Jörg Trempler: Karl Friedrich Schinkel. Baumeister Preußens. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2012, 221 S., 51 Abb., ISBN 978-3-406-63830-5, EUR 22,95
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Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) gehört zu den zentralen Künstlerfiguren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Als Architekt, Maler, Designer und Bühnenbildner schuf er ein beeindruckend vielgestaltiges Werk, das die Kunstgeschichte seit mehr als 150 Jahren beschäftigt. Die hier vorzustellende, wohltuend knappe Biografie unternimmt den Versuch einer pointierten Gesamtdarstellung von Leben und Werk Schinkels auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes. Dieser wird von einem jüngst abgeschlossenen Forschungsprojekt zu Schinkel markiert, das in eine vielbeachtete Ausstellung in Berlin und München im Jahr 2012 mündete, an der Jörg Trempler maßgeblich mitwirkte. Nicht allein aus diesem Grund bietet sich eine parallele Lektüre von Ausstellungskatalog [1] und Biografie an, besticht doch der Katalog durch seine qualitätsvolle Illustrierung. Dagegen haben die kleinformatigen Abbildungen der Biografie Tremplers allenfalls Belegcharakter. Immerhin bieten die 18 Farbabbildungen einen gewissen Ersatz für denjenigen, der den Katalog nicht zur Hand hat.
Gleich zu Beginn stellt der Verfasser in seiner Einleitung fest, dass die Person des Künstlers "fast vollständig hinter seinen Werken" zurücktritt. "Wer also einen kurzweiligen Anekdotenschatz sucht, ist hier fehl am Platz" (10). Anhand der einfühlsamen Analyse der verschiedenen Werkkomplexe in chronologischer Reihenfolge ergeben sich dennoch immer wieder schlaglichtartige Blicke auf einzelne Aspekte der Persönlichkeit Schinkels. Diesen sieht Jörg Trempler als den kongenialen Gestalter der Architektur des neuen, reformierten preußischen Staatsgebäudes, das als Folge eines nach 1806 einsetzenden umfassenden Reformprozesses entstand.
Das Buch gliedert sich neben Einleitung und Anhang in zehn Kapitel, die wiederum in bis zu sechs Abschnitten unterteilt sind. Leben und Werk Schinkels werden damit gut strukturiert und nachvollziehbar dargestellt: "Anfänge" (1781-1803), "Reise und Heimkehr" (1803-1806), "Kunst für alle" (1805-1810), "Zeit der Reife: Historie und Poesie" (1810-1814), "Die wilden Jahre der Befreiungskriege" (1813-1816), "Vom Bild zum Bau" (1816-1818), "Bildungsstätten für das reformierte Preußen" (1818-1836), "Publizistische Arbeiten" (ab 1819), "Hofarchitekt: Die späten Großprojekte" (1830-1838) und schließlich "Totenbild" (1841).
Die Entscheidung Schinkels, sich dem Studium der Architektur zuzuwenden, fiel wohl 1797, als er mit 16 Jahren den Entwurf Friedrich Gillys für ein Denkmal König Friedrichs II. von Preußen auf einer Ausstellung der Akademie der Künste sah. Was Schinkel besonders beeindruckte, war die illusionistische Darstellung der Denkmalarchitektur, die Anleihen an die sogenannte Revolutionsarchitektur zeigte. In der Folge begann Schinkel 1798 seine Ausbildung in der von Gilly und Heinrich Gentz geleiteten "Privatgesellschaft junger Architekten". Das Ausnahmetalent Schinkels wird daran deutlich, dass er nach dem überraschend frühen Tod Gillys 1800 dessen Bauaufgaben übernahm, also schon mit 19 Jahren in eine verantwortungsvolle Position kam. Nach dem Erreichen der Volljährigkeit - Schinkel war inzwischen Vollwaise - trat er 1803 eine Italienreise an, die seine Ausbildung abrundete. 1805 kehrte er nach einem Zwischenaufenthalt in Paris nach Berlin zurück. Nun hätte seine Karriere Fahrt aufnehmen können, wenn sich nicht die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Preußen durch die Niederlage gegen Napoleon 1805 in solchem Maße verschlechtert hätten. An große Bauaufträge war in diesen Jahren nicht zu denken. Schinkel machte aus der Not eine Tugend und wandte sich der Malerei zu, die er ebenfalls meisterhaft beherrschte. Seit 1807 schuf er Panoramen, großformatige runde Gemälde, die als "Kunst für alle" ein großes Publikum anzogen. Leider hat sich keines seiner Rundgemälde erhalten.
Am 15. Mai 1810 wurde er schließlich Beamter innerhalb der preußischen Bauverwaltung. Im Sommer 1809 hatte er geheiratet und damit eine eigene Familie gegründet. Die feste Anstellung gab ihm einerseits Sicherheit, ließ ihm aber andererseits die Freiheit, seine künstlerischen Vorstellungen im Medium der Malerei weiterzuentwickeln. Dabei wird erkennbar, dass er seine Zeichnungen und Gemälde als Experimentierfeld architektonischer Entwürfe nutzte, um die Wirkung von Gebäuden im Stadtraum zu visualisieren, wie Trempler am Beispiel der Neuen Wache zeigt. Die Jahre zwischen 1818 und 1836 waren geprägt von den Arbeiten an den Großbauten in Berlin, die das Gesicht des "neuen" Preußens bildeten: Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, Museum am Lustgarten (heute: Altes Museum) und Bauakademie. Die Arbeitsbelastung des Geheimen Oberbaurats war äußerst hoch, da er neben der Betreuung der eigenen Projekte die Entwürfe anderer Architekten für staatliche Bauten in Preußen begutachten musste. Hinzu kamen Fragen der Denkmalpflege, Entwürfe kunstgewerblicher Objekte, Bühnenbilder und Malerei. "Alle diese Arbeiten waren auf Schinkels großes Ziel gerichtet: sein bürgerliches, ästhetisches Erziehungsideal in die Gesellschaft hineinzutragen und somit seine Ideen nicht nur in Berlin, sondern in ganz Preußen und darüber hinaus zu verbreiten." (178f.)
Insoweit sieht Trempler Schinkel als Bürger-Künstler, der einen "neuen Typus von Künstler" verkörpere (181). Im merklichen Gegensatz dazu scheint zu stehen, dass Schinkel 1829 zum Hofarchitekten des preußischen Kronprinzen, des späteren Friedrich Wilhelm IV., berufen wurde und damit von seinen alltäglichen Verpflichtungen entbunden war. Trempler spielt diesen Umstand herunter, da Schinkel selbst kaum Aufhebens um seine neue Funktion gemacht habe: Schinkel mag zwar Hofarchitekt gewesen sein, nicht aber "Hofkünstler im alten Sinne" (182), also der Zeit vor 1800. Der Staat des 19. Jahrhunderts ist sicherlich in vielen Bereichen nicht mit dem Fürstenstaat des Ancien Régime zu vergleichen. Dennoch ist in ihm der Fürst, im Falle Preußens der König, der Souverän. Ein Künstler im Staatsdienst ist deshalb zwangsläufig Hofkünstler, da es den Staat als abstraktes Gebilde noch nicht gibt. Die Reformen von Stein und Hardenberg mögen im Hinblick auf die Bedürfnisse einer sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft weitsichtig und fortschrittlich gewesen sein, vollendet wurden sie jedoch nicht. So bedurfte es immerhin noch einer Revolution, die Schinkel nicht mehr erlebte, um die Frage einer Verfassung für Preußen eine neue Aktualität zu geben. Deshalb erscheint mir das von Trempler gezeichnete Bild des preußischen Staates, als etwas zu positiv. Es war schließlich durchaus im Sinne des preußischen Königs, beispielsweise mit dem Museum am Lustgarten, seinen "Staat als Kunstwerk" erscheinen zu lassen, ob er dies tatsächlich war, ist jedoch kritisch zu hinterfragen.
Sehr wertvoll sind die kommentierten Literaturhinweise, die einen Weg durch die inzwischen schon etwas unübersichtlich gewordene Schinkel-Forschung bahnen. Nicht nur damit empfiehlt sich die vorliegende Publikation auch als Einstiegslektüre zu ihrem Thema.
Anmerkung:
[1] Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie, Ausst.-Kat. Kupferstichkabinett Berlin und Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, Berlin 2012.
Guido von Büren