Jochen Meissner / Ulrich Mücke / Klaus Weber: Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei, München: C.H.Beck 2008, 320 S., 8 Abb., 8 Karten, 4 Tabellen, ISBN 978-3-406-56225-9, EUR 26,90
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Das Thema der Sklaverei im atlantischen Raum führt in der deutschen Frühneuzeit-Forschung - im deutlichen Gegensatz etwa zur angelsächsischen Geschichtswissenschaft - nach wie vor ein Schattendasein. Selbst in migrationshistorischen Kontexten wird die Zwangsverschleppung von zehn bis zwölf Millionen Menschen aus Afrika in die Neue Welt im Zeitraum von etwa dreihundert Jahren oft übersehen. Umso größer ist der Bedarf an einer konzisen und zugleich das Thema in seinen vielfältigen Facetten erschließenden deutschsprachigen Darstellung.
Eben dies will das vorliegende Buch leisten, was seinen Autoren - so viel sei bereits vorweggenommen - auch sehr gut gelingt. Zwar ist der Gegenstand der Darstellung die Geschichte der Sklaverei auf dem amerikanischen Doppelkontinent, doch macht schon der Haupttitel deutlich, dass es hier auch um einen Perspektivenwechsel geht, der in der englischsprachigen Forschung bereits seit einiger Zeit, bedingt dadurch, dass afroamerikanische Historiker inzwischen eine Stimme im wissenschaftlichen Diskurs haben, vollzogen ist. Dieser Perspektivenwechsel fußt insbesondere auf der Erkenntnis, dass afrikanische Sklaven durchaus in der Lage waren, kulturelle Eigenheiten zu bewahren und sich neue zu schaffen, eben kulturell aktiv zu sein. Auf diese Weise prägten sie die Kulturen Amerikas in hohem Maße mit. So könne man, wie die Autoren schon in der Einleitung herausstellen, mit einiger Berechtigung von "Afroamerika" sprechen, denn "schwarze" Kultur habe den Doppelkontinent ebenso geprägt wie "weiße" (9).
Als Einstieg in die Thematik des Buches wird zunächst ein knapper Abriss über verschiedene Formen unfreier Arbeit geboten. Begonnen wird dieser Überblick mit der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Leibeigenschaft und schreitet dann über die Sklaverei im antiken Rom und die afrikanische Sklaverei vor 1500 bis hin zu verschiedenen unfreien Arbeitsformen in der "Neuen Welt" fort. Diese Abschnitte werden freilich etwas unvermittelt nebeneinander gestellt, ohne dass ein tiefer gehender Vergleich ersichtlich wird. Weit überzeugender sind denn auch die folgenden Kapitel, die sich verschiedenen Aspekten des Sklavenhandels und der Sklaverei widmen. Im dritten Kapitel werden knapp, aber sehr nachvollziehbar die Ursprünge des Plantagensystems dargelegt, wie es zunächst von den Portugiesen auf Madeira und den Kapverden eingeführt und dann auf den Zuckerrohranbau in der Karibik übertragen wurde. Die Präsenz portugiesischer Händler in Westafrika und ihre Verstrickung in den innerafrikanischen Sklavenhandel erleichterten ihnen den Schritt zu einer großangelegten Sklavenwirtschaft in den amerikanischen Kolonien. Andere europäische Kolonialmächte folgten bald, namentlich England und die Niederlande. Sehr deutlich heben die Autoren das globale Ausmaß des Handels hervor. Der Zuckerrohranbau erscheint dabei als Motor eines weltumspannenden Handelsnetzes, in dem es um einen vielfältigen Warenfluss zwischen Europa, dem Indischen Ozean, Afrika sowie der atlantischen Welt ging und in dem Sklaven ein wichtiges Handelsgut waren.
Die Arbeit der Sklaven, die zunehmend auch auf andere Wirtschaftszweige ausgedehnt wurde, von denen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts vor allem der Baumwollanbau im Süden der USA Bedeutung erlangte, ist Gegenstand eines weiteren Kapitels. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf den Plantagen werden dabei plastisch geschildert. Daneben weisen die Autoren auch auf weniger bekannte Einsatzgebiete von Sklaven hin, so etwa auf Sklavenarbeit in den Städten und in wohlhabenden Haushalten. Dass es trotz aller Bedrückung in einigen Gebieten auch Freiräume für selbständiges Wirtschaften gab, ist sicher ein wichtiger Aspekt des Bildes von Sklaverei in Amerika. Dies zeigt sich insbesondere auch in der Kultur und im Familienleben der Sklaven, die Gegenstand eines weiteren Kapitels sind. Gerade hier kommt die Kernthese des Buches am deutlichsten zur Geltung: Afrikanische Kultur in Amerika war äußerst vielfältig. Sie passte sich den höchst unterschiedlichen Gegebenheiten an, verschaffte sich jedoch stets auch Freiräume.
Widerstand und Flucht bis hin zu größeren Aufständen und der Revolution in Haiti ab 1791 sind Themen des sechsten Kapitels. Zugleich stellen die Ausführungen auch einen Übergang zur Thematik der Sklavenbefreiung dar, die mit einem Abschnitt zum Sklavenrecht eingeleitet wird - ein Aspekt, den man vielleicht an früherer Stelle erwartet hätte. Doch nutzen die Autoren diesen Punkt, um einen Bogen zu schlagen vom Sklavenrecht zum Sklavereiverbot, eine Entwicklung, deren Schritte über das Verbot des Sklavenhandels bis zur endgültigen Abolition dargelegt werden, wobei auch die Debatten um die Sklaverei (etwa in England) Erwähnung finden. Mit dem Kapitel "Nach der Sklaverei" werden schließlich auch die Bedingungen von Menschen afrikanischer Herkunft in den neu entstehenden Staaten Amerikas bis hin zur Bürgerrechtsbewegung in den USA in der Nachkriegszeit dargestellt.
Den Autoren gelingt der Spagat zwischen einer knappen - und sicher an zahlreichen Punkten auch vereinfachenden - Einführung und einer gut lesbaren Narration. Sie legen damit eine engagierte, stets Stellung beziehende und doch wissenschaftliche, kontextorientierte Darstellung vor. Es ist natürlich müßig, von einer überblicksartigen Synthese Vollständigkeit zu erwarten. Wollte man dennoch ein Defizit des Buches benennen, so wäre dies vielleicht am ehesten das Fehlen eines über die knappen Bemerkungen in der Einleitung hinausgehenden historiografiegeschichtlichen Abschnitts, der im Rahmen einer solchen einführenden Darstellung sicher nützlich gewesen wäre. Der uneingeschränkten Empfehlung dieses Buches, das sich gerade auch als Ausgangspunkt für die Erschließung einzelner, von den Autoren angerissener Einzelthemen eignet, tut dies jedoch keinen Abbruch.
Ulrich Niggemann