Thomas W. Gaehtgens / Nicole Hochner: L'image du roi de Francois Ier à Louis XIV, Paris: Éditions de la Maison des sciences de l'homme 2006, 452 S., ISBN 978-2-7351-1115-2, EUR 48,00
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Spätestens mit "The Fabrication of Louis XIV" [1], der fulminanten Studie des britischen Kulturhistorikers Peter Burke, wurde deutlich, dass die Autorität des französischen Monarchen auch und wesentlich auf mit Bildern argumentierenden Inszenierungen seiner Person beruhte. Der aus einer Tagung am Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris (Juni 2002) hervorgegangene Sammelband knüpft an diese Überlegungen und seitdem erschienene Forschungen an, um neue, durchweg interessante und produktive Sichtweisen auf das - oder ein - "Bild des Königs" zu eröffnen. Während Burke mitunter allzu pauschal einen zielstrebigen Einsatz der Künste für propagandistische Zwecke diagnostizierte, so zeigen die in "L'image du roi" versammelten Beiträge vor allem eines: Das "Bild des Königs" ist vielschichtig und vielgestaltig, wandelbar und von Brüchen gekennzeichnet, abhängig von den Medien seiner Hervorbringung und den historisch-situativen Kontexten seiner Inszenierung und Perzeption. Es markiert die Präsenz der Macht, indem es nicht nur auf den Körper des Monarchen referiert, sondern mit der Zuschaustellung dieses Körpers auch den Staat vor Augen führt. Deshalb hat das "Bild des Königs" formativ Teil an der politischen Ideenbildung - und vice versa. Dieser von den Herausgebern in ihrer luziden Einführung besonders herausgestellte Tatbestand verlangt nach einem interdisziplinären Zugriff. Den bietet der Tagungsband durchaus. Erfreulicherweise aber nicht durch eine gewagte Mischung unterschiedlicher Disziplinen, vertreten durch die einzelnen Autorinnen und Autoren. Vielmehr haben die allermeisten Beiträge einen kunsthistorischen Hintergrund, und sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die fachspezifischen "conventions de jugement formel et iconographique ou d'appréciation esthétique" primär dahingehend einsetzen, die Artefakte als "Repräsentationen einer physischen und moralischen, politischen und juristischen Wirklichkeit" (3) zu betrachten.
Der in "L'image du roi" behandelte Zeitraum reicht vom ausgehenden 15. bis ins späte 17. Jahrhundert. Die Situation in Frankreich steht im Zentrum, wie es auch der Untertitel signalisiert. Allerdings setzt das Tableau nicht mit dem für das Umschlagbild gewählten, auch in der Forschung populären Franz I., sondern schon mit dessen Vorgänger auf dem französischen Thron, Ludwig XII., ein. Die siebzehn Aufsätze sind drei Teilen zugeordnet, was - mit Blick auf die gewählten Überschriften - nicht immer Sinn zu machen scheint.
Im ersten Teil geht es um die mangelnde Einheit eines den Staat im "Bild des Königs" konstituierenden Diskurses. Nicole Hochner stellt hier die grundsätzliche Frage, ob von einem "image royale au singulier" (20) überhaupt gesprochen werden kann, oder ob es sich hierbei nicht eher um ein Konstrukt des Historikers handelt, der - so wäre hinzuzufügen - an der Beschreibung geschlossen auftretender Persönlichkeiten nach wie vor besonders interessiert ist. Hochner geht davon aus, dass das "Bild des Königs" immer mehrdeutig ist und kann zumindest für Ludwig XII. (regierte 1498-1515) darlegen, dass der König in unterschiedlichen Rollen visualisiert bzw. mediatisiert wurde. Und diese Rollenentwürfe fügen sich nicht zu einem kohärenten Bild. Hochner erkennt in dieser heterogenen Bildproduktion eine Suche nach Identität am Übergang von Mittelalter und Früher Neuzeit und deutet die konkurrierenden "role models" als eine dynamische Kraft, die die Ideologiebildung um die französische Monarchie vorantrieb. [2] Kritisch wäre anzumerken, dass Hochner bei ihrer durchaus überzeugenden Ausbreitung königlicher Rollenbilder die jeweils beteiligten Medien, deren spezifische Möglichkeiten, Traditionen und Funktionszusammenhänge nicht ausreichend berücksichtigt. Es verwundert wenig, dass Ludwig XII. in einer Statue als "héros antique", in einem Triptychon aber als "roi très chrétien" zu sehen gegeben wurde. Es müssen wohl auch dezidiert kunsthistorische Kontexte und daran geknüpfte Anforderungen für die in der nachträglichen Zusammenschau der Artefakte ausgemachte Polysemie des Königsbildes verantwortlich gemacht werden.
Weniger um Vieldeutigkeit als um ostentative Klarheit und Kontinuität ging es den Regentinnen Frankreichs im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert. Wie Barbara Gaehtgens aufzeigt, wussten Katharina und Maria von Medici sowie Anna von Österreich das "Bild des Königs" geschickt zu nutzen, um ihren stets gefährdeten Machtanspruch zu bekräftigen und den Fortbestand der Dynastie zu sichern. Für alle drei gilt, dass sie mittels unterschiedlicher Medien, Bildstrategien und Erzählweisen ihren eigenen Körper mit dem des königlichen Gemahls und auch mit dem des Thronfolgers bzw. Sohnes verbanden. Besonders interessant sind Gaehtgens Ausführungen zum Vorgehen der Anna von Österreich, die es schaffte, eine testamentarische Verfügung Ludwigs XIII. auszuhebeln, um fortan (ab 1643) für ihren noch minderjährigen Sohn, Ludwig XIV., die volle Regentschaft auszuüben. Mehrere in Annas Auftrag entstandene Bildwerke sollten ihre legitime Regentschaft durch bzw. unter dem jungen König veranschaulichen. Die durch den Schwur Ludwigs XIII. 1637 herbeigeführte Sakralisierung der französischen Monarchie ermöglichte es der Regentin zudem, sich in Analogie zur Muttergottes und dadurch auch als Herrscherin des Reiches wirkungsvoll zu inszenieren. [3]
Der zweite Teil des Bandes widmet sich schwerpunktmäßig dem "Bild des Königs" im öffentlichen Raum. Besonders hervorzuheben sind hier die brillanten Beiträge von Claire Mazel und Godehard Janzing. Mazel geht der Frage nach, warum für die ersten Bourbonen-Könige, Heinrich IV., Ludwig XIII. und Ludwig XIV., nur Herzgrabmäler entstanden, andere Projekte - darunter die Rotonde in Saint-Denis - aber nicht realisiert wurden. Sie kann überzeugend aufzeigen, dass veränderte Auffassungen vom "Bild des Königs" das traditionelle Körpergrabmal im 17. Jahrhundert obsolet machten. Das zuerst von Ernst Kantorowicz analysierte Zwei-Körper-Konzept des Königtums wurde aufgegeben. [4] Stattdessen fand sich nun, so Marzel, "le corps politique du roi [...] absorbé dans son corps physique." (179) Dieser eine Körper hatte nach dem Ableben des Monarchen wieder bescheiden in die Erde einzugehen, wohingegen des Königs Herz und damit seine besondere Verbindung zu Gott im politischen Diskurs wie auch in der Grabkultur aufgewertet wurden. [5]
Janzings Beitrag ist eine ikonografische Studie, die sich auf das Motiv des Kommandostabs in Bildnissen der ersten beiden Bourbonen-Könige konzentriert. Dem Autor geht es darum, anhand der jeweiligen Zurschaustellung des "bâton de commandement" ein im Wandel begriffenes Verhältnis von Staat und Gewalteinsatz in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts zu untersuchen. Im Mittelpunkt stehen das bronzene Reiterdenkmal Heinrichs IV. auf dem Pont Neuf in Paris und das Bildnis Ludwigs XIII., das Kardinal Richelieu 1635 bei Philippe de Champaigne für seine "Galerie des Hommes Illustres" im Palais-Royal in Auftrag gab. Wie Janzing überzeugend darlegt, hält Heinrich IV. den Stab lässig in der Rechten auf den Oberschenkel gestützt, so dass das Symbol des obersten militärischen Kommandos in den Körper des Monarchen integriert erscheint. Dieses "image du roi" zeigte den Fürst und den Heerführer in der Person des Königs vereint. Der "bâton" geriet zu einer Metapher des Absolutismus. Er stand für die unbegrenzte Macht des Souveräns, der dem französischen Schwertadel seine angestammten Rechte streitig machte. Tatsächlich markierten die Regierungszeiten Heinrichs IV. und Ludwigs XIII. einen ersten Höhepunkt in der Zentralisierung der Militärgewalt, die vor allem Richelieu vorantrieb. In dessen "Galerie des Hommes Illustres" erschien Ludwig XIII. umgeben von getreuen Dienern der französischen Krone, zeitgenössischen und historischen. Des Königs "bâton" hat sich zu einem edlen Spazierstock gewandelt, denn Ludwig XIII. nimmt nun, zumindest in dieser vom Kardinal betriebenen Inszenierung, nicht mehr aktiv am Kriegsgeschehen teil. Kraft seiner Autorität und des staatlichen Gewaltmonopols delegiert er den Einsatz des Militärs an seine Gefolgsleute.
Der dritte Teil von "L'image du roi" versammelt Beiträge, die sich in der Mehrzahl unterschiedlichen Facetten der Porträtkunst widmen und auch Bildnisse anderer europäischer Herrscherhäuser (Habsburg, Stuart) in den Blick nehmen. Étienne Jollet schildert die Kunst der Clouet am Hof der Valois-Könige und analysiert den Blick des Königs aus dem Bild im Kontext der komplizierten Blickregime der Zeit. Isabelle Oger untersucht druckgrafische Porträts Heinrichs III., der mit der triumphalen Selbstinszenierung seiner Vorgänger brach und sich stattdessen als ein bußfertiger Gefolgsmann Gottes präsentierte und so den messianischen Heilserwartungen seiner Zeit zulieferte.
Der Tagungsband besticht durch die große Bandbreite des vorgestellten Materials und der eingenommenen Perspektiven und ist gleichwohl ein ausgesprochen konzentriertes, das "Bild des Königs" und seine Problemstellen nie aus den Augen verlierendes Buch. Mit seinen sämtlich sachkundig und auf hohem Niveau argumentierenden Beiträgen dürfte "L'image du roi" ein vielfach und über Fächergrenzen hinweg rezipiertes Werk werden, das weitere Forschungen zum Thema anregt und vorantreibt.
Anmerkungen:
[1] New Haven und London: Yale University Press 1992. Die deutsche Ausgabe, erstmals 1993 im Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, erschienen, trägt den Titel: "Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs".
[2] Siehe auch: Nicole Hochner: Louis XII. Le dérèglement de l'image royale, Seyssel 2006.
[3] Gaehtgens untersucht hierfür unter anderem ein bislang kaum beachtetes Gemälde von Philippe de Champaigne (um 1650) aus der Hamburger Kunsthalle. Es zeigt ein hierarchisch differenziertes Nebeneinander von himmlischer und irdischer Sphäre, in dem die Protagonistinnen und Protagonisten - Muttergottes und Christuskind auf der einen, Anna von Österreich und Ludwig XIV. auf der anderen Seite - unmittelbar über die Reichsinsignien und mittelbar über das sinnfällige Zusammenspiel der Gesten miteinander in Beziehung treten.
[4] Vgl. Ernst Kantorowicz: The king's two bodies. A study in medieval political theology, Princeton 1957.
[5] Vgl. hierzu auch Jean Nagle: La civilisation du cœur, Paris 1998.
Sigrid Ruby