Paul R. Hanson: The Jacobin Republic under Fire. The French Federalist Revolt in the French Revolution, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2003, X + 262 S., ISBN 978-0-271-02281-9, USD 49,95
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Christine Meek / Catherine Lawless (eds.): Victims or Viragos?, Dublin: Four Courts Press 2005
Matthias Asche: Neusiedler im verheerten Land. Kriegsfolgenbewältigung, Migrationssteuerung und Konfessionspolitik im Zeichen des Landeswiederaufbaus. Die Mark Brandenburg nach den Kriegen des 17. Jahrhunderts, Münster: Aschendorff 2006
Tristan Coignard: L'apologie du débat public. Réseaux journalistiques et pouvoirs dans l'Allemagne des Lumières, Bordeaux: Presses universitaires de Bordeaux 2009
Paul R. Hanson, Professor of History und Dean of the College of Liberal Arts and Sciences at Butler University, hat mit The Jacobin Republic under Fire. The Federalist Revolt in the French Revolution nicht zum ersten Mal ein Werk zur föderalistischen Revolte von 1793 verfasst. Mit Provincial Politics in the French Revolution liegt seit 1989 bereits ein Werk vor, das sich mit diesem Thema beschäftigt und Forschungsergebnisse Hansons vorstellt. The Jacobin Republic under Fire stützt sich somit auf Hansons eigene, seit den 1980er-Jahren durchgeführte Analysen, aber auch explizit auf die Werke britischer Historiker der föderalistischen Revolte wie etwa Alan Forrest, W.D. Edmonds und Michael J. Sydenham. Darüber hinaus kommen auch immer wieder französische Historiker wie Jacques Guilhaumou und Raymonde Monnier mit ihren Arbeiten zur "revolutionären Ideologie" der Provinz zu Wort.
Hansons erklärtes Ziel ist es, die 1792 und 1793 zwischen Girondisten und Montagnards geführten Debatten um die Praxis "demokratischer Politik" verständlich zu machen (IX). Hanson zufolge ging es in diesem Zeitraum letztendlich um den Gegensatz zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Paris und Provinz, um das Ringen um die "Souveränität" des Volkes und wer eigentlich das souveräne Volk zwischen 1792 und 1793 repräsentierte beziehungsweise in der Lage war, dessen erklärten (oder nicht erklärten) Willen zu erkennen und auszuüben. Dies - so Hanson - spaltete Girondisten und Montagnards nach dem Sturz der Monarchie am 10. August 1792 und führte zum Fall der Girondisten im Juni 1793 beziehungsweise zur föderalistischen Revolte des Sommers 1793.
Hansons zentrale These ist, dass die föderalistische Revolte nicht einfach eine Reaktion auf den Ausschluss der Girondisten vom Nationalkonvent im Juni 1793 war, sondern das Ergebnis eines politischen Konflikts, der in einer Reihe von Städten wie Marseille und Lyon bereits seit dem Spätsommer 1792 die "Provinz" gegen die Kapitale in Bewegung setzte und letztendlich in den Zentren der föderalistischen Revolte, Lyon, Caen, Marseille und Bordeaux, Paris mit dem Anspruch konfrontierte, dass die Provinz das souveräne Volk repräsentiere und die "Anmaßung" der Volkssouveränität durch die Pariser Commune und die Sansculottes nicht geduldet werden könne.
Hanson beginnt mit einem Überblick über die Ereignisse zwischen der Einberufung der Generalstände 1789 und dem Beginn der föderalistischen Revolte im Mai / Juni 1793, um dann im ersten Kapitel die wichtigsten Ereignisse und Protagonisten der girondistischen Revolte und die Argumente ihrer Widersacher vorzustellen. Kapitel 2 untersucht die Wurzeln und dann vor allem die Entwicklung des Konflikts zwischen Montagnards und Girondisten, indem es sich mit der Haltung dieser beiden "Faktionen" bezüglich des 10. Augusts 1792, der Septembermassaker, des Prozesses gegen den König im Januar 1793 - hier vor allem mit dem appel au peuple - und des geplanten Prozesses gegen Marat auseinander setzt. Das dritte Kapitel schildert die föderalistische Revolte in Caen, Lyon, Marseille und Bordeaux in ihrem Konnex mit den Ereignissen in Paris.
In Kapitel 4 versucht Hanson zu zeigen, dass es allen gescheiterten Versuchen zum Trotz, die so genannten föderalistischen Revolten in den Departements zu einigen, durchaus ein gemeinsames "föderalistisches Programm" gegeben habe, das die im Aufstand begriffenen Departements erfolgreich gegen Paris und die Montagne hätte zusammenführen können. Hanson zufolge waren sich die Protagonisten der "föderalistischen Revolte" darin einig, dass die Pariser Commune, das Pariser Revolutionstribunal und die revolutionären Ausschüsse in ihrer allumfassenden, usurpierten Macht beschnitten werden müssten. Darüber hinaus schienen alle "Föderalisten" gleichermaßen die Abschaffung der Permanenz der Pariser Sektionen zu fordern wie auch die Auflösung des Jakobinerclubs und des Club des Cordeliers. Ebenso sollten die von der Montagne eingesetzten Représentants en mission des Nationalkonvents ihrer außerordentlichen Befugnisse enthoben werden. Die "Föderalisten" - so ihre Rhetorik - wollten im Grunde nur eins: die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, den Schutz des Eigentums und der Verfassung sowie die Wahrung der "Rechte des Volkes".
Hanson betont, dass es den Föderalisten nicht um lokale Belange, nicht um die Errichtung einer föderalistischen Republik ging, sondern darum, die Nation und die Einheit der Nation gegen die Anarchie in Paris und den Montagnardischen Konvent zu schützen. Hansons Analyse des föderalistischen "Programms" macht indes deutlich, dass es keinen wirklich "positiven" Gegenentwurf zur Politik der Montagne gab, der die Föderalisten hätte einen können, sondern lediglich ein entschiedenes "Nein" ohne wahre Alternative zum sich radikalisierenden politischen Kurs der Montagne in Paris. Nicht nur, dass die Revolte gegen den Nationalkonvent im Namen der "einen und unteilbaren Republik" ein fundamentales Problem der "Föderalisten" darstellte, wie Hanson selbst bemerkt, sondern - und dieses Fazit bleibt in diesem Kapitel aus - die föderalistische Revolte war letztendlich mit einem "programmatischen Vakuum" auf nationaler Ebene konfrontiert, das sicherlich einen weiteren Schlüssel für ihr Scheitern darstellt.
Kapitel 5 untersucht die Entwicklung der "Politik vor Ort" in den späteren Aufstandzentren Caen, Lyon, Marseille und Bordeaux und macht deutlich, dass der Konflikt zwischen Girondisten und Montagnards auf nationaler Ebene keine "eins-zu-eins"-Entsprechung auf lokaler beziehungsweise regionaler Ebene hatte, sondern die Revolte der Departements 1793 mehr war als eine Rebellion gegen die Usurpierung der Volkssouveränität durch die Montagne. Dies relativiert in gewisser Hinsicht Hansons oben referierte zentrale These. Kapitel 6 stellt zeitgenössische Reaktionen auf die föderalistische Revolte vor. Es versucht zwei zentrale Fragen zu beantworten: Inwieweit fühlten sich die Pariser wirklich durch die föderalistische Revolte bedroht und wie überzeugt waren die Franzosen in der Provinz davon, dass die föderalistischen Revolutionäre wirklich die Sache des Volkes und vor allem die Sache des Volkes in der Provinz vertraten? Das letzte Kapitel befasst sich konsequenterweise mit der Niederschlagung der föderalistischen Revolte, mit der Rolle der "Volksrepräsentanten" in den Departements und mit der Ausarbeitung der neuen Verfassung, die "als Werk des Volkes" der föderalistischen Revolte den Wind aus den Segeln nehmen sollte.
Hansons Perspektive ist, auch wenn er sich immer wieder um eine differenzierte Sicht der Dinge bemüht, dezidiert pro-girondistisch, und das von Anfang an. Seine Helden sind erklärtermaßen Pierre Vergniaud und Jacques Brissot. Doch auch moderatere Montagnards wie Robert Lindet, der im Juni 1793 Lyon und Paris miteinander zu versöhnen suchte, bevor es zum Bruch zwischen den beiden wichtigsten Städten Frankreichs kam, haben durchaus Hansons Sympathien. Der revisionistisch-pro-girondistische Ansatz hat ohne Zweifel nach wie vor Konjunktur im angelsächsischen Raum.
Was sich der Leser der Jacobin Republic under Fire sicherlich gewünscht hätte, wäre, die Ereignisse zwischen dem 10. August 1792 und dem Beginn der föderalistischen Revolte weniger monolithisch als Kampf der Giganten - Girondisten gegen Montagnards, Provinz versus Paris - darzustellen, als vielmehr andere Faktoren, wie die Kriegsmisere, die Versorgungskrise des Frühjahrs 1793, die wachsenden Divergenzen zwischen der Montagne und den Pariser Sansculottes beziehungsweise den selbst ernannten "Volksführern" Jacques Hébert und Jacques Roux, den Bürgerkrieg in der Vendée, die Propaganda antirepublikanischer Kräfte aus der Emigration - um nur einige Faktoren zu nennen -, mehr in die Argumentation einzubeziehen, da nur so die Eskalation der Ereignisse bis zum Sommer 1793 beziehungsweise der Beginn der jakobinischen Terreur wirklich verstanden werden können. Hanson ignoriert diese Faktoren zwar nicht, doch bekommen sie in seiner Argumentation nicht den Stellenwert, den sie für eine Erklärung der komplexen Ereignisse zwischen dem August 1792 und dem Sommer 1793 haben sollten.
Susanne Lachenicht