Benjamin J. Kaplan: Divided by Faith. Religious Conflict and the Practice of Toleration in Early Modern Europe, Cambridge, MA / London: The Belknap Press of Harvard University Press 2007, viii + 415 S., ISBN 978-0-674-02430-4, GBP 19,95
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Das konfessionelle Zeitalter gilt in der historischen Forschung gemeinhin als Epoche religiöser Intoleranz und blutiger Religionskonflikte. Toleranzforderungen wurden im 16. und frühen 17. Jahrhundert fast ausschließlich von einer kleinen Gruppe religiöser Außenseiter und Ireniker erhoben. Erst im Zeitalter der Aufklärung fand der Toleranzgedanke nach landläufiger Meinung breitere Akzeptanz und wurde von reformorientierten Fürsten in praktische Politik umgesetzt. Diese Fortschrittsgeschichte von einem intoleranten konfessionellen Zeitalter hin zu einem toleranten Aufklärungsjahrhundert erscheint Benjamin Kaplan nicht nur im Lichte gewaltsamer religiöser Konflikte der Gegenwart fragwürdig, sie verkennt seiner Ansicht nach auch zentrale Aspekte der frühneuzeitlichen Geschichte Europas. Seine Geschichte religiöser Toleranz konzentriert sich im Gegensatz zu den Darstellungen Joseph Leclers, Henry Kamens und Perez Zagorins weniger auf intellektuelle Vordenker wie Sebastian Castellio, John Locke oder Voltaire als vielmehr auf die sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Aspekte des Toleranzproblems sowie auf die praktischen Arrangements, die das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen ermöglichten. Das Buch versteht sich als Synthese einer umfangreichen, aber disparaten Forschungsliteratur und bezieht neben Kaplans Spezialgebiet, der niederländischen Geschichte, auch Entwicklungen in zahlreichen anderen europäischen Ländern mit ein.
Die Studie gliedert sich in vier Teile, die mit "Obstacles", "Arrangements", "Interactions" und "Changes" überschrieben sind. Im ersten Teil untersucht Kaplan die Hindernisse, die einer Koexistenz religiöser Gruppen im Weg standen: den Prozess der Konfessionalisierung, der rigide Grenzen zwischen Konfessionsgemeinschaften zog und dessen Protagonisten mit klaren Gegensatzpaaren und Feindbildern arbeiteten; das Selbstverständnis frühneuzeitlicher Gemeinden als christliche Sakralgemeinschaften, deren Leben von Einheit stiftenden religiösen Ritualen geprägt war; und die verbreitete Auffassung, dass religiöse Abweichler keine loyalen Untertanen waren. Religiöse Konflikte brachen Kaplan zufolge auffallend häufig im Kontext von Feiertagen und öffentlichen Zeremonien wie Prozessionen und Begräbnissen aus. Zudem förderte die Einführung des Gregorianischen Kalenders die Polarisierung zwischen Katholiken und Protestanten.
Im zweiten Teil, dem originellsten und innovativsten des Buches, untersucht Kaplan Konstellationen, die vorübergehend oder dauerhaft die Koexistenz unterschiedlicher Bekenntnisse ermöglichten. Während konfessionellen Unionsbestrebungen auf nationaler wie auf lokaler Ebene allenfalls temporäre und begrenzte Erfolge beschieden waren, erwiesen sich Arrangements, die den Anschein eines religiös einheitlichen öffentlichen Raums wahrten, zugleich jedoch Minderheiten die Praktizierung ihres Glaubens ermöglichten, als bemerkenswert tragfähig. Dazu gehörten die Bildung von Fremdengemeinden mit eigenem Rechtsstatus und eigenen Institutionen, der "Auslauf" von Minderheiten in benachbarte Gemeinden und Territorien, wo sie Gottesdienste besuchen konnten, ferner die vor allem aus den Niederlanden bekannten, aber auch in anderen Ländern häufig anzutreffenden Hauskirchen und -kapellen sowie Simultankirchen und paritätische Regelungen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele zeigt Kaplan, dass diese Arrangements auf Grenzziehungen zwischen Gemeinden und Herrschaftsbereichen sowie zwischen öffentlichen und privaten Räumen basierten, dass diese Grenzen aber bis zu einem gewissen Grad durchlässig waren.
Der dritte Teil ist den sozialen Interaktionen zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften gewidmet. Kaplan konstatiert vielfältige Kontakte auf den Feldern der Nachbarschaft, Wirtschaft und Politik, beobachtet jedoch auch eine Tendenz hin zu zunehmender Abgrenzung, die sich etwa in der Anlage getrennter Friedhöfe für Katholiken und Hugenotten im Frankreich des 17. Jahrhunderts oder in der Errichtung von Trennwänden in Simultankirchen im schweizerischen Thurgau manifestiert. Interkonfessionelle Freundschaften waren unter der Voraussetzung möglich, dass die Beteiligten zwischen den konkreten Personen und deren Gruppenzugehörigkeit unterschieden. Zwar unternahmen alle Konfessionen große Anstrengungen, um Konvertiten zu gewinnen, doch hatten diese Bemühungen häufig einen defensiven Charakter und dienten primär der Festigung des Zusammenhalts der eigenen Gruppe. Konfessionell gemischte Ehen wurden offiziell zwar von Vertretern aller Kirchen verurteilt und waren vielerorts gesetzlich erschwert, doch wurden existierende Mischehen grundsätzlich als legitim angesehen. Eheschließungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher protestantischer Gruppen kamen im 17. und 18. Jahrhundert offenbar häufiger vor als Heiraten zwischen Protestanten und Katholiken, und die religiöse Erziehung von Kindern aus solchen Verbindungen bildete ein Konfliktfeld, für das von Region zu Region unterschiedliche Lösungen gefunden wurden.
Ein eigenes Kapitel ist den Juden und Muslimen im frühneuzeitlichen Europa gewidmet, wobei die neuere Forschung zu Judengemeinden im Heiligen Römischen Reich leider etwas zu kurz kommt. Auf der einen Seite sieht Kaplan die Situation von Juden und Muslimen in einer christlichen Umwelt von scharfen Grenzziehungen bestimmt, die in der Einrichtung des Ghettos und des Fondaco dei Turchi in Venedig sowie in der Verfolgung von Kryptojuden und Morisken auf der iberischen Halbinsel exemplarisch zum Ausdruck kommen. Auf der anderen Seite waren auch die Beziehungen zwischen Christen und nichtchristlichen Minderheiten von vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und intellektuellen Kontakten geprägt.
Im letzten Teil seiner Studie stellt Kaplan die herkömmliche Sichtweise, dass Aufklärung und Säkularisierung den Siegeszug des Toleranzgedankens herbeigeführt hätten, nachdrücklich in Frage. Er zeigt, dass auch das "Zeitalter der Vernunft" von einer langen Serie gewaltsamer religiöser Konflikte - von der Repression der Hugenotten in Frankreich über die Ausweisung der Protestanten aus dem Fürstbistum Salzburg bis zu den antikatholischen Gordon Riots in London - begleitet war und der vorsichtige Toleranzkurs, den manche Herrscher im späten 18. Jahrhundert einschlugen, auf erbitterte Widerstände stieß. Aus dieser Perspektive weisen das konfessionelle Zeitalter und das Aufklärungsjahrhundert durchaus Ähnlichkeiten auf, denn beide waren gleichermaßen um religiöse Abgrenzung und um praktische Lösungen für das Problem eines friedlichen Zusammenlebens bemüht.
Insgesamt hat Benjamin Kaplan eine eindrucksvolle Synthese vorgelegt, die etablierte wissenschaftliche Sichtweisen auf den Konfessionalisierungsprozess und die Entwicklung des Toleranzdenkens überzeugend mit neuen Perspektiven auf die Praktiken religiöser Koexistenz verbindet. Zu kritisieren an dieser ansonsten empfehlenswerten Studie ist allerdings der bibliographische Apparat. Autor und Verlag haben sich dafür entschieden, lediglich wörtliche Zitate durch Literaturangaben zu belegen und dem Werk eine nicht allzu umfangreiche kommentierte Bibliographie (386-395) beizufügen. Zahlreiche Fallbeispiele sind daher nicht unmittelbar belegt; der Leser, der beispielsweise Näheres über den flämischen Pastor Gendulphus van Schagen wissen möchte, dessen Hühner ihre Eier auf den Altären der Dorfkirche legten (64), erfährt nicht, wo er mehr über ihn nachlesen kann.
Mark Häberlein