Alan K. Bowman / Peter Garnsey / Averil Cameron (eds.): The Cambridge Ancient History. Second Edition. Volume XII : The Crisis of Empire, A.D. 193-337, Cambridge: Cambridge University Press 2005, xviii + 965 S., ISBN 978-0-521-30199-2, GBP 120,00
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Averil Cameron: The Mediterranean World in Late Antiquity. AD 395-700, 2nd ed., London / New York: Routledge 2012
Der 12. Band der zweiten Auflage der "Cambridge Ancient History" umfasst die Zeit vom Herrschaftsantritt des Septimius Severus (193 n. Chr.) bis zum Tod Konstantins 337. [1] Er umgreift damit mehrere Phasen, die in der Forschung häufig voneinander separiert worden sind, und nutzt die sich dadurch eröffnende Gelegenheit, stärker als gewöhnlich auf Kontinuitäten als auf Zäsuren zu blicken, geschickt aus. Vor allem die 'Krise' des 3. Jahrhunderts - programmatisch im Untertitel des Bandes apostrophiert - wird dabei in größere Kontexte eingebettet, aber auch das vermeintliche Epochenjahr 284 verliert an Strahlkraft. Insbesondere mit der Einrichtung der Tetrarchie habe Diokletian, so Elio Lo Cascio, lediglich Entwicklungen aufgegriffen und systematisiert, die sich bereits zuvor - insbesondere unter Gallienus - angedeutet hätten (162). Nicht nur in dieser Aussage spiegeln sich die Erträge der internationalen Forschung der letzten Jahrzehnte, sondern allen Autoren des Bandes gelingt es in bemerkenswerter Weise, den aktuellen Stand der Diskussion darzulegen und von älteren, z.T. weiterhin kanonische Gültigkeit besitzenden Thesen abzugrenzen.
Auf knapp 1000 Seiten wird dementsprechend ein konzises, informatives und aktuelles Bild vom Imperium Romanum und seinen Nachbarn im 3. und frühen 4. Jahrhundert gezeichnet. So diskutiert etwa Brian Campbell differenziert das komplizierte Verhältnis des Septimius Severus zu den Soldaten, von denen er trotz immenser Zugeständnisse letztlich doch abhängig war, ohne freilich ein "military emperor" zu sein (9f.). John Drinkwater sei stellvertretend für die Autoren des Bandes erwähnt, die - implizit oder explizit - die Diskussion über die 'Krise' des 3. Jahrhunderts aufgreifen; seiner Ansicht zufolge könne überhaupt nur für die Phase von den späten 240er Jahren bis etwa 270 von einer Krise gesprochen werden, während zuvor "the final phase of the Severan world" zu Ende gegangen sei und nach 270 bereits erste Konsolidierungsleistungen erkennbar seien (60). Rom jedenfalls habe zu keinem Zeitpunkt des 3. Jahrhunderts vor dem Kollaps gestanden, und die Reformen, zu denen das Reich aufgrund der äußeren und inneren Lage gezwungen worden sei, hätten wichtige Stabilisierungen eingeleitet, so dass die 'Krise' letztlich nicht nur Roms Schwächen, sondern insbesondere auch seine Stärken offenbart habe (64). Dass Drinkwater vor diesem Hintergrund die Leistungen Aurelians eher bescheiden veranschlagt (62), verwundert allerdings.
Die These, Diokletian sei keineswegs ein selbst erklärter großer Reformer gewesen, sondern habe in erster Linie auf aktuelle Probleme ad hoc reagiert, steht im Zentrum der Ausführungen Alan Bowmans zu "Diocletian and the first tetrarchy, A. D. 284-305"; auch die Einrichtung der Tetrarchie gehe vor diesem Hintergrund kaum auf ein vorgefasstes, diffiziles Gesamtkonzept zurück, sondern habe sich allmählich aus situativen Erfordernissen heraus entwickelt. Aus diesem Grunde habe Diokletian auch zahlreiche Reformen nicht zu Ende geführt und seinen Nachfolgern teilweise schwere Hypotheken und Baustellen hinterlassen (88).
Mit großer Souveränität gelingt es Averil Cameron, einen Überblick über Aufstieg und Herrschaft Konstantins zu geben, wobei sie - mit Blick auf die Debatten um Konstantins Religionspolitik - insbesondere die Überschneidungen zwischen paganen und christlichen Vorstellungen herausarbeitet und Konstantin zugute hält, dass er sich selbst als Christ gesehen habe (107f.).
Im Folgenden erörtern Brian Campbell, Elio Lo Cascio, David Ibbetson und David Johnston zentrale Aspekte zum Thema "Government and Administration". Eine eher reaktive Politik der Kaiser wird auch von Campbell mit Blick auf die Armee angenommen; militärische Entscheidungen seien im 3. Jahrhundert jedenfalls in der Regel ad hoc und ohne Rekurs auf umfassende strategische Gesamtkonzepte erfolgt. Dennoch sei die Armee - trotz aller Wirren und Veränderungen - als stabilisierender Faktor anzusehen, sei weiterhin schlagkräftig geblieben und in ihrer Grundordnung auch durch die andauernden Bürgerkriege nicht nachhaltig gestört worden (111ff.). Kontinuitäten im Recht während des 3. und frühen 4. Jahrhunderts betont David Johnston, der einen gravierenden Einschnitt erst mit der Herrschaft Konstantins ansetzt (207).
Ein eigener Abschnitt des Bandes ist den Provinzen gewidmet, der - eingeleitet von grundsätzlichen Bemerkungen zur "Frontier History" (John Wilkes) - zunächst die Verwaltungsstrukturen in den Blick nimmt (Jean-Michel Carrié) und schließlich Ägypten ein eigenes Kapitel widmet (Alan Bowman). Die 'Krisen'-Debatte wird dabei u.a. mit Blick auf das Schicksal der Städte wieder aufgegriffen und differenziert diskutiert (293ff.).
Im Anschluss an Mireille Corbiers Ausführungen zur "Economy of the Empire" diskutiert Malcolm Todd auf breiter Grundlage die Veränderungen im germanischen Raum, die zu den teils chaotischen Verhältnissen im Imperium Romanum während des 3. Jahrhundert geführt haben (Auftreten der neu geformten Stammesverbände als Resultat innergermanischer gesellschaftlicher Transformationsprozesse), bevor Richard Frye die Sassaniden als neuen, gefährlichen Rivalen Roms im Osten vorstellt. Insbesondere aufgrund der im Vergleich zu Roms nördlichen Nachbarn oder den (von Maurice Sartre diskutierten) Arabern weitaus höher entwickelten Staatlichkeit hätten die Sassaniden ein derart hohes Gefahrenpotenzial für das Imperium Romanum entfalten können, wie es sich seit dem 3. Jahrhundert offenbarte.
Der letzte Abschnitt des Bandes bietet grundlegende Erörterungen von Garth Fowden, Mark Edwards und Graeme Clarke zu den religiösen Verhältnissen im betrachteten Zeitraum, gefolgt von Janet Huskinsons Überlegungen zu "Art and Architecture". Die Geschichte der Christen im 3. Jahrhundert wird dabei von Graeme Clarke vor allem als Geschichte der Verfolgungen erzählt, gipfelnd in der diokletianischen Verfolgung, der der Autor eine ausführliche Betrachtung widmet (647ff.).
Mit dem 12. Band der "Cambridge Ancient History" liegt einmal mehr ein grundlegendes Handbuch vor. Es bezieht seine Stärken insbesondere aus der gelungenen Einbettung des aktuellen Forschungsstandes in klare, gut gegliederte und präzise argumentierende Erzählstrukturen. Der Leser wird es daher in Kauf nehmen, dass aufgrund der nicht immer nachvollziehbaren, mitunter sperrig wirkenden Gliederung thematisch zusammenhängende Komplexe manchmal auseinandergerissen werden (z.B. die Ausführungen Bowmans und Clarkes zur diokletianischen Christenverfolgung). Alles in allem handelt es sich um ein Handbuch, das seinen Ansprüchen gerecht wird und den Namen verdient. Man wird nicht zuletzt wegen der hervorragenden Ausstattung (Appendices, Stemmata, Zeittafel, mehr als 100seitige Bibliographie, Karte, ausführliches Register) immer wieder gerne darauf zurückgreifen.
Anmerkung:
[1] Bereits der 12. Band der 1. Auflage hatte einen ähnlichen zeitlichen Zuschnitt, endete aber mit Konstantins Triumph über Licinius im Jahr 324, vgl. S. A. Cook / F. E. Adcock / M. P. Charlesworth / N. H. Baynes (Hgg.), The Cambridge Ancient History. Vol. XII: The Imperial Crisis and Recovery A.D. 193-324, Cambridge 1939.
Mischa Meier