Eric Thierry: La France de Henri IV en Amérique du Nord. De la création de l'Acadie à la fondation de Québec (= Les Géographies du Monde; IX), Paris: Editions Honoré Champion 2008, 502 S., ISBN 978-2-7453-1758-2, CHF 148,48
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Mit La France de Henri IV en Amérique du Nord hat sich Eric Thierry, professeur für Geschichte und Geografie am Lycée de Laon, zum zweiten Mal monografisch mit dem Thema der französischen Kolonien in Nordamerika auseinandergesetzt, nachdem sein Marc Lescarbot 2002 von der Académie française ausgezeichnet worden war.
Thierry erzählt zunächst die Geschichte der frühesten Entdeckungsfahrten und Siedlungsversuche der Franzosen in der Neuen Welt, die Giovanni da Verrazzanos und Jacques Cartiers, vor allem aber die der bretonischen und baskischen Fischer vor Labrador und Neufundland, bevor er sich der Kolonisierung der Nouvelle France zur Zeit König Heinrichs IV. widmet.
Der Fokus liegt hier auf den Versuchen Duguas de Mons, in Akadien eine dauerhafte französische Kolonie zu errichten, sowie auf denen Samuel de Champlains, das Gebiet am Sankt-Lorenz-Strom, d.h. Tadoussac und Quebec (gegründet 1608), zu besiedeln und wirtschaftlich für Frankreich nutzbar zu machen. Thierry beschreibt detailreich die Rekrutierung von potentiellen Siedlern in Frankreich, die Verproviantierung und Verschiffung in die Neue Welt, die Ankunft der Neusiedler in Akadien, Kontakte mit den indigenen Völkern sowie das Leben bzw. den Überlebenskampf der Franzosen vor Ort.
Ebenso widmet sich die Darstellung den Verhandlungen am Hof Heinrichs IV. um die Entsendung weiterer Expeditionen, der Finanzierung von Entdeckungsfahrten und Siedlungsansinnen, den diplomatischen und kriegerischen Auseinandersetzungen mit England, Spanien und Portugal im Wettlauf um die Aufteilung der Neuen Welt. Kapitel 6 erzählt die Geschichte der Konversion der Mik'maqs und die Bedeutung der katholischen Mission in der Nouvelle France unter der Regentin Maria de Medici, nach dem Tod Heinrichs IV. im Jahr 1610. Auch wenn bis zu diesem Zeitpunkt kaum von erfolgreicher Kolonisierung und Missionierung der Nouvelle France die Rede sein kann, so legten Champlain, Poutrincourt und Dugua de Mons elementare Grundsteine für die französische 'Eroberung' Kanadas im Laufe des 17. Jahrhunderts.
Thierrys Geschichte der Nouvelle France unter der Herrschaft Heinrichs IV. ist die Geschichte der 'Helden' der frühen Kolonisierungs- und Missionierungsversuche und ihrer Unterstützung durch den König. Es sind die epischen Narrative, die sich um Samuel de Champlain, Pierre Dugua de Mons und Jean de Poutrincourt ranken, aber auch um jesuitische Missionare wie Pierre Biard und Ennemond Massé. Als Quellen dienen Thierry u.a. die von diesen 'Helden' verfassten Reiseberichte, Briefe und Histoires, die Thierry kaum quellenkritisch bearbeitet, wie etwa die Schriften Samuel de Champlains, Marc Lescarbots Histoire de la Nouvelle France, die Relations der Jesuiten oder auch Samuel Purchas Purchas His Pilgrimes.
Von der in den Fußnoten aufgeführten Literatur sind etliche Titel nicht in die Bibliografie am Ende des Bandes übertragen worden. Die Nachweise in Fußnoten und Bibliografie lassen darüber hinaus einige wichtige, neuere und neueste Darstellungen vermissen: so etwa William J. Eccles' The Canadian Frontier, 1534-1760 (New York 1969) oder dessen French in North America 1500-1783 (East Lansing / MI 1998), Peter Moogks La Nouvelle-France: The Making of French Canada - A Cultural History (East Lansing / Michigan 2000), Olive Patricia Dickasons Canada's First Nations: A History of Founding Peoples from Earliest Times (Don Mills 1997), Conrad Heidenreichs Huronia: A History and Geography of the Huron Indians 1600-1650 (Toronto 1971), John Sutton Lutz' Myth and Memory: Stories of Indigenous-European Contact (Vancouver 2007) oder auch Germaine Warkentins und Carolyn Podruchnys Decentring the Renaissance: Canada and Europe in Multidisciplinary Perspective, 1500-1700 (Toronto 2001).
Die Perspektive, die Thierry in seinem Band wählt, ist klassisch eurozentrisch und fokussiert die königliche Politik bzw. die seiner Hauptakteure in der Nouvelle France. Postkoloniale Multiperspektivität wie etwa die Perzeption der Franzosen in der Nouvelle France durch Kanadas First Nations, die Auswirkungen der französischen Kolonisierung auf a) die indigene Bevölkerung Kanadas bzw. b) Frankreich selbst, d.h. eine postmoderne Geschichtsschreibung, bleiben dem Band fremd. Thierrys La France de Henri IV en Amérique du Nord präsentiert sich trotz dieser aus wissenschaftlicher Perspektive zu formulierenden Desiderata als eine gut lesbare, minutiöse und spannende Darstellung der Kolonisierung der Nouvelle France zur Zeit Heinrichs IV., die in Methoden und Darstellungshorizont allerdings weit hinter dem Kanon moderner Geschichtsschreibung zurückbleibt.
Susanne Lachenicht