Rezension über:

Maria Luisa Allemeyer / Manfred Jakubowski-Tiessen / Salvador Rus Rufino (Hgg.): Von der Gottesgabe zur Ressource. Konflikte um Wald, Wasser und Land in Spanien und Deutschland seit der Frühen Neuzeit, Essen: Klartext 2007, 304 S., ISBN 978-3-89861-748-2, EUR 29,90
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Rezension von:
Katja Hürlimann
Zürich
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Katja Hürlimann: Rezension von: Maria Luisa Allemeyer / Manfred Jakubowski-Tiessen / Salvador Rus Rufino (Hgg.): Von der Gottesgabe zur Ressource. Konflikte um Wald, Wasser und Land in Spanien und Deutschland seit der Frühen Neuzeit, Essen: Klartext 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 9 [15.09.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/09/12729.html


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Maria Luisa Allemeyer / Manfred Jakubowski-Tiessen / Salvador Rus Rufino (Hgg.): Von der Gottesgabe zur Ressource

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In der Umweltgeschichte der letzten Jahre sind Denk- und Handlungsmuster im Umgang mit den Ressourcen Wald, Wasser und Land mehrfach untersucht worden. Vor allem der Übergang vom multifunktionalen bäuerlichen Nährwald zum Holzproduktionswald im Deutschland des 19. Jahrhunderts stand - als Folge der Auseinandersetzung in der Forstgeschichte um die Existenz einer Holznot - immer wieder im Zentrum der Untersuchungen. Dabei wurde mehrfach auf die unterschiedlichen Funktionen, die Wald in dieser Zeit zugeschrieben wurden, hingewiesen. Die Parallelen dieses Übergangsprozesses im internationalen Vergleich sowie zwischen verschiedenen Ressourcen sind dagegen noch kaum herausgearbeitet worden. Der vorliegende Sammelband fokussiert genau diese Problematik des Umgangs mit Ressourcen in der Übergangsphase zu einer kommerzialisierten Nutzung. Er präsentiert die Resultate einer Tagung des Max-Planck-Instituts für Geschichte (Göttingen) und der Representació Histórica Española en Alemania im Oktober 2006 in León und versammelt Beiträge von deutschen und spanischen Umwelthistorikern und -historikerinnen.

Im ersten Beitrag beschreibt Marie Luisa Allemeyer Konflikte im Zusammenhang mit dem Deichbau und -unterhalt an der schleswig-holsteinischen Westküste im 17. und 18. Jahrhundert und macht dabei andere tiefer liegendere gesellschaftliche, politische und das Weltbild betreffende Aushandlungsprozesse aus. Sie konstatiert, dass die Bereitschaft zur Investition in den Bau oder Unterhalt von Dämmen von der Einschätzung der Schutzwirkung gegen das Meer abhängig gewesen sei. Darüber hinaus zeigt sie, dass für die Anwohner der Bau von Deichen einen Eingriff in die von Gott geschaffene Weltordnung darstellte. Manfred Jakubowski-Thiessen beschäftigt sich mit der gleichen Gegend rund 200 Jahre später. Die Auseinandersetzungen drehten sich nun um die Bildung eines Nationalparks im Wattenmeer. Naturschutz stand vielen Anwohnern einem ökonomischen Umgang mit dem Wattenmeer entgegen. Sie beriefen sich auf ihre Gewohnheitsrechte in der Fischerei und auf die zentrale Rolle der Deiche für den Küstenschutz. Die Naturschützer wurden als die Fremden wahrgenommen, die den Friesen "ihr Wattenmeer" wegnehmen wollten. Die beiden Beiträge zeigen deutlich, wie sich das Verhältnis zu den Deichen in den 200 Jahren gewandelt hat. Diese sind nun ein zentrales Element der kulturellen Identität der Anwohner geworden.

Richard Hölzl und Anna Cabana Iglesia gehen von Konflikten aus, die im Zusammenhang mit Reformen in der Waldnutzung in Bayern bzw. in Galizien ausgebrochen sind. Bei beiden geht es um Reformen in der Waldnutzung. Dabei arbeiten sie einerseits die Entwicklung des Eigentumsbegriffs vom geteilten Eigentum hin zum vollumfänglichen Verfügungsrecht, andererseits den Prioritätenwandel in der Waldnutzung heraus. In Galizien wie in Bayern war der frühneuzeitliche Wald eine multifunktional genutzte Wirtschaftsfläche, nämlich ein bäuerlicher Nährwald. Während Iglesia in Galizien den Wandel zur industriellen Waldnutzung betont, sodass auch eine professionalisierte Viehzucht ihren Platz hat, verweist Hölzl für Bayern auf das forstwirtschaftliche Paradigma der Holzproduktion.

Den Abschluss des Bandes bilden zwei Beiträge, die bäuerliche Konflikte als sozioökologische Auseinandersetzung ins Zentrum ihrer Untersuchung stellen. David Soto Fernández, Antonio Herrera González de Molina, Manuel González de Molina und Antonio Ortega Santos präsentieren ein konzeptionelles Schema sozioökonomischer Proteste vom 18. bis ins 20. Jahrhundert, mit dem Ziel, der Logik dieser Konflikte auf die Spur zu kommen. Das Schema, das letztlich bäuerlichen Widerstand kategorisiert, unterscheidet analytisch Verteilungs- und Reproduktionskonflikte (Konflikte um die Art und Weise der Nutzung) sowie den Grad der Kommerzialisierung der Nutzung. Eine Kommerzialisierung der Waldnutzung ist zwar auch in Deutschland (dort in Form der Holzproduktion) zu beobachten, die deutsche Forstwirtschaft argumentierte jedoch von Anfang an mit der Nachhaltigkeit, die nur durch eine forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes gewährleistet sei. In Spanien scheint dagegen die nachhaltige Wirtschaft kein Privileg der kommerzialisierten Nutzungsformen zu sein.

Exemplarisch präsentiert dann Antonio Ortega Santos im abschließenden Beitrag des Bandes sozioökologische Konflikte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert am Beispiel Ostandalusiens und fokussiert dabei in erster Linie die Waldnutzung. Er zeigt, wie die Abkehr vom multifunktionalen Wald zu einer industriellen Bewirtschaftungsform der armen ländlichen Bevölkerung die Lebensgrundlage entzog und nun ehemals bäuerliche Formen der Waldnutzung kriminalisiert wurden. Dadurch sei eine "Forstkriminalität" entstanden. Seine Resultate bestätigen die deutschsprachige Literatur zum Thema "Waldfrevel", die ausgehend von Karl Marx ganz ähnliche, dem Labeling Approach entliehene Resultate beschrieb.

Sowohl in Spanien wie in Deutschland sind die Reformprozesse von einem Wandel des Eigentumsbegriffs begleitet. Das geteilte Eigentum, basierend auf Nutzungsrechten, die auf verschiedene Inhaber verteilt sein konnten, wandelte sich in ein vollumfängliches Verfügungsrecht. Erstaunlich eigentlich, dass die Beiträge nicht auf die Untersuchung von Stefan von Below und Stefan Breit, "Wald - von der Gottesgabe zum Privateigentum" [1], genauer eingehen, die das Phänomen anhand von Bayern und Bern darlegte.

Abschließend kann festgehalten werden: Der Sammelband zeigt das Potenzial vergleichender Zugänge auf, indem er die Möglichkeiten anhand hervorragender Beispiele darlegt. Leider werden die Fallstudien nebeneinander präsentiert, sodass die vergleichende Arbeit erst noch vorgenommen werden müsste. Methodische Divergenzen befruchten den Band, erschweren aber die Vergleichbarkeit der Resultate: So argumentieren die spanischen Autoren und Autorinnen primär makroökonomisch und sozialwissenschaftlich, die deutschen Forscher und Forscherinnen wählten einen verstärkt kulturgeschichtlichen Zugang. Zu bedauern ist, dass der Band zwei Einleitungen enthält. Damit wird eine Zusammenführung der beiden Forschungsstränge von Anfang an vernachlässigt und die Chance verpasst, die unterschiedlichen methodischen Zugänge der Geschichtsforschung der beiden Länder darzulegen. Außerdem scheinen die Texte nach der Übersetzung nochmals bearbeitet worden zu sein, denn sie enthalten je nach Sprache unterschiedliche Anmerkungen. Methodisch ist insbesondere der Fokus auf dem Konflikthandeln in Auseinandersetzungen um die Umwelt herauszuheben. Er verdeutlicht erneut die Bedeutung der kulturgeschichtlich ausgerichteten Umweltgeschichte.


Anmerkung:

[1] Stefan von Below / Stefan Breit: Wald - von der Gottesgabe zum Privateigentum. Gerichtliche Konflikte zwischen Landesherren und Untertanen um den Wald in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1998.

Katja Hürlimann