenpublikation nie eine Rolle. Über die "Kartenweltmacht" Niederlande, die ihren Höhepunkt zu dieser Zeit allerdings schon überschritten hatte, liegt eine reiche Spezialliteratur bereits vor. Die vergleichende Beschränkung auf England und Frankreich ermöglicht die Herausarbeitung der signifikanten Unterschiede. In der Zusammenfassung in einem Satz: In dem strenger zentralistisch wie merkantilisch geprägten Frankreich hatte die Kartografie weitaus bessere Möglichkeiten zur Blüte als in dem kleinräumiger organisierten England. Dies wird von Pedley in kluger Gliederung in drei Hauptabschnitten dargelegt.
Teil 1 "Making maps" geht zunächst aus von den beiden Wegen für die Erstellung eines topografischen Kartenentwurfs: der unmittelbaren Umsetzung originaler Geländeaufnahmen und der Kompilation auf der Basis bereits publizierter Karten. In beiden Sparten hatte Frankreich die bessere Ausgangssituation durch die bessere Ausbildung seiner Fachleute, etwa durch die Jesuitenschulen, die Ingenieurkorps der Armee und die längere Tradition der Grafikproduktion. In England kamen die als Kartografen Tätigen aus allen möglichen Berufen. Anschließend betrachtet Pedley die Kosten auf den einzelnen Stufen der Kartenherstellung. Geländeaufnahmen waren - von den Geometerlöhnen bis zu den Futterkosten der Transportmulis - aufwändiger und teurer. Sie waren in Frankreich häufiger wegen der stärkeren Förderung von staatlicher oder halbstaatlicher Seite. Die Arbeit von Kompilatoren ging schneller und billiger voran, allerdings waren hier die Löhne einfacher zu drücken. Durchgeführte Kartierungen wurden nicht immer gedruckt. So war bei den in England verbreiteten Besitzkartierungen der Bedarf an Exemplaren so klein, dass eine handschriftliche Vervielfältigung billiger war. Nach der unternehmerischen Entscheidung zum Druck standen weitere Kostenüberlegungen an. Die Untersuchungen Pedleys reichen hier vom Beschaffungspreis der Kupferplatten über die Vergabe der Stecherarbeiten bis zur Qualität von Papier und Kolorierung. So erklärt sich zum Beispiel die wenig dekorative Kartengestaltung einiger Verlage aus der Ersparnis von Künstlerhonoraren für die Kartuschenentwürfe.
In Teil II "Selling maps" wird das gesamte Spektrum von der Preisgestaltung über die Auflagenhöhe und die Verkaufswege bis zur Finanzierung untersucht. Generell verteuerte sich die Produktion im Verlaufe des 18. Jahrhunderts. Importe waren durchweg teurer als Produkte aus dem eigenen Land. Etliche Kartenwerke kamen überhaupt nicht in den Handel, sondern wurden von den Auftraggebern bezahlt und verteilt. Die private Verlagskartografie minderte ihre Kosten durch Widmungen, Subskription oder Partnerschaften mit Kollegen. Ein besonderes Problem waren die ständigen Plagiate. Sowohl die englischen Copyright Acts als auch das französische Privilège du Roi stellten keine wirkliche Lösung dar. Durch geringfügige Änderungen war es für Kopisten einfach, diesen Schutz ganz legal zu umgehen. Die komplizierten Abläufe von der Vermessung über die Druckfinanzierung und dann Publikation, Plagiat und Rückkopie stellt Pedley ausführlichst an einem gut dokumentierten Beispiel dar, einer erstmals 1776 in London gedruckten Karte der Narragansett Bay (Rhode Island).
Teil III "Evaluating maps" handelt mit einer weiteren Fülle von Einzelheiten über die drei wesentlichen Faktoren für die Güte einer Karte: topographische Genauigkeit, inhaltliche Aktualität und handwerkliche Qualität. Generell waren die französischen Karten besser als englische. Allerdings kam es in beiden Ländern vor, dass Druckplatten ohne wesentliche Änderungen über ein Jahrhundert lang in Gebrauch waren. Mit Blick auf das gesamte Preisgefüge waren Karten in Frankreich weit mehr ein Luxusgut als in England, wo sie im späteren 18. Jahrhundert als Magazinillustrationen zur Massenware wurden. Dennoch hatten französische Kartenprodukte wegen ihrer besseren Qualität international den wesentlich größeren Marktanteil.
Im Fazit ist diese Studie von Mary Sponberg Pedley ein hochgelehrtes Werk, in dem Anmerkungen, Literaturverzeichnis und ein umfangreicher Tabellenanhang drei Siebtel des Umfanges ausmachen. Die Crux des ganzen Themas ist die extrem zerstreute Daten- und Quellenlage; aus dieser Zeit ist kein einziges Verlagsarchiv erhalten. Es ist der Autorin aber gelungen, zumindest in groben Linien ein anschauliches Gesamtbild zu zeichnen. Auch der Spezialist lernt hier noch viel hinzu und findet anderes bestätigt, was er bisher nur vermutet hat. Für Parallelen sei hingewiesen auf die Beiträge von Markus Heinz in dem Ausstellungskatalog "auserlesene und allerneueste Landkarten. Der Verlag Homann in Nürnberg 1702-1848" (Nürnberg 2002). Die Weiterarbeit an diesen profanen Aspekten der deutschen Kartografiegeschichte wird mühselig sein, sie sei aber trotzdem angeregt.
Peter Meurer