Juan Pedro Monferrer-Sala (ed.): Eastern Crossroads. Essays on Medieval Christian Legacy (= Gorgias Eastern Christian Studies; 1), Piscataway: Gorgias Press LLC 2007, xxi + 406 S., ISBN 978-1-59333-610-3, USD 128,00
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Der Sammelband stellt die Beiträge des "1st International Congress on Eastern Christianity" vor. Er wurde 2005 an der Universität Cordoba (Spanien) unter der Leitung von Prof. Dr. Juan Pedro Monterrer-Sala/Cordoba durchgeführt. Die Veranstaltung hatte die Aufgabe, die marginale christliche Orientalistik in Spanien wissenschaftlich zu fördern. Wie bei diesen Kongressen üblich, stammen die Beiträge zumeist aus unterschiedlichen Spezialforschungen. Die Gegenstände kommen aus der Spätantike bis zum 14. Jahrhundert. Die Autoren stellten sich gemeinsam die Aufgabe, etwas von der Bedeutung orient-christlichen Wirkens sichtbar zu machen. Die Beiträge wurden in eine inhaltliche Gliederung gebracht. Sie soll hier unter Nennung aller Autoren vorgestellt werden, weil sich der Wert des Bandes durch seine Einzelbeiträge und seine zum Teil sehr bekannten Autoren ergibt. Ein Blick darauf scheint deshalb hier unverzichtbar.
Ein erster Teil behandelt "Beyond boundaries" und bringt einen allgemeinen Beitrag von Samir Khalil Samir zur Rolle der Christen in der Kultur des Vorderen Orients mit einer theologiegeschichtlichen Untersuchung über den byzantinischen Theologen Gregor Akindynos in den theologischen Kontroversen des 14. Jahrhunderts zusammen. Der zweite Teil, "Melkite texts at the heart of the Muslim world", bietet eine Erörterung von Clare E. Wilde über die Verehrung des Syrischen als heiliger Sprache und zweitens die Vorstellung eines griechisch-arabischen Lukasmanuskriptes von Ángel Urbán Fernández. Im dritten Teil, mit "Writing the Syriac Culture" überschrieben, untersuchen Pablo Argárate, Ignacio Carajosa, Harald Suermann und Hermann Teule syrisch-orthodoxe Texte aus der Kirche des Ostens zu Fragen der christlichen Apologie und der Mystik. Der vierte hat "Facing the Coptic Surroundings" zum Titel und bietet Beiträge von Emmanouela Grypeou, David Hernández de la Fuente, Adel Sidarus und Mark N. Swanson. Sie untersuchen apokalyptische, epische und hagiographische Einzelwerke aus der koptischen Welt; Sidarus bietet einen zusammenfassenden Einblick in die koptische Literatur an der Wende zum 13. Jahrhundert. Auf die iberische Welt blickt der fünfte Teil, "Christian Oriental Heritage in the Ibero-Maghribi Setting", mit Beiträgen von Fernando Gonzales Muñoz, Sebastià Janeras und Mayte Penelas unter anderem über die Rezeption von Isaac von Ninive auf der iberischen Halbinsel und zwei Apologien in einer maghribinischen Handschrift. Im sechsten Teil, "Linguistic Perspectives in the Semitic Orient" wenden sich Federico Correinte, Juan Pedro Monferrer-Sala, Massimo Pazzini und Francisco del Río Sánchez sprachlichen Einzelphänomen und der Lexikographie des christlichen Arabischen und des Syrischen zu. Drei abschließende Beiträge von Samir Khalil Samir, Hermann Teule und Sofía Torallas Tovar fassen den aktuellen Stand in der christlichen Arabistik, den syrischen Studien und der Koptologie zusammen. Damit fügt sich der Sammelband in eine lange Publikationstradition ein, die über viele untereinander unverbundene Einzelergebnisse, Handschriftenbeschreibungen und Editionen die Gesamtkenntnis über das geistige Erbe des christlichen Orients erweitert hat. Wie die Beiträge am Schluss des Bandes über den Forschungsstand in der Christlichen Orientalistik zeigen, die wichtige jüngere Kongresse, Editionen, Digitalisierungen und Katalogisierungen von Handschriften benennen, gehört diese Form der Forschung zum Selbstverständnis der Disziplin. Als Ziele werden unter anderem neue Literaturgeschichten benannt, die die Funde der letzten Jahrzehnte zusammenfassen und die alten Literaturgeschichten des frühen 20. Jahrhunderts ersetzen können. Indem sich hier neben international bekannten Spezialisten einige weniger bekannte, spanische Wissenschaftler zu Wort melden, bietet der Band auch einen Einblick in die jüngsten Entwicklungen in der spanischen christlichen Orientalistik. Diese schließt sich dem anhaltenden internationalen Trend an: Auch ihre Themen sind philologisch oder theologisch und vorwiegend an einzelnen Autoren oder Texten interessiert.
Die einzelnen Beiträge weisen die Gründlichkeit auf, die wir von diesen Autoren kennen und erwarten. Die Vorstellung unbekannter Texte und Handschriften oder revidierter Interpretationsansätze machen ihn ebenso wertvoll wie die zusammenfassenden Überblicke. Allerdings sollten Sammelbände dieser Art vielleicht nicht in dieser Form besprochen werden, weil dies ihrer Arbeitsweise ebenso wenig gerecht wird, wie wenn man versuchte, den Jahrgang einer Zeitschrift in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Weil dies aber so ist, suggerieren die scheinbar kulturwissenschaftlichen Zwischenüberschriften inhaltliche Schwerpunkte, die sie nicht einlösen oder die sogar in die Irre führen. Der erste Teil befasst sich nicht mit den in der Kulturgeschichte wichtigen Problemen der Grenzen und der Identitäten und die beiden Beiträge ergeben keinerlei inneren Zusammenhang. Die Motivation für die Überschrift ergibt sich anscheinend zum einen aus der christlich-islamischen Perspektive des ersten Beitrags, zum anderen offenbar aus der Tatsache, dass der Protagonist des zweiten Grieche ist und somit jenseits der Grenzen des Vorderen Orients schrieb. "Facing Coptic Surroundings" enthält koptologische Beiträge. Wer hier wen konfrontiert, wird nicht deutlich. Warum der Beitrag über die Perspektive des Florentiner Dominikaners Riccoldo da Monte di Croce (gestorben nach 1310) in das Kapitel über "Christian Oriental Hertiage in the Ibero-Maghribi Setting" aufgenommen wurde, erschließt sich mir nicht. Trotzdem ist dies eine lesenswerte Analyse der orientchristlichen Polemik Riccoldos im Kontext der Theologie und der Kirchenpolitik des 13. Jahrhunderts! Diese Beispiele ließen sich fortsetzen; bei jeder Überschrift stellt sich heraus, dass sie den Beiträgen durchaus abträglich ist. Vorzuschlagen wäre deshalb, die besondere Arbeitsweise der Disziplin wie der von ihr produzierten Kongressbände nicht zu verschleiern zu versuchen, sondern von vornherein deutlich kenntlich zu machen und also auf solche wenig hilfreichen Gliederungen zu verzichten. Wenn übrigens auch die Beschränkung aller Autoren auf englisch und französisch den Zugang zu den Beiträgen erleichtert, wäre ein gründlicheres englisches Lektorat doch wünschenswert gewesen. Es ist sehr zu begrüßen, dass die christliche Orientalistik in Spanien Fuß gefasst hat und so die hier lebhaft betriebenen Forschungen auf dem Gebiet der christlich-islamischen Beziehungen ergänzen können. Weder die Welt des Islam noch die Welt des westlichen Christentums lassen sich ohne die orientalischen Christen verstehen oder erforschen; dieses im Vorwort von Samir Khalil Samir wiederholte Postulat gilt weiterhin. Das Vorhaben würde vielleicht noch größere Wirkung entfalten, wenn die christliche Orientalistik bei ihren Untersuchungen auch Forschungsinteressen der Geschichts- und Kulturwissenschaften aufgreifen würde, um sich so stärker in deren Debatten einzumischen und die Relevanz dieser Forschung auch in diesen Bereichen aufzuzeigen.
Dorothea Weltecke