Anja Grebe: Albrecht Dürer. Künstler, Werk und Zeit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006, 191 S., ISBN 978-3-534-18788-1, EUR 29,90
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G. Ulrich Großmann / Franz Sonnenberger (Hgg.): Das Dürer-Haus. Neue Ergebnisse der Forschung, Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum 2007, 288 S., ISBN 978-3-936688-24-5, EUR 35,00
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Christian Ottersbach: Befestigte Schlossbauten im Deutschen Bund. Landesherrliche Repräsentation, adeliges Selbstverständnis und die Angst der Monarchen vor der Revolution 1815-1866, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2007
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Philip Steadman: Renaissance Fun. The machines behind the scenes, London: UCL Press 2021
Albrecht Dürer gehört zu den herausragenden Künstlern im Europa am Aufgang der Frühen Neuzeit mit einem außerordentlich hohen Bekanntheitsgrad bis zum heutigen Tag. Bedeutende Vertreter der Kunstgeschichte haben sich in den letzten mehr als einhundert Jahren mit Leben und Werk des Nürnberger Goldschmieds, Stechers, Malers, Kunst- und Architekturtheoretikers etc. beschäftigt. Dabei wurden einzelne Arbeiten Dürers zu Prüfsteinen neuer kunstwissenschaftlicher Methoden bzw. wurden diese mitunter hieran entwickelt, denkt man beispielsweise an Erwin Panofskys (gemeinsam mit Raymund Klibansky und Fritz Saxl verfasste) magistrale Arbeit zu Dürers Meisterstich "Melencolia I".
Nun ist es bei den Künstlern, die immer im Fokus der Forschung gestanden haben, häufig so, dass es gerade hier noch viel zu entdecken gilt - hat sich um den ursprünglichen historischen Kern doch eine dicke Schicht an Mythen und Legenden gelegt, die es oft mühsam zu durchstoßen gilt. Die Bewunderung, die Dürer schon zu Lebzeiten zuteil wurde, führte dazu, dass eine große Zahl seiner Werke auf uns gekommen ist. Wobei es auch bedauerliche Lücken gibt, wie etwa sein schwer zu greifendes Schaffen während seiner Gesellenwanderungszeit zu Beginn der 1490er Jahre. Die Edition seines schriftlichen Nachlasses füllt drei dickleibige Bände, auch hierin bildet er für den nordalpinen Raum als Künstler der Zeit um 1500 eine große Ausnahmeerscheinung.
Die Masse an Werken in den verschiedenen Gattungen, mit deutlichen Schwerpunkten auf der Druckgrafik, stellen den modernen Bearbeiter vor eine große Herausforderung. Fehlt es doch an einem kritischen Katalog, der einen verlässlichen Leitfaden durch das Dickicht an Material böte. Für die Malerei gibt es hierzu erste (zaghafte) Ansätze, die Druckgrafik wurde jüngst neu vorgelegt, die Zeichnungen, die nicht selten kopiert und mit nachträglichen Monogrammen und Jahreszahlen versehen wurden, sind kaum kritisch erschlossen.
Vor dem hier skizzierten Hintergrund ist es mutig, eine neue Überblicksdarstellung vorzulegen, die noch dazu verspricht, neue Forschungsergebnisse anschaulich zu erläutern. Anja Grebe ist dieses Wagnis eingegangen, wobei sie sich auf die lange Tradition der Dürer-Forschung am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg stützen kann. Nach einer Einleitung, in der sie die weitere Vorgehensweise erläutert, folgt ihr in vier Großabschnitte gegliederter Text, der sich weitgehend an die Chronologie von Dürers Leben und Werk anlehnt. Ziel ist die Einordnung Dürers in seine Zeit und in sein Umfeld, um dem Verständnis seiner außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeit näher zu kommen. Dabei gelingt es Anja Grebe geschickt, die Darstellung des bewegten Lebens Dürers mit der Analyse ausgewählter Werke zu verknüpfen.
Die Biografie Dürers gliedert sie dabei in "Lehrjahre eines Künstlers (1471-1496)", "Kunst für Kaufleute und Kirchen (1497-1511)", "Kunst für den Kaiser (1512-1519)" und "Kunst für Sammler und Kritiker (1520-21. Jahrhundert)". Schon die Überschriften machen deutlich, dass es der Verfasserin vor allem um die Frage der Auftraggeberschaft geht. Dieser Ansatz ist ausdrücklich zu begrüßen, ist er doch ein wichtiger Schritt in die Richtung der Kontextualisierung von Dürers Schaffen. Bietet das Buch schon so einen repräsentativen Querschnitt durch Dürers Oeuvre, werden elf Werke noch einmal eigens in grau unterlegten "Infoboxen" eingehend gewürdigt.
Überblickt man die Arbeit, fallen vor allem zwei Neuinterpretationen auf: Im Hinblick auf die "Wanderjahre am Oberrhein" lehnt Anja Grebe die Autorschaft Dürers bei den ihm von der Forschung bisher zugeschriebenen Baseler Holzschnitten ab. Und zweitens kommt sie durch die Berücksichtigung baugeschichtlicher Analysen zu einer Umdatierung der berühmten Innsbruck-Ansichten auf 1496. Damit setzt sie die von der Forschung angenommene erste Italienreise zwei Jahre später an. Auch sonst ist die Verfasserin bemüht, sich von älteren Forschungsmeinungen abzusetzen. Das mag für den "Insider" durchaus anregend sein, lässt aber den angestrebten Adressatenkreis etwas hilflos zurück, da dieser den Bezugsrahmen nicht kennt. Adressat scheint nämlich nicht ausschließlich das Fachpublikum zu sein, verzichtet doch die Arbeit auf einen wissenschaftlichen Apparat und begnügt sich mit vier Seiten Quellen- und Literaturangaben. Zudem ist der Text sehr kleinteilig gegliedert - mancher Abschnitt reicht nur über eine knappe Druckseite -, was wohl angenommenen modernen Lesegewohnheiten entgegenkommt. Von den zahlreichen behandelten Arbeiten Dürers ist nur ein Bruchteil und der auch noch in meist flauen s/w-Abbildungen wiedergegeben. Ist ein Kunstwerk Dürers zitiert, wird - mit Ausnahme bei der Druckgrafik - der jeweilige Standort angegeben. Man muss also schon auf die entsprechenden Werk- und Bestandkataloge zurückgreifen, um der Argumentation im Einzelnen folgen zu können. Auf die Angabe von Maßen wird ganz verzichtet. Ein Personen-, Orts- und Werktitelregister erschließt die 190 Seiten, was ausdrücklich zu begrüßen ist.
Das Buch von Anja Grebe enthält für weitergehende Forschungen zahlreiche Anregungen, die teilweise in einem neuen Dürer-Projekt am Germanischen Nationalmuseum fortgesetzt werden. Ziel soll dabei letztlich - wohl analog zum Rembrandt Research Project - ein kritischer Werkkatalog sein. In einem ersten Schritt ist für 2011 eine Ausstellung zum "Frühen Dürer" geplant.
Mit den "Dürer-Forschungen", deren erster gelungener Band hier anzuzeigen ist, wurde zudem eine neue Schriftenreihe begründet, die die Diskussion um Dürer verstetigen soll. Diesem Anspruch entsprechen auch die "Summaries", die allen Beiträgen vorangestellt sind. Der sehr ansprechend und pfiffig gestaltete erste Band enthält elf Aufsätze: Sieben gehen auf eine 2006 in Nürnberg durchgeführte Tagung zum Dürer-Haus zurück, vier stellen neue Beiträge zur Dürerforschung vor. Von diesen sind vor allem der Aufsatz von Ramona Braun und Anja Grebe zu Dürers Baseler Buchholzschnitten (193-226) - hier werden auch interessante sprachgeschichtliche Arbeiten zu Dürer erschlossen - sowie der Beitrag von G. Ulrich Großmann zur Datierung der ersten italienischen Reise (227-240) zu nennen. Die beiden Aufsätze stellen ausführlich die entsprechenden Argumente vor, die in Anja Grebes Buch nur knapp gestreift werden konnten. Während die Interpretation der Innsbruck-Ansichten überzeugt, muss man wohl die geplante Ausstellung im Jahr 2011 abwarten, ehe man sich zum Problemkreis der Baseler Holzschnitte ein abschließendes Urteil wird bilden können, wenn dies überhaupt je möglich sein wird.
Ausgangspunkt für die Tagung zum Dürer-Haus waren bauhistorische Untersuchungen im Rahmen von Restaurierungs- und Umgestaltungsmaßnahmen in den Jahren 1998-2002. Das seit nahezu 200 Jahren im Besitz der Stadt Nürnberg befindliche Haus wird damit zum ersten Mal als authentisches Zeugnis seiner selbst ernst genommen, folgt man dem konzisen Überblick zur Forschungsgeschichte von Ulrich Klein (99-120). Claus und Robert Giersch stellen ihre Ergebnisse der Bauforschung vor, die in einer anschaulichen Schnittzeichnung visualisiert werden (61-80). Das Haus stammt im Kern aus der Zeit um 1420 und wurde 1503 umfassend modernisiert. Dürer kaufte es nachweislich 1509, wenngleich zu vermuten ist, dass er es schon vorher angemietet hatte. Die anschauliche und materialreiche Einordnung Konrad Bedals in die Wohnkultur der Dürer-Zeit ("Stuben und Wohnräume im süddeutschen, insbesondere fränkischen Bürgerhaus des späten Mittelalters", 27-60) macht deutlich, dass das Haus für seine Zeit modern, aber ohne Besonderheiten war. Die heutige Einrichtung, vor allem der Werkstatt, ist eher Zeugnis der Dürerverehrung des 19. Jahrhunderts als historisch belegte Situation. Hier ist der Vergleich von Dirk J. de Vries mit dem Rembrandt-Haus in Amsterdam erhellend (173-192).
Das Haus wirft natürlich die bisher nicht zu beantwortende Frage auf, wo sich darin Dürers Werkstatt befunden hat. Unabhängig von der genauen Lokalisierung wird schnell deutlich, dass das Raumangebot relativ beschränkt war, was der häufig geäußerten Meinung widerspricht, Dürer habe eine große Werkstatt geleitet. Sowohl Anja Grebe (121-140) als auch Daniel Hess und Thomas Eser (141-172) kommen in ihren instruktiven Beiträgen zu dem Schluss, dass die Dürer-Werkstatt weitgehend ein Ein-Mann-Betrieb (mit wenigen Lehrlingen, Gesellen und einzelnen Handlangern) gewesen ist. Es ist also neu danach zu fragen, in welcher Beziehung Hans Baldung, gen. Grien, und Hans Süß von Kulmbach, um nur zwei (vermeintliche) Dürer-Schüler zu nennen, zum Nürnberger Meister standen.
Abschließend sei noch auf die Aufsätze von Simon P. Oakes und Daniel Burger verwiesen. Während Oakes seinen Blick auf die Auseinandersetzung Dürers mit der Renaissance-Architektur Venedigs richtet (241-260), stellt Burger Dürers Festungsbaubuch von 1527 vor (261-288). Auch wenn Dürers Überlegungen scheinbar rasch von der militärtechnischen Entwicklung überholt wurden, kommt ihm das Verdienst zu, am Beginn des militärtheoretischen Schrifttums im deutschsprachigen Raum zu stehen.
Die beiden Bücher - die Monografie von Anja Grebe und der erste Sammelband einer neuen Schriftenreihe des Germanischen Nationalmuseums - bieten zahlreiche Diskussionsansätze und haben damit das Potenzial, die Dürer-Forschung nachhaltig zu befruchten.
Guido von Büren