Ingemar König: Der römische Staat. Ein Handbuch, Stuttgart: Reclam 2007, 456 S., ISBN 978-3-15-010644-0, EUR 18,90
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Das vorliegende Handbuch ist die vom Verfasser Ingemar König erweiterte und neu strukturierte Darlegung seiner Betrachtungen zum römischen Staatswesen, vormals in den beiden Bänden seines Studienbuches Der römische Staat enthalten. [1] Durch die Herauslösung der historischen Darstellung und deren separate Publikation [2] gewinnt Königs Durchdringung des römischen Staatsaufbaus an Kontur und Tiefenschärfe, wie man es von den klassischen Darstellungen dieses Genres gewohnt ist. [3] Didaktisch bietet diese Entscheidung dem studentischen Benutzer den Vorteil, entsprechend seinen Bedürfnissen oder seinem Kenntnisstand die historische Schilderung mit den Informationen aus dem Handbuch variabel zu unterlegen.
In einer paritätischen Drittelteilung umfasst der Abriss grundlegende Strukturelemente der römischen Republik (19-140), der Kaiserzeit (141-294) und eine Liste der römischen Oberbeamten ab urbe condita bis ins Jahr 542 n.Chr. (295-414). Eine umfangreiche und aktualisierte Bibliografie (415-452) und zwei Karten, die die Campagna und die Stadt Rom im 1. Jahrhundert v.Chr. zeigen, schließen den Band ab. In den ersten beiden Abschnitten setzt König die Schwerpunkte seiner Darlegung gemäß der jeweiligen historischen Relevanz: So stellt er im ersten Teil die innere Ordnung der res publica libera vor, wobei er von der Familienstruktur über die Gliederung der Bürgerschaft zur Beschreibung der politischen Ordnung schreitet und hierbei u.a. die Volksversammlungen, Magistraturen, Senat, Ritterstand und die Staatseinkünfte eingehend erläutert. Eine konzise Darlegung der römischen Gesetzgebung samt einer Auswahl der wichtigsten Gesetze in alphabetischer und chronologischer Sortierung runden den Abschnitt ab. Der folgende Teil zur römischen Kaiserzeit enthält Ausführungen zur Person des Kaisers, zu den Veränderungen im Feld der inneren politischen Ordnung, vor allem im Bereich der Magistraturen und des Senats, und zu den 'neuen' Verwaltungsstrukturen in der Stadt Rom, in Italien, den Provinzen und dem Steuerwesen. Es schließen sich zweckdienliche Informationen zum römischen Militär in der Kaiserzeit, zum Rechtswesen unter besonderer Berücksichtigung des römischen Bürgerrechts und zum Spannungsverhältnis zwischen christlicher Kirche und den Häresien samt einem kleinen Glossar an.
In der derzeitigen Auswahl an Studienlektüre zur römischen Geschichte könnte das Handbuch auf den studentischen Benutzer wenig zugänglich und vielleicht sogar abschreckend wirken, weil es eine Fülle an Einzelbetrachtungen mit einem hohen wissenschaftlichen Standard und einer intellektuell anspruchsvollen Strukturanalyse präsentiert. Aber dieser erste Eindruck täuscht: Trotz seiner schwierigen Thematik ist das Handbuch außerordentlich gut für das Studium (und sicherlich auch für die schon sachkundigen Rezipienten als hilfreiches Nachschlagewerk) geeignet. König macht schon auf den ersten Seiten klar, dass das Wesen der römischen Staatsordnung nur durch ihre Rechtsgrundlage zu erfassen ist. Der Primat der Rechtsordnung im öffentlichen und privaten, im zivilen und militärischen, im säkularen und kirchlichen Bereich zieht sich als roter Faden durch das gesamte Handbuch und spiegelt sich auch in den Quellen und in der Literaturauswahl wider. Damit bietet König auch dem unkundigen Benutzer eine Orientierungsmarke, die diesen auf dem Weg durch ca. 1000 Jahre römische Staatsentwicklung begleitet. Hervorzuheben ist dabei die Vermeidung jeglichen Schematismus und die Einbindung des schwer zu fassenden Gewohnheitsrechts und des mos maiorum. Jedem Betrachtungsgegenstand ist eine kleine Auswahl an Sekundärliteratur vorangestellt, ebenso finden sich im Rahmen von Königs Erläuterungen weiterführende Hinweise auf Forschungsdiskussionen. Das große Verdienst dieses Buches ist es, den Quellen den größten Raum innerhalb der Darlegung einzuräumen. Dabei dienen sie nicht nur als Beleg oder Argumentationshilfe, sondern werden auch zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand, anhand dessen König seine Erläuterungen vornimmt. Dankenswerterweise werden die Quellen nicht nur in einer deutschen Übersetzung, sondern auch im lateinischen Original wiedergegeben, ebenso werden alle Fachtermini zweisprachig aufgeführt. Es muss wohl an dieser Stelle nicht gesondert erwähnt werden, dass König alle für seine Herangehensweise relevanten Quellenstellen wohlausgewogen erfasst hat.
Kritisch zu hinterfragen ist allerdings meines Erachtens die Relevanz, die König dem "Geschlechterstaat" (27) und der sogenannten Gentilstruktur samt Patronage einräumt (25-30, 36f.). Wie König selbst darlegt, stammen die Quellen überwiegend aus der Kaiserzeit (25f.), was eine definitorische Erklärung der inneren Ordnung des frühen Rom von diesem Ansatz aus schier unmöglich macht. So sind die frühesten vertrauenswürdigen Gesetzestexte, das sogenannte XII-Tafel-Recht, bekanntlich erst um 450 v.Chr. zu datieren (100-110). Ebenso scheinen seine Aussagen zur ohnehin höchst umstrittenen Möglichkeit einer Einschränkung der tribunicia potestas durch die Sondermagistraturen und durch das senatus consultum ultimum ein wenig missverständlich (vgl. 73 mit 81), was aber den sehr guten Gesamteindruck des Handbuches nicht trübt.
Anmerkungen:
[1] Ingemar König: Der römische Staat I. Die Republik, Stuttgart 1992. II. Die Kaiserzeit, Stuttgart 1997.
[2] Ingemar König: Kleine römische Geschichte, Stuttgart 2001.
[3] Z.B. Theodor Mommsen: Abriss des römischen Staatsrechts, Darmstadt 1982 (= ND der Ausgabe 21907).
Iris Samotta