Piroschka Dossi: Hype! Kunst und Geld, München: dtv 2007, 259 S., ISBN 978-3-423-24612-5, EUR 14,50
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Diesem Buch kann man in einem wissenschaftlichen Rezensionsjournal kaum gerecht werden. Es ist, obgleich es einen Anmerkungsapparat enthält, ersichtlich nicht für die Wissenschaft geschrieben. Aufgeregt schreit einen der Umschlag an: Vor einer orangefarbigen Grundfläche steht ein Raster aus roten Dollarzeichen, zwischen denen grüne Dollarzeichen den Buchtitel bilden: Hype! Nicht weniger aufgeregt startet der Text: "Der Kunstmarkt boomt. Die Preise explodieren. Die Party, die auf dem Kunstmarkt gefeiert wird, gleicht einem Tanz auf dem Vulkan." (9) Dieser Auftakt ist repräsentativ für den Stil des ganzen Buches.
Hype! möchte beleuchten, auf welche Weise die grundlegenden Prinzipien des Kunstmarktes zusammenwirken (12). Dossi konzentriert sich dabei auf das einzelne Beispiel, Anekdoten und Aperçus, inhaltlich sortiert in fünf Kapitel über den Kunstmarkt, den Sammler, den Händler, den Künstler und schließlich das Kunstwerk. Eine wissenschaftliche Distanz zum Untersuchungsgegenstand baut Dossi nicht auf. Die zuweilen bemüht flotte Schreibe suggeriert einen Magazinartikel aus Hamburg oder München, und das Buch liest sich genauso, nur länger. Wer in den letzten Jahren die Feuilletons und Kultursendungen verfolgt hat, darf sich auf ein Wiedersehen mit den Geschichten von Saatchi und dem Hai (67ff.), dem Kunstdieb Stéphan Breitwieser (71ff.) sowie dem einen oder anderen Auktionsrekord samt zugehöriger Anekdote freuen. Der Blick in die Anmerkungen (237-252) verrät auch eine mögliche Ursache dafür. Die Autorin hat sehr viele Zeitschriften- und Zeitungsartikel des frühen 21. Jahrhunderts verarbeitet, zum Teil auch nur zusammengefasst. Das sorgt zum einen für Aktualität, hinterlässt zum anderen aber ein Gefühl der Kurzatmigkeit. Vom Standpunkt des Kunsthistorikers, der sich mit Phänomenen rund um Kunst und Geld auseinandersetzt, wird man ein Gefühl der Ambivalenz nicht gänzlich los. Das liegt nicht an den leicht abgedroschenen Metapherversatzstücken wie dem erwähnten Tanz auf dem Vulkan (9) oder Filmen, die "ein Schlaglicht auf die dunkle Seite des Mondes" werfen (59) - deren Beurteilung bleibt letztlich Geschmackssache. [1] Manchmal konterkarieren derartige Formulierungen aber auch eine sachliche Auseinandersetzung mit einem zu erörternden Problem, wenn etwa das Museum als "krönende Instanz der Kunst" evoziert wird (100).
Die erwähnte Ambivalenz gegenüber Hype! liegt vielmehr darin begründet, dass das Buch selbst Teil der medial inszenierten Sphäre ist, die es beschreibt. In dieser Rolle ist es auch in den Feuilletons und im Rundfunk im Frühjahr 2007 so ausgiebig vorgestellt und rezensiert worden [2], wie es seinerseits die schnelle Nachricht verarbeitet. Auf der Strecke bleiben bei all der heißgelaufenen Aktualität oft Genauigkeit und Anspruch, etwa wenn auf Pierre Bourdieu erst im fünften Kapitel und dann mit einem leicht veränderten Buchtitel verwiesen wird (251) oder wenn Dossi auf Bronislaw Malinowskis Argonauten des westlichen Pazifik von 1922 hinweist (49-51), dafür aber Marcel Mauss' Essai sur le don (1923/24) unerwähnt lässt. [3] Das ist für einen langen Zeitschriftenartikel in Ordnung, für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem spannenden Thema wäre eine gründlichere Vorgehensweise notwendig gewesen. Dass hin und wieder die Anmerkungen als Quellenangaben etwas sparsam eingesetzt sind, ist auch für ein populärkulturkritisches Buch ärgerlich.
Vertieftes Hintergrundwissen wird in Hype! nicht geboten, was nicht heißt, dass die präsentierten Erkenntnisse uninteressant sind. Hinter dem reißerischen Ton lassen sich zahlreiche interessante Beobachtungen und Notizen Dossis ausmachen. Informativ sind die Abschnitte über die für das Verhältnis von Kunst und Geld üblichen Verdächtigen aus der Kunstgeschichte: Warhol, Koons, die Mona Lisa, Picasso und Duchamp werden von Dossi herbeizitiert und lassen gewisse historische Kontinuitäten erahnen. Viele Bemerkungen des Buches bleiben jedoch oberflächlich oder verkürzen den betrachteten Sachverhalt bis an die Grenze einer vagen Beliebigkeit, etwa bei der Einordnung des mittelalterlichen Reliquienhandels (19f.). Die Erkenntnis, dass Gier der Treibstoff des Kunstmarktes ist (70), ist letztlich so spektakulär wie die Einsicht, dass im Sport gedopt wird. Gegensätze faszinieren Dossi: Kunst oder Nichtkunst? (196) Expertise oder Kaufkraft? (199) Sein oder Haben? (235) Die Zwischentöne des Sowohl-als-auch gehen indes im Hype! unter.
Das Kapitel über die Händler kann hier als Beispiel dienen: So schreibt Dossi, dass Händler Kunst in Geld verwandeln (103), leider ohne darauf einzugehen, dass bei derselben Transaktion auch Geld in Kunst verwandelt wird, nämlich auf der Käuferseite. Das ist umso merkwürdiger, als sie selbst feststellt, dass Sammler sich meistens an "ihre" Galeristen halten (106f.). Die Erkenntnisse über die Motivationen der Sammler (und damit der Käufer) aus Kapitel zwei bleiben unverknüpft. Dossi stellt ihre Geschichten und Erklärungen einfach nebeneinander. Weitere Einsichten zum Kunsthandel betreffen die Kritiker, die sich am Handel orientieren, weil sie sonst nichts zu sagen haben (106), sowie die Typen des visionären, "seine" jungen unbekannten Künstler fördernden Galeristen einerseits und des rein profitorientierten Kunsthändlers andererseits (107). Diese Darstellung ist symptomatisch dafür, wie in Hype! Phänomene überzeichnet und Zwischenformen ausgeblendet werden. Ähnlich legt Dossi den Unterschied zwischen Galerien und Auktionshäusern dar. Vor allem fasziniert sie, dass auf Auktionen viel höhere Preise bezahlt werden als in der Galerie. Doch statt den oftmals feinsinnigen Interdependenzen beider Agenten auf dem Markt und deren komplexen Verschränkungen der Wertesysteme von Geld und Kunst nachzugehen, definiert sie die Galeristen schlicht als Verteidiger der Kunst und die Auktionshäuser als Kapitalisten (123f.). Hierfür beruft sie sich auf Velthuis [4], der freilich den Sachverhalt sehr viel differenzierter analysiert und eigentlich nicht für Dossis Darstellung in Anspruch genommen werden kann. Solche Verkürzungen sind schon deshalb beklagenswert, weil sie andere Beobachtungen in den Schatten stellen, die in einer umsichtigeren Darstellung der Zusammenhänge ihren Platz hätten finden können; so etwa eine interessante Unterscheidung zwischen Galeristen und Auktionshäusern: Während für erstere der Wert eines Künstlers Ausgangspunkt der wirtschaftlichen Strategie ist, orientieren sich letztere an den Werten der einzelnen Werke (124). Dossi lässt hier Chancen zum Erkenntnisgewinn verstreichen, um ihre klare Einteilung der Kunstwelt nicht aufgeben zu müssen. Wirkliche Einsichten in die Mechanismen des Kunstmarktes ("Quersumme aus Angebot und Nachfrage", 124) gelingen so indes kaum.
Fazit: Wer gern auch einmal etwas anderes als ein Fachbuch liest und sich mit dem Stil der Autorin anfreunden kann, findet in Hype! eine zuweilen durchaus anregende Lektüre für den Flug zwischen Kunstmesse und Vernissage oder zur Erholung am Strand nach einem anstrengenden Bieterduell im Auktionssaal. Dabei sollten Kunden, die Hype! bestellt haben, auch einen Blick ins Ausland werfen. Judith Benhamou-Huet, deren englische Übersetzung ihres Bandes Art Business [5] auch Dossi gern verarbeitet und deren schriftstellerischen Ton sie nachzueifern scheint, hat jüngst mit Art Business (2) im Genre der Kunstbusinessklatschspaltenbücher nachgelegt. [6] Das wirklich gute Buch zum Thema hat hingegen Don Thompson geschrieben: The $12 Million Stuffed Shark [7] versteht es, sich vom Hype nicht vereinnahmen zu lassen, sondern kritische Distanz zu bewahren, vermittelt aus eigener Erfahrung gewonnene so interessante wie differenzierte Einsichten in die Mechanismen des Kunstmarktes und ist darüber hinaus noch geistreich geschrieben und angenehm zu lesen.
Anmerkungen:
[1] Der eine oder andere Journalist mag das Buch als "mit Esprit geschrieben" empfinden; vgl. http://www.welt.de/welt_print/article1570227/ Gier_ist_der_Treibstoff_des_Kunstmarktes.html
[2] Lesenswert die Kritiken von Isabelle Graw, in: Die Zeit 31/2007 v. 26.07.2007, 51, online unter http://www.zeit.de/2007/31/Das_Kunstwerk_in_Zeiten_der, und Stefan Lüddemann, in: Welt am Sonntag v. 24.07.2007, online unter http://www.welt.de/wams_print/article970539/ Nur_wenn_ein_Werk_teuer_ist_ist_es_Kunst.html
[3] Dt. Marcel Mauss: Die Gabe, Frankfurt am Main 1990.
[4] Olav Velthuis: Talking Prices. Symbolic Meanings of Prices on the Market for Contemporary Art, Princeton / Oxford 2005.
[5] Judith Benhamou-Huet: The Worth of Art. Pricing the Priceless, New York 2001, ist die englische Übersetzung von: Art Business. Marché de l'art ou l'art de marché, Paris 2001.
[6] Judith Benhamou-Huet: Art Business (2), Paris 2007; englische Übersetzung The Worth of Art (2), New York 2008.
[7] Don Thompson: The $12 Million Stuffed Shark. The Curious Economics of Contemporary Art and Auction Houses, London 2008.
Grischka Petri