Rezension über:

Richard J. Evans: Syracuse in Antiquity. History and topography, Pretoria: Unisa Press 2009, VIII + 169 S., ISBN 978-1-8688-8407-0, USD 32,00
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Jasmin Schäfer
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Jasmin Schäfer: Rezension von: Richard J. Evans: Syracuse in Antiquity. History and topography, Pretoria: Unisa Press 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8 [15.07.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/07/17558.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Richard J. Evans: Syracuse in Antiquity

Textgröße: A A A

Richard J. Evans von der Universität Cardiff hat es sich in seiner im Jahre 2009 erschienenen Monographie "Syracuse in Antiquity - History and Topography" nicht nur zum Ziel gesetzt, Alte Geschichte und Archäologie der Stadt Syrakus zusammenzuführen, sondern beide Disziplinen in einen kausalen Zusammenhang zu bringen. Vor allem jedoch möchte Evans die topographischen Schwierigkeiten lösen, die aufgrund der in der Wissenschaft herrschenden Widersprüche sowie teilweise ungeklärten archäologischen Fundsituationen entstanden sind.

Der Prolog "Orientation" (1-8) dient einer ersten Vorstellung und Erschließung des modernen Stadtplans mit seinen überwiegend aus klassischer Zeit stammenden Monumenten. Er endet mit einer Erläuterung der methodischen Vorgehensweise, in der Evans zwar keine zeitliche Einschränkung vornimmt, jedoch hauptsächlich die Zeit zwischen der Wahl Dionysios I. zum strategós autokrátor im Jahre 405 v. Chr. bis zur Einnahme der Stadt durch die Römer 212 v. Chr. behandelt. Im ersten Kapitel "Urban Space" (9-28) stellt Evans die einzelnen Stadtteile der einstigen Polis in der Reihenfolge ihrer Entstehung vor: Ortygia (12-16), Akradina (20-22), Tyche (22-23) und Neapolis (23-24). Er unternimmt kurze, aber dennoch präzise Versuche, die topographische Lage der einzelnen Viertel sowie das Ausmaß der Hafenanlagen (16-20) und der Fortifikationen (24-26) zu klären. Seine Ergebnisse präsentiert er dem Leser mittels graphischer Rekonstruktionen (Fig. 4-9).

Im zweiten Kapitel "Chorē" (29-46) beschäftigt sich der Autor mit der territorialen Ausdehnung des syrakusanischen Herrschaftsgebiets über die Stadtgrenzen hinaus. Er geht der Frage nach, inwiefern das fruchtbare Hinterland mit seiner landwirtschaftlichen Produktion zum Wohlstand der Stadt beigetragen haben könnte, beleuchtet ferner aber auch die politisch-militärische Bedeutung des städtischen Umlands.

Im dritten Kapitel "Temples & Theatres" (47-73) dringt Evans zu einer seiner Kern-Hypothesen vor: "[...] Syracuse had a modest series of temples, notwithstanding that fact, its late Hellenistic theatre and an altar to Zeus Eleutherios were indeed civic giants meant to proclaim, through their size and sophistication, Syracuse's pre-eminent place in Sicily" (47). Im Unterabschnitt "Temples" stellt er in chronologischer Reihenfolge die bekanntesten Heiligtümer der Stadt vor. Im direkten Vergleich mit weiteren sizilischen Tempeln kommt Evans zu dem Ergebnis, dass die syrakusanischen Heiligtümer "[...] may not [...] have been extraordinary, but some did possess great antiquity and hence seniority" (73). Außergewöhnlich seien sie erst dadurch geworden, dass sie, im Gegensatz zu den beeindruckenden Kultgebäuden in Agrigent und Selinunt, in den antiken Quellen stets größere Aufmerksamkeit erfuhren als ihre Konkurrenzbauten. Zusätzlich, jedoch ohne nähere Erläuterung, führt Evans das Tempelinventar als Argument für die herausragende Stellung der Stadt bzw. ihren außerordentlich unverwechselbaren Status auf der Insel an. Die darauf folgende Beschreibung des Theaters (im Unterkapitel "Theatres") schließt ebenfalls mit einem Vergleich. Zu klären bleibt nach der Gegenüberstellung mehrerer italischer wie sizilischer Theater allerdings weiterhin, ob diese, in Größe und Ausdehnung durchaus miteinander vergleichbaren Bauten aus Tauromenion, Agyrion und Akrai, tatsächlich unter Einfluss Hierons II. errichtet wurden und inwieweit das Theater von Syrakus als Vorbild gedient haben könnte.

Haben die meisten Kapitel in Evans Werk einen eher überblickartigen und zusammenfassenden Charakter, zeichnet sich das vierte Kapitel "The four great sieges of Syracuse" (74-106) durch die Verknüpfung des überlieferten Quellenmaterials mit der in der Forschung doch sehr widersprüchlich beurteilten Topographie der Stadt aus. Der Schwerpunkt des Kapitels liegt daher auf der Zusammenführung von Militärstrategie und Topographie. Die erfolglose Belagerung der Stadt durch die Athener 414/413 v. Chr. bezeichnet Evans als "[...] turning point in the histories of both cities, for Athens the beginning of decline, for Syracuse from the brink of disaster to a place of sustained domination in Greek-Sicilian affairs" (74). Im Jahre 397 v. Chr. und in den Jahren zwischen 310-307 v. Chr. erfolgten weitere Belagerungen durch die Karthager. Die Schuld für das mehrmalige Fehlschlagen der karthagischen Angriffe sieht Evans einerseits in den "[...] diversionary tactics in Cartage's own backyard [...]" und andererseits in "[...] the invaders' severe miscalculations of the land around the city". Der letzte Eroberungsversuch und die einzig erfolgreiche Belagerung der Stadt erfolgte schließlich im Jahre 212 v. Chr. durch die Römer. Evans gelingt es anhand einer Vielzahl von "[...] crucial occasions [...]" zu zeigen, dass "[...] the topography of Syracuse played a vital role in the outcome of four great sieges" (74). Sein Ergebnis formuliert er - trotz einer überzeugenden Untersuchung - vorsichtig fragend: "Was it, therefore, simply a series of blunders in which the besiegers were outmanoeuvred by the besieged (a series of misadventures from which the Romans learned a good lesson) and realised that any successful attack must come from the north and not the south?" (106).

Im fünften Kapitel "Imperial Designs" (107-134) kündigt Evans an, keine Herrscherchronologie dieser Zeit anzufertigen, sondern vielmehr die physischen Hinterlassenschaften in einen kausalen Zusammenhang mit der Geschichte der Stadt stellen zu wollen. Seine für diesen Abschnitt zentrale Fragestellung lautet: "Are these monuments indicators of collective civic or individual ruler pride in conquest?" (107).

Das sechste und letzte Kapitel "A city in the Roman Empire" (135-144) kann als Plädoyer für die Regierungszeit Hierons II. bezeichnet werden: erstmals, so Evans, zeichnen politische Stabilität und Kontinuität die Stadt aus - bis zur Eroberung durch die Araber im Jahre 878. "For nearly 1100 years Syracuse witnessed relatively little turbulence in its internal affairs or warfare through external instability in stark contrast to its earlier history, certainly from the time of Gelon's tyranny down to its capture by the Romans" (135).

Ergänzendes Material stellt der Autor dem Leser mittels fünf Appendices (145-155) zur Verfügung: "The chief cities of Sicily in antiquity" (145), "The size of the Athenian camp" (146-147), "The Tellaro or the Assinario?" (148-149), "Dating the monuments of Syracusan imperialism" (150-151) und "The proconsuls of Sicily (219-36 BC)" (152-153). Eine knappe Bibliographie (156-161) sowie ein Index (162-169) finden am Ende der Darstellung ihren Platz.

Mittels einer beigefügten CD-Rom gibt Evans dem Leser die Möglichkeit, die Denkmäler der Stadt im Kontext ihrer topographisch-geographischen Lage anhand zahlreicher Karten, Fotos und Videos visuell zu erschließen. Der Umgang mit dem auf der CD dargebotenen Bildmaterial gestaltet sich leider - trotz der Erklärung des Autors, dass "[...] cross-referencing between the book and the CD-Rom should [...] be easily manageable" (vii) - schwierig. Bereits der erste Bildverweis sorgt für Verwirrung, denn statt wie üblich bei Abbildung 1 zu beginnen, findet man auf Seite 2, Anmerkung 3 folgenden Hinweis: "see CD no. 582". Nach dem Einlegen der CD freut man sich zunächst über das ansprechende Layout und den vermeintlich übersichtlichen Aufbau, da die Gliederung weitestgehend den bereits bekannten Kapiteln des Buches folgt. Lediglich ein Karten-, Bild- und Videokatalog wurde der CD noch hinzugefügt. Der Katalog ist in insgesamt vier Rubriken unterteilt: "Maps", "Videos", "Photos 1-5" sowie "Addendum 2009". Das gesamte Material ist alphabetisch geordnet, die Benennungen sind teilweise rätselhaft. Bild 582 zeigt den Bahnhof der Stadt. Man findet es nach einigen Minuten der Suche schließlich unter "Photos 4" in der dritten Spalte mit dem Titel "Syracuse 582", obwohl man, wenn man schon gezwungen wird, sich einmal durch alle Photos zu klicken, bis man schließlich dort landet wo man hin möchte, vielmehr mit einer Betitelung wie z.B. station gerechnet hätte. Das reiche Bildmaterial auf der CD hat dennoch seine Vorteile. Losgelöst von der Publikation kann ein Laie sich dem antiken Syrakus mittels der CD sehr gut annähern, da die einzelnen CD-Kapitel auch stets mit antiken Texten und/oder modernen Kommentaren versehen sind. Zudem ist die lästige Suche nach geeigneten Bildern für das wissenschaftliche Arbeiten, Lehrveranstaltungen etc. und das Einscannen des Materials mithilfe dieser CD nicht mehr nötig, auch wenn die Qualität der Bilder stellenweise den Charakter eines persönlichen Reisealbums hat. Das Mit- und Nebeneinander beider Medien ist allerdings nicht so leicht zu handhaben, wie der Autor ankündigt.

Neben der fehlenden Darlegung der Forschungsgeschichte bleibt auch die Auseinandersetzung mit den Quellen exemplarisch; teilweise fehlt der Verweis auf die entsprechenden Quellenzitate. Nichtsdestoweniger ist es Evans durchaus gelungen, die Topographie der Stadt mithilfe der Quellen und modernen Forschung darzustellen und so entstandene Widersprüche aufzudecken. Als Einstieg in das Thema und um einen Überblick zu gewinnen, ist das vorliegende Buch daher durchaus empfehlenswert.

Jasmin Schäfer